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Intervention, um Poststreik zuvorzukommen

Streik der Postangestellten in Bern im Februar 2004. Keystone

Postminister Moritz Leuenberger will in der Post bei einem Arbeitskonflikt intervenieren, der sich zu einem Streik ausweiten könnte.

Gleichzeitig publiziert die Presse Lohnvergleiche, laut denen die Post-Angestellten bis zu 20% mehr verdienen als in vergleichbaren Stellen der Privatwirtschaft.

Die Ankündigung erster gewerkschaftlicher Störmanöver bei der Post für die kommende Woche haben auch den verantwortlichen Bundesrat beunruhigt: Postminister Moritz Leuenberger wird die Sozialpartner im Post-Konflikt anhören.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) bestätigte einen Bericht des «SonntagsBlicks», wonach separate Gespräche mit Postchef Ulrich Gygi und Christian Levrat, dem Zentralpräsidenten der Postgewerkschaft, geplant sind.

Die Postgewerkschaft wirft der Postleitung vor, den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zu unterlaufen. Sie schliesst ab dem kommenden 25. November auch Streikaktionen nicht aus, um gegen die Auslagerungs- und Abbaupolitik zu protestieren.

Auslagerungen als Stein des Anstosses

Nach Angaben des UVEK werden die Gespräche in der ersten Wochenhälfte stattfinden. Leuenberger werde danach seine Meinung kommunizieren. Es handle sich aber primär um einen Arbeitskonflikt, der durch die Sozialpartner gelöst werden müsse, sagte UVEK-Sprecher Andre Simonazzi.

Laut Postgewerkschaft unterläuft die Post den GAV, indem sie Bereiche wie die Postauto-Dienste oder Sicherheitstransporte in eigenen Aktiengesellschaften auslagere. Damit würde der ausgehandelte GAV umgangen und Personal zu schlechteren Bedingungen angestellt.

Nun liegen aber Lohnvergleichsstudien vor, die die Post selber durchführen liess. Sie zeigen, dass Post-Angestellte «in praktisch allen Funktionen deutlich mehr verdienen» als für vergleichbare Jobs in der Privatwirtschaft bezahlt wird, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.

Schlechtere oder weniger gute Bedingungen?

So verdiene ein Postauto-Chauffeur durchschnittlich 70’000 Franken im Jahr – Fahrer in Privatunternehmen erhielten demgegenüber nur rund 55’000 Franken.

Das Reinigungspersonal verdiene 16% mehr, das Schalterpersonal 19% mehr als in anderen Unternehmen. Filialleiter verdienen diesen Angaben zufolge 10% und Sachbearbeiter 14% mehr.

Der Chef der Gewerkschaft Kommunikation, der SP-Nationalrat Christian Levrat, gibt gegenüber der «SonntagsZeitung» zu, dass angesichts dieser Lohnunterschiede Streikdrohungen schwer zu erklären sind.

Es gehe in diesem Fall aber nicht um Forderungen im Lohnbereich, sondern um die Ausgliederung und das Unterlaufen der Gesamtarbeitsverträge.

«Wir wollen nicht das Auslagern verbieten, sondern die Post verpflichten, die GAV auch dort zu übernehmen», so Levrat. Und zwar die bestehenden GAV.

Post: Kein Monopolist mehr, sondern im Wettkampf

Dem setzt der Post-Personalchef Rolf Hasler entgegen, dass man gerade dort bei den Besten der Branchen sein wolle, wo man auslagere.

Laut Hasler kämpft die Post überall dort, wo sie der Konkurrenz ausgesetzt ist, besonders stark mit ihren im Vergleich zu anderen Unternehmen höheren Arbeitskosten.

Beispielsweise im Wettkampf um die Paketpost. Einer der Konkurrenten der Post heisst DPD, ist eine Tochtergesellschaft der französischen GeoPost und wird von Jean-Noël Rey geleitet. Rey war früher selber Generaldirektor der Post.

Erstaunlicherweise bringt Rey jedoch Verständnis für das gewerkschaftliche Ansinnen auf, Gesamtarbeitsverträge haben zu wollen. Doch laut «SonntagsBlick» glänzte die Post-Konkurrenz ihrerseits bisher kaum mit hohen Löhnen.

GAV seien wichtig für das interne Klima und für das Fixieren sozialer Standards, so Rey. Auch könnten interne Konflikte damit beigelegt und das Image eines Unternehmens verbessert werden.

swissinfo und Agenturen

Postchef Ulrich Gygi und Postgewerkschafts-Chef Christian Levrat haben sich über den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zerworfen, über den sie im vergangenen Juni gerungen hatten.

Vor zwei Wochen schon drohte Levrat mit Streiks zur Weihnachtszeit.

Er will mit dem Streik sicherstellen, dass der Service public gewährleistet bleibt.

Die Schweizer Post, der sogenannte «Gelbe Riese», stellt sicher, dass täglich rund 16 Millionen Briefe und eine halbe Mio. Pakete ausgeteilt werden.
19’000 Postfahrzeuge und 500 Post-Waggons legen täglich eine halbe Mio. Kilometer zurück.
Eine Flotte von 1954 Postautos transportiert jährlich 100 Mio. Passagiere auf einem Wegnetz, das 10’387 km umfasst.
Die Post verkauft jährlich rund 500 Mio. Briefmarken.

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