Intellibike: «Das Beste vom Besten»
Es wäre lächerlich, dieses Fahrzeug einfach "Velo" zu nennen. Das Intellibike, Prototyp für das Abenteuer in Australien, ist ein technisches Juwel - und teuer.
Schweizerische High-Tech ist dabei, wenn 3’025 Kilometer (zirka die Strecke Moskau-Madrid) durch die unglaublichen Weiten der australischen Wüste über die Stuart Highway zurückgelegt werden. Die Ingenieurschule von Biel (HTA) nimmt am World Solar Challenge teil, ganz im Bewusstsein, ein futuristisches Mobil auf die Reise zu schicken.
Möglichst viel Leistung und wenig Gewicht
Der Rahmen basiert auf einer Mischung ultraleichter Materialien, die auch die notwendige Stabilität garantieren. Der Elektromotor wiegt 8 Kilogramm; er ist in der linsenförmigen Hinterradnarbe installiert und kann 775 Watt Leistung erzeugen. Die sechs Kilo schwere Lithium-Batterie kann sechs Mal soviel Energie speichern wie herkömmliche Modelle.
Die Bremsen werden elektronisch gesteuert. Das Ganze ist aerodynamisch gestylt und somit ein Konzentrat an Technologie. Gesamtgewicht: 25 Kilogramm. «Jedes Stück des Intellibike stellt das Beste vom Besten seiner Kategorie dar», versichert Professor Henry Schwarzenbach, einer der Projektleiter.
Fahrleistung einberechnen
Doch das Allerbeste kommt noch: Die «Schöpfung» der HTA-Ingenieure ist «intelligent». Eine Reihe von Sensoren messen ständig die Leistungen des Velofahrers. Tritt- und Herzfrequenz werden erfasst, um den Elektromotor optimal ergänzend einzusetzen.
Ziel ist ein Optimum aus Muskelkraft und technischem Antrieb. Das «Fahrrad» liest das Streckenprofil und die Leistung des Bikers ab, um den Kraftaufwand zu errechnen. Geht es abwärts, lädt sich die Batterie auf.
Leistung mal fünf – Geschwindigkeiten bis 80 km/h
Die Leistung sieht nachher so aus: Die Kraft des Bikers wird verfünffacht. Es kann eine Maximalgeschwindigkeit von 70 bis 80 km/h erreicht werden. Während des Rennens soll die mittlere Geschwindigkeit zwischen 62 und 66 km/h liegen.
Bei diesem Tempo sollte die Reichweite des Akkus rund 100 Kilometer betragen. Dann ist eine kurze Pause nötig, um die Batterie auszuwechseln. Die entladene Batterie wird mittels Solarzellen aufgeladen, die am Begleitfahrzeug installiert sind.
Ein Team wie bei der Formel 1
Fast kann das Rennen mit einem Formel 1-Anlass verglichen werden. Zwei Teams mit insgesamt 30 Personen verfolgen die beiden E-Bikes. Aufkleber, Sponsoren, Telefone für die interne Kommunikation: Für alles ist gesorgt.
Lange und teure Entwicklung
Projektierung und Realisierung des Intellibike haben einige Zeit in Anspruch genommen. Das Ganze begann 1999.
Im Laufe des Jahres 2001 hat eine Gruppe von 20 Ingenieuren und Assistenten das Projekt vollendet. Fünf Modelle wurden in zirka 150 Tagen gebaut. «Jedes Intellibike hat einen Materialwert von zirka 30’000 Franken, die Kosten für Forschung und Entwicklung also nicht eingerechnet», sagt Henry Schwarzenbach.
Das Budget für Intellibike hat eine Million Franken überschritten. Es wird von einigen Sponsoren getragen. Eine Kommerzialisierung dieses Mobils ist somit ausgeschlossen. Projektkoordinator August Pfluger hofft aber, dass einige Innovationen von E-Bike-Produzenten aufgegriffen und in künftige Modelle integriert werden können.
David gegen Goliath
So geht es jetzt auf die Rennstrecke nach Australien, «auch wenn wir unseren Sieg von 1990 bestimmt nicht wiederholen können», wie August Pfluger unterstreicht. Das Team aus Biel ist als einziges mit einem zweirädrigen Prototyp am Start. Die 45 Konkurrenten gehen mit Auto-Solarmobilen ins Rennen, die nicht auf die Muskelkraft ihrer Piloten angewiesen sind. Gemäss Schwarzenbach sind diese Fahrzeuge aber teurer und für konkrete Anwendungen in Zukunft weniger brauchbar.
«Unser Ziel ist es, die Strecke in sechs Tagen zu absolvieren», meint Schwarzenbach. «Dies zu schaffen, wäre für uns schon ein Sieg.» Ein sympathisches Schild am Stuart Highway weist den monotonen und endlosen Weg durch die Wüste: «Nach dem Start an der ersten Kreuzung rechts und dann immer geradeaus.» 3000 Kilometer in die Pedale treten.
Marzio Pescia
Übersetzung: Gerhard Lob
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