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Internationaler Tag der Frau

Kassiererin in der Coop-Filiale in Affoltern am Albis, November 2000. Keystone

Schweizer Frauen sind weniger von der Wirtschaftskrise betroffen als Männer. Der Grund: "Typische" Frauenberufe sind relativ unabhängig von der Konjunktur.

Dafür sind die Frauen auch heute noch in Chefetagen, Politik und Wissenschaft weitgehend untervertreten.

Die aktuelle Wirtschaftsflaute hinterlässt gemischte Gefühle, zumindest bei den Frauen. Denn im Gegensatz zu früheren Krisen dienen sie diesmal nicht als Puffer, die bei passender Gelegenheit wegrationalisiert werden. Im Gegenteil.

Nach Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) stieg die Zahl der arbeitslosen Männer in den letzten 12 Monaten um über über 50%. Die Zahl der erwerbstätigen Männer sank zwischen Dezember 2001 und Dezember 2002 um 20’000 auf 2’313’000.

Betroffen von der Wirtschaftskrise sind vor allem die klassischen Männerdomänen Bank- und Versicherungsgewerbe, Verkehr und Telekommunikation und die verarbeitende Industrie. Vor allem Vollzeitstellen – die meisten Männer arbeiten 100% – fallen dem Rotstift zum Opfer.

Frauen legen zu

Anders sieht die Situation bei den Frauen aus. Dem seco zufolge stieg zwar die Zahl der arbeitslosen Frauen im gleichen Zeitraum um 40%, doch nahm die Zahl der erwerbstätigen Frauen um 26’000 auf 1’859’000 zu.

Dies ist kein Paradox: Auch heute arbeiten immer noch über 70% aller Frauen in sozialen Berufen. Oder sie sind Sekretärinnen, Lehrerinnen oder sitzen im Detailhandel hinter der Kasse.

Viele dieser Jobs sind zwar schlecht bezahlt, dafür eher krisenresistent und haben aufgrund der demographischen Entwicklung – Überalterung der Gesellschaft – sogar eine ausgesprochen rosige Zukunft.

Abwesend an der Spitze

Die schlechte Nachricht ist: Frauen verdienen – bei gleicher Arbeit – laut der letzten Lohnerhebung aus dem Jahr 2000 nicht nur bis zu 40% weniger als Männer, sondern besetzen auch seltener Kaderpositionen. Entsprechend fehlt es vielerorts an motivierenden weiblichen Vorbildern für junge Frauen.

Zudem mangelt es in der Schweiz noch immer an einer flächendeckenden, externen Kinderbetreuung. Es scheint als müsse sich die Frau von heute weiterhin für Kind oder Beruf/Karriere entscheiden. Die Folge: Die Frauen bekommen nicht nur immer später, sondern auch immer weniger Kinder.

Christine Flitner, Zentralsekretärin beim Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD), bleibt optimistisch: «Es tut sich etwas, aber in kleinen Schritten.» Immerhin habe der Staat Ende 2002 einige Millionen für den Aufbau von Kinderkrippen gesprochen.

Teilzeitarbeit: Heute eine Sackgasse

Viele Frauen arbeiten in Teilzeitstellen. Damit verzichten sie oft auf berufliche Herausforderungen, auf eine ausreichende individuelle Altersvorsorge und nehmen unsichere Arbeitsbedingungen in Kauf.

Frauen, die Kinder, Beruf und meistens auch noch den Haushalt managen müssen, tragen zudem durch die Mehrfachbelastung ein gesundheitliches Risiko. Dies sagen Fachleute des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich. Auch das Institut sieht als Konsequenz zunehmend den Verzicht auf Kinder.

Laut Flitner muss sich denn auch vor allem die familieninterne Betreuung «emanzipieren». Die VPOD-Frau befürchtet ebenfalls: «Solange es nicht eine erhebliche Umverteilung bei der bezahlten und unbezahlten Arbeit gibt, werden sich die Frauen aufgrund der Mehrfachbelastung für weniger oder keine Kinder entscheiden.»

Neue Arbeitsmodelle gefragt

Die unbezahlte Arbeit ist auch Gegenstand der aktuellen Kampagne «Fairplay at home» des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann.

Für Claudia Honegger, Soziologieprofessorin an der Universität Bern, ist das Thema «Teilzeit» definitiv ein Schlüssel zu mehr Gleichstellung: «Es muss sich etwas in den Köpfen und in den Strukturen ändern.»

Dies gelte vor allem auch in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit: «Arbeit wird knapper. Wir müssen darüber nachdenken, wie diese künftig verteilt werden soll: Auf einige wenige oder auf möglichst viele.»

Allerdings ist für Honegger klar: «Machtkämpfe zwischen den Geschlechtern wird es immer geben.»

swissinfo, Elvira Wiegers

Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen betrug im Jahr 2000 durchschnittlich 21,3%.

Der Brutto-Monatslohn der Frauen betrug im Jahr 2000 durchschnittlich 4358, jener der Männer 5551 Franken.

Durchschnittlich leisten die Frauen pro Woche 23 Stunden bezahlte Arbeit, die Männer 43.

Vier von fünf Angestellten in leitender Funktion sind Männer.

Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen haben eine Teilzeitstelle, bei den Männern sind es 10%.

Vier von fünf Frauen sind erwerbstätig, also auch Mütter mit kleinen Kindern.

Die Frauen leisten mit 27 Wochenstunden doppelt so viel Hausarbeit wie die Männer. Die Haupt-Verantwortung für den Haushalt liegt in 79% der Fälle bei der Frau, in 3% beim Mann. 17% teilen sich die Verantwortung.

«Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.»

Schweizerische Bundesverfassung, Art. 8, Abs. 3 (seit 1981)

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