Immer mehr Unternehmen führen Vaterschaftsurlaub ein
Während die Politiker noch zurückhaltend sind, gibt es immer mehr Unternehmen, die den Vaterschaftsurlaub einführen oder verlängern.
So gewähren ab Januar verschiedenste grosse Arbeitgeber, darunter die Bundesverwaltung, Vätern von Neugeborenen fünf bis zehn Tage Ferien.
Im Ausland, besonders in Skandinavien, ist der Vaterschaftsurlaub bereits weit verbreitet.
In der Schweiz wird er bislang durch die Erneuerung der Gesamtarbeitsverträge (GAV) eingeführt.
Es sei besser, die Frage den Sozialpartnern zu überlassen, sagte der zuständige Bundesrat Pascal Couchepin am Mittwoch vor dem Ständerat.
Die kleine Kammer hatte denn auch eine Nationalratsmotion für den Vaterschaftsurlaub mit 21 zu 13 Stimmen abgelehnt.
Sie wollte keinen gesetzlich vorgeschriebenen Vaterschaftsurlaub, der über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert wird.
Die Motion war in der Gleichstellungsdebatte des Nationalrats im letzten März mit 78 zu 74 Stimmen angenommen worden, was die Ratslinke damals als Durchbruch gefeiert hatte.
Fünf bis zehn Tage
Obschon die Politiker zögern, wird die Liste der Unternehmen, die vorwärts machen, jedes Jahr länger.
Ab Januar gewährt der Detailhandelsriese Coop einen bezahlten Urlaub von einer Woche. Bisher betrug er zwei Tage.
Die zum grössten Detailhändler Migros gehörende Warenhauskette Globus wird dem Beispiel ihres Mutterhauses folgen und zwei bezahlte Ferienwochen anbieten.
Gleiche Regelungen kennen auch die Schweizerischen Bundesbahnen SBB, der Rückversicherer Swiss Re oder der Telekommunikationskonzern Swisscom.
Beim Basler Chemieunternehmen Ciba haben die frisch gebackenen Väter ab nächstem Jahr Anspruch auf einen Urlaub von fünf Tagen, und bei den Payot-Buchhandlungen dürfen die männlichen Angestellten während den ersten drei Monaten nach der Geburt zehn Tage zu Hause bei ihrem Kind bleiben.
Das Gastronomieunternehmen SV Schweiz gewährt ihren 1500 männlichen Mitarbeitern im Falle von Vaterglück ein bis sechs Urlaubstage.
Fenaco, Muttergesellschaft der Landwirtschaftlichen Genossenschaften, und die Sicherheitsfirma Securitrans, Gemeinschaftsunternehmen von SBB und Securitas, gewähren ihrerseits fünf Tage.
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GAV
Auch staatliche Arbeitgeber
Arbeitgeber, welche die Aufgabenteilung der Eltern nach der Geburt eines Kindes fördern, findet man aber nicht nur in der Privatwirtschaft. Auch zahlreiche Gemeinden und mehrere Kantone haben den Vaterschaftsurlaub bereits eingeführt – oder haben es für 2008 vor.
In der Bundesverwaltung wurden auf Initiative von Bundesrätin Doris Leuthard per 1. Januar zwei bis fünf Freitage eingeführt. Die Regelung geht jedoch weniger weit, als es die Volkswirtschaftsministerin ursprünglich vorgesehen hatte.
Gewerkschaften wollen Gesetz
Auch wenn sie es bei einigen Firmen schaffen, den Vaterschaftsurlaub in den GAV einzubeziehen, sind die Gewerkschaften überzeugt, dass ein Gesetz notwendig ist. Die Unternehmen sollen nicht mehr einfach frei über den Vaterschaftsurlaub entscheiden können.
Zudem wären alle Väter gleich behandelt, sagte Valérie Borioli Sandoz, verantwortlich für Gleichstellungsfragen beim Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse, gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Der Verband hat daher an seiner Versammlung vom 15. Dezember eine Resolution für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von mindestens 20 Tagen beschlossen.
Diese Dauer sei realistisch, umso mehr, als der Vorschlag der Gewerkschaft vorsehe, dass der Urlaub in mehreren Tranchen bezogen werden könne, so Sandoz.
Zu den grosszügigsten Unternehmen gehören heute die Alternative Bank und die Car-Sharing-Gesellschaft Mobility mit vier Wochen Vaterschaftsurlaub.
Grosser Rückhalt
Eine von der Westschweizer Zeitschrift «L’Hebdo» im Frühling veröffentlichte Umfrage zeigt, dass sich das Anliegen in der Bevölkerung durchsetzt. Rund 80% der Schweizer Bevölkerung befürworten den Vaterschaftsurlaub. Für knapp 60% der Befragten müsste dieser mindestens einen Monat dauern.
Die 20%, die gegen einen Urlaub sind, erklärten, es sei nicht Sache des Staates, diesen zu finanzieren oder dass ein solcher zu viel koste und daher der Wirtschaft schade.
swissinfo und Dorine Kouyoumdjian, SDA
Das Schweizer Recht kennt den Vaterschaftsurlaub nicht, im Gegensatz zum seit 2005 geltenden Mutterschaftsurlaub.
Die Möglichkeit für Väter, nach der Geburt eines Kindes länger zu Hause bleiben zu können, hängt vom guten Willen des Arbeitsgebers ab.
In verschiedenen europäischen Ländern ist die Situation für Väter vorteilhafter. Schweden bietet 15 Monate Urlaub für die Eltern, davon einen für den Vater.
In Norwegen haben die Eltern Anrecht auf 39 Wochen, von denen sechs für den Vater bestimmt sind. Die Franzosen und Briten haben 2, die Italiener 13 Wochen.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres können Eltern in Deutschland 14 Monate Urlaub beziehen (mit zwei Dritteln des Salärs).
Die finnischen und spanischen Väter schliesslich können von einem dreiwöchigen Urlaub profitieren, der innerhalb der ersten 4 Lebensmonate des Sprösslings bezogen werden muss.
Das Prinzip einer Mutterschaftsversicherung wurde in der Schweiz bereits 1945 vom Stimmvolk gutgeheissen.
Nach zahlreichen Niederlagen in Volksabstimmungen und im Parlament wurde diese schliesslich 60 Jahre später, am 1. Juli 2005, in Kraft gesetzt.
Gemäss dem Gesetz haben Mütter nach der Geburt eines Kindes während 14 Wochen Anrecht auf 80% ihres Lohnes, aber maximal auf 172 Franken pro Tag.
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