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Inneneinrichtung für Lötschberg-Basistunnel

Montage der Fahrleitung - bei über 30 Grad im T-Shirt. swissinfo.ch

Zwischen den Kantonen Bern und Wallis entsteht tief unter den Schweizer Alpen einer der weltweit längsten Eisenbahntunnels, der Lötschberg-Basistunnel.

Er ist Teil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Nachdem der grösste Teil der Schienen gelegt sind, wird nun die Fahrleitung montiert. Ein Augenschein.

«Hier ist es jetzt 35 Grad», sagt Daniel Wüst verschmitzt. Er hatte uns gewarnt. Doch wenn draussen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt herrschen, ist kaum zu glauben, dass es in einem Tunnel dermassen heiss werden kann. Der Helm drückt, die Warnweste wärmt zusätzlich.

Es ist bald Mitternacht, wir sind 15 Kilometer im Innern des Lötschberg-Basistunnels beim «Fusspunkt Ferdern», über uns sind 2000 Meter Fels. Wüst, Verantwortlicher für die Fahrleitungstechnik der Firma Kummler+Matter, hat uns mit der Nachtschicht vom Wallis her in den Tunnel geführt, um die Arbeiten zu beobachten.

Seine Männer machen die Feinarbeit: Erst wenn der Tunnel ausgegossen und die Gleise verlegt sind, kommen die Fahrleitungs-Spezialisten zum Einsatz. «Wir sind die Letzten im Tunnel», sagt Wüst.

Hier im Süden sind die Arbeiten bereits weit fortgeschritten. Doch die Fahrleitung im neuen Lötschberg ist nicht gleich wie in andern Tunnels. «Die grosse Besonderheit hier sind die höheren Geschwindigkeiten in einem relativ kleinen Tunnelprofil», erklärt Daniel Steiner, Geschäftsführer von Kummler+Matter.

Das zur Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) gehörende Unternehmen konstruiert und montiert zusammen mit Siemens als Lieferant die Fahrleitung.

250 Kilometer pro Stunde

Die Züge im nur eingleisig gebauten Tunnel sollen ab Dezember 2007 erstmals fahrplanmässig mit Geschwindigkeiten bis 250 km/h verkehren können. Bei Testfahrten ab Februar 2007 werden Züge gar mit 275 Sachen durch die Röhre donnern.

«Das stellt vom Staudruck her besondere Anforderungen an die Fahrleitung», sagt Steiner. Die Züge würden bei diesen Geschwindigkeiten die Luft vor sich herschieben. «Entsprechend muss man das dynamische Verhalten der Fahrleitung berechnen.»

Weil diesbezüglich noch keine Erfahrungswerte vorliegen, mussten die gesamten Berechnungen für eine Fahrleitung, die enormem Druck, hohen Temperaturen und auch noch verschiedenen Stromabnehmer-Systemen standhält, neu erstellt werden.

Zuversicht

Nach den Labortests wird nun bald der Versuchsbetrieb auf der Strecke aufgenommen. Erste Versuchsfahrten bis 200 km/h sollen ab Oktober durchgeführt werden.

«Viele Tests sind nötig», betont Manfred Lörtscher von der Abteilung Sicherheitstechnologie des Bundesamts für Verkehr (BAV). Jeder einzelne Versuchsabschnitt brauche eine Abnahme für die Tests, damit die Sicherheit gewährleistet sei. «Das ist natürlich bei diesem grossen Bauwerk mit so vielen Unternehmen auch bei guter Koordination ein Restproblem.»

Doch Lörtscher ist zuversichtlich: «Das BAV ist überzeugt, dass man am 9. Dezember 2007 den fahrplanmässigen Betrieb aufnehmen kann.»

Pendlerdistanz

Monika Hochuli, Pressechefin der Bauherrin BLS AlpTransit, betont schliesslich die Wichtigkeit des Bauwerks für den Kanton Wallis. «Die Fahrzeiten zwischen Bern und Visp verkürzen sich extrem», erklärt sie.

Weil das Südportal Raron näher bei Visp liegt, ist diese Stadt von Bern in 55 Minuten erreichbar. Die Fahrt Bern-Brig wird nur noch 1 Stunde 4 Minuten dauern, statt wie heute 1:38.

«Es wird dann wohl viele Walliser geben, die wieder hier wohnen, aber trotzdem in Bern arbeiten können», vermutet Hochuli. «Mit diesen kurzen Pendlerzeiten wird das sicher einen sehr grossen Einfluss haben – volkswirtschaftlich, aber auch für den Tourismus im Wallis.»

Verpasste Chance?

Unterdessen ist es ein Uhr nachts. Wir laufen weiter zurück Richtung Südportal. Durch einen so genannten Querschlag, die rund alle 330 Meter für technische Installationen und zur Evakuierung von Passagieren gebaut sind, gehen wir hinüber in die zweite Röhre.

Diese ist bis auf 7,2 Kilometer fertig ausgebrochen, bleibt jedoch grösstenteils als Fluchtstollen im Rohbau.

Weil das Parlament beim Beschluss für die NEAT Abstriche gemacht hatte, wird sie nur auf rund einem Drittel der Strecke voll ausgebaut, soweit es betriebstechnisch nötig ist.

Das Thema Vollausbau auf zwei Röhren ist somit für die nächste Zeit vom Tisch. Sollte der Ausbau der zweiten Röhre in Zukunft einmal nötig werden, wird es wohl wieder heisse Köpfe im Parlament geben.

Um zwei Uhr früh ist unser Besuch im Tunnel zu Ende und wir sind bei der Ausfahrt froh, wieder in ein etwas kühleres Klima zu kommen, trotz der leichten Bekleidung.

swissinfo, Christian Raaflaub

Der Lötschberg-Basistunnel zwischen Frutigen und Raron (LBT) ist 35,6 km lang.
Das gesamte Röhren- und Stollensystem beträgt 88,1 km.
Dafür wurden 16 Mio. Tonnen Material ausgebrochen.
Am 5. Juli 1999 wurden in Mitholz die ersten Meter für den LBT herausgesprengt.
Die offizielle Eröffnungsfeier findet am 15./16. Juni 2007 statt.
Ab 9. Dezember 2007 sollen Züge fahrplanmässig durch den LBT verkehren.
Der Autoverlad Kandersteg-Goppenstein durch den alten Lötschberg bleibt bestehen.

Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) umfasst mehrere Grossprojekte zur Verbesserung des Eisenbahn-Transitverkehrs auf der Nord-Süd-Achse der Schweiz. Sie ist Teil des europäischen Hochgeschwindigkeits-Netzes.

Die beiden Hauptprojekte sind der Gotthard- (57 km) und der Lötschberg-Basistunnel (35,6 km). Das Ziel ist die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene.

Die NEAT-Projekte sind höchst umstritten, da das Gesamtbudget bereits mehrmals erhöht werden musste und die Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels in immer weitere Ferne zu rücken scheint.

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