IWF: Gute Geld- und Finanzpolitik genügen nicht
Beim diesjährigen Länderexamen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat die Schweiz zwar erneut gut abgeschnitten.
Doch es gab Kritik: Das Land sei nur unzureichend auf das Problem der alternden Gesellschaften vorbereitet, Strukturreformen kämen nicht voran.
Delegationsleiter Bob M. Traa würdigte am Montag bei der Präsentation des IWF-Länderberichts in Bern, dass die Schweizer Wirtschaft 2004 nach mehreren Jahren der Stagnation wieder auf einen moderaten Wachstumspfad zurückgekehrt sei.
Nach der etwas überraschenden Delle zum Jahresende beginne 2005 aber auf einem tieferen Niveau. Das Wachstum könnte sich deshalb im Jahresmittel von 1,7 auf 1,0 bis 1,5% verlangsamen.
Der Nationalbank, die erneut viel Lob für Konzept und Umsetzung der Geldpolitik erhielt, raten die IWF-Experten deshalb zu Geduld. Eine Verschärfung der Politik sollte erst ins Auge gefasst werden, wenn die Konjunktur wieder an Schwung gewinne. Dies dürfte in der zweiten Jahreshälfte der Fall sein.
Schuldenbremse und Finanzausgleich gelobt
Die nach wie vor expansive Geldpolitik und die leicht restriktiv wirkende Finanzpolitik stellten in dieser Situation den richtigen Mix dar, sagte Traa weiter. Als wertvoll würdigten die Washingtoner Experten die Wirkung der Schuldenbremse und den Neuen Finanzausgleich (NFA). Das Entlastungsprogramm 04 sei angemessen und werde hoffentlich vom Parlament unterstützt.
Auf längere Sicht dürfen sich die Anstrengungen in der Finanzpolitik gemäss IWF jedoch nicht auf jährliche Entlassungsprogramme beschränken. Vor dem Hintergrund der schwachen Wachstumsraten und des Drucks auf die Sozialversicherungen wegen der älter werdenden Bevölkerung sollten vielmehr die Schlüsselaufgaben des Staats einer Analyse unterzogen und Prioritäten gesetzt werden.
Am kritischsten fällt das IWF-Urteil auch in diesem Jahr bezüglich des Tempos der Strukturreformen aus. Traa verwies auf die bremsende Wirkung des politischen Systems sowie auf das raschere Vorgehen anderer Länder. Keinesfalls sollte die Schweiz aber darauf vertrauen, dass mangelnde Strukturreformen durch die Geld- und Finanzpolitik kompensiert werden könnten.
Märkte liberalisieren
Reformbedarf sieht der IWF vor allem auf dem abgeschotteten Binnenmarkt, bei den Agrarsubventionen, der Öffnung der Sektoren Energie, Telekom, Post und Bahn sowie beim Abbau von Regulierungen und im Gesundheitssektor. In der Altersvorsorge empfiehlt der IWF eine Überprüfung der Berechnungsgrundlagen und bezeichnet den Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge als nach wie vor zu hoch.
Der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, teilte die Einschätzung des IWF weitgehend und zeigte sich besonders erfreut über das positive Urteil zum Entlastungsprogramm.
SNB-Chefökonom Ulrich Kohli stellte ein massvolles Tempo bei der Anpassung der Geldpolitik in Aussicht und begrüsste den Rat des IWF an Bund und Kantone, mit dem Erlös aus den Goldverkäufen Schulden abzubauen.
swissinfo und Agenturen
Im Länderbericht des IWF erhält die Schweizerische Nationalbank erneut viel Lob.
In der Wirtschaftspolitik werden die Schuldenbremse und der Neue Finanzausgleich gelobt.
Längerfristig andere Prioritäten seien laut IWF bei den Schlüsselaufgaben des Staates zu setzen (schwaches Wachstum, Druck auf Sozialversicherungen, Altern der Bevölkerung).
Der IWF kritisiert ausdrücklich das Tempo der Strukturreformen.
Reformbedarf in: Energie, Telekom, Post, Bahn, Gesundheit.
Zu den regelmässigen Pflichten des Währungsfonds gehört auch eine kritische Würdigung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Mitglieds-Länder.
Vom 28. Februar bis zum 7. März traf sich eine IWF-Delegation mit Vertretern der Bundesbehörde, der Nationalbank, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft.
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