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Italien nimmt sich Schweizer Banken vor

wikipedia/Adrian Pingstone

Mit Razzien in 76 Filialen von Schweizer Banken in Italien hat der italienische Fiskus den Druck auf potentielle Steuerhinterzieher erhöht. Das Vorgehen sorgt für Staunen. Die Lega dei Ticinesi fordert den Rückzug des Schweizer Botschafters in Rom.

Italien verschärft den Druck auf Steuersünder und auf Schweizer Bankinstitute: Gestern haben Hunderte von Beamten der italienischen Steuerbehörde (Agenzia entrate) gemeinsam mit der Finanzpolizei (Guardia di Finanza) 76 Bankfilialen gefilzt.

Es handelte sich hauptsächlich um Niederlassungen von Schweizer Banken oder Filialen italienischer Banken, die mit Schweizer Finanzintermediären zusammenarbeiteten.

Erfüllung der Meldepflicht

Daneben untersuchten die Fahnder nach eigenen Angaben auch Institute, die in der Nähe von San Marino angesiedelt sind. Der Schwerpunkt der Razzien lag in den Regionen Lombardei, Piemont und Emilia Romagna. Zu den kontrollierten Bankinstituten gehört auch die UBS-Filiale in Mailand.

Überprüft wurde gemäss einem Communiqué der italienischen Behörden die korrekte Erfüllung der Meldepflicht der Bankangestellten an das italienische Finanzarchiv. Von besonderem Interesse waren laut Mitteilung die Daten in Bezug auf internationale Steuerflucht.

Weitere Kontrollkampagnen würden «künftig auch in Bezug auf andere Akteure im Finanzwesen entwickelt», heisst es.

Einschüchterungspolitik

Die Razzien sind der vorläufige Höhepunkt einer Einschüchterungspolitik der italienischen Regierung gegen italienische Kunden bei Schweizer Bankinstituten. Bisher hatte man hauptsächlich Kunden im Visier, die ihr Vermögen direkt auf Banken in der Schweiz – vorab im Tessin – verwalten liessen.

Mit systematischen Kontrollen der Autoschilder an den Grenzen und offenbar auch dem Einsatz ziviler Fahnder wollte man ihnen auf die Schliche kommen. In Italien läuft noch bis 15. Dezember eine Steueramnestie, welche Steuerhinterziehern die Legalisierung nicht-deklarierter Vermögens bei einer Busse von 5 Prozent erlaubt.

«Sämtliche Schweizer Banken unter Generalverdacht»

Negativ reagierte man in der Schweiz auf das Vorgehen der italienischen Ermittler, auch wenn die italienischen Behörden ihre Aktion als Routinekontrolle und nicht als Angriff gegen Schweizer Banken verteidigten.

«Es befremdet uns, sämtliche Schweizer Banken auf diese Weise unter einen Generalverdacht zu stellen», erklärte Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung. Damit wolle man keinesfalls illegale Aktivitäten schützen, falls solche aufgedeckt würden, präzisierte Sutter.

Das Eidgenössische Finanzdepartement wollte die Angelegenheit nicht weiter kommentieren und verwies darauf, dass die Schweizer Banken in Italien dem italienischen Recht unterstehen.

Die UBS erklärte auf Anfrage: «No comment!»

Lega reagiert heftig, Merz beschwichtigt

Heftig fiel die Reaktion des Präsidenten der Lega dei Ticinesi, Giuliano Bignasca, aus. «Jetzt muss die Schweiz ihren Botschafter in Rom zurückziehen», forderte er. Man könne auch überlegen, den Zugang vom Tessin zur Enklave Campione d’Italia zu blockieren.

Die Lega verlangt in Zusammenhang mit der Steueramnestie schon seit Wochen Gegenmassnahmen wie einen höheren Steuerrückbehalt für die im Tessin arbeitenden Grenzgänger.

Genau diesem Wunsch erteilte Bundespräsident und Finanzminister Hans-Rudolf Merz in einem gestern erschienen Interview mit der italienischen Wirtschaftszeitung il Sole 24 Ore ein klare Absage. Es brauche keine Sanktionen, sondern vielmehr Lösungen, «die alle zufrieden stellen und niemandem schaden».

Auswirkungen «nicht messbar»

Merz wünscht sich, dass eine Konfrontation zwischen der Schweiz und Italien vermieden wird. Indirekt übte er aber Kritik an der italienischen Steueramnestie. Für die Schweiz käme eine solche Massnahme nicht infrage, weil diese aus juristischer und moralischer Sicht bedenklich sei.

Die Auswirkungen der italienischen Steueramnestie auf den Finanzplatz Schweiz sind laut Merz nicht messbar. Dieser geniesse dank seiner hohen Professionalität einen hervorragenden Ruf. «Folglich mache ich mir keine Sorgen um seine Zukunft», sagte er.

Gerhard Lob, swissinfo.ch, Lugano

Das Verhalten der italienischen Steuerbehörde eckt derweil auch bei den italienischen Emigranten in der Schweiz an.

Ein Rundschreiben der ‹Agenzia entrate› an im Ausland lebende Italiener, ihre Vermögensverhältnisse doch bitte zu deklarieren, hat harsche Reaktionen ausgelöst.

Bei allem Verständnis für die Steueramnestie sorgte insbesondere der Tonfall des Schreibens für Missstimmung, weil praktisch alle Auslanditaliener wie kriminelle Steuerhinterzieher gehandelt werden, hält der Italienische Verband christlicher Arbeiter (ACLI) fest.

In Italien schätzt man, dass dank der dritten Steueramnestie 86 Milliarden Euro repatriiert werden können, 60% davon aus der Schweiz (der Rest aus dem EU-Land Luxemburg).

Diese Annahme machte PricewaterhouseCoopers Advisory am 19.Oktober bei einem Forum der Vereinigung italienischer Privatbankiers.

Die italienische Presse unterstützt grossmehrheitlich den Kurs der Regierung Berlusconi in Bezug auf die Steueramnestie. Der Corriere della Sera spricht von einem «Angriff Tremontis auf das Bollwerk Schweiz.»

Der Historiker und Intellektuelle Sergio Romano von einem «rückwärtsgerichteten Kampf der Eidgenossen um das Bankgeheimnis.»

Der Tessiner Ständerat Dick Marty (FDP) erklärte, dass die italienische Steueramnestie in ihrer jetzigen Form nicht erfolgen könnte, wenn die Schweiz EU-Mitglied wäre.

Dies zeige das Vorgehen Italiens in Ländern wie Luxemburg und Österreich.

Viele der über 70’000 im Tessin lebenden Italiener seien verärgert über die Offensive der italienischen Regierung auf den Schweizer Finanzplatz.

Das sagte der Präsident der Ausland-Italiener im Tessin, Lucio Barresi.

Er forderte die Tessiner Behörden auf, die Steueramnestie mit Gegenmassnahmen zu kontern.

Die Gelder sollten demnach lieber in der Schweiz investiert als nach Italien überführt werden.

Barresi riet zu Investitionen in reale Projekte wie Privatkliniken (nicht in Wertpapiere).

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