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Jugend und Drogen – ein Glaubenskrieg

Bei Jugendlichen ist Kiffen weit verbreitet. Keystone

Das Thema Jugend und Drogen erhitzt die Gemüter der Erwachsenen – vor allem wenn es um die Legalisierung von Cannabis geht, wie es die bachab geschickte Gesetzes-Revision vorsah.

Diese Debatte kümmert kiffende Jugendliche wenig. Sie geniessen ihren Joint – ob legal oder illegal.

Während die einen den Joint als entspannendes Genussmittel verharmlosen, malen die anderen Schreckenbilder von depressiven und schizophrenen Jugendlichen an die Wand.

Tatsache ist, dass heutzutage Praxis und Gesetzgebung meilenweit auseinandergehen, denn Cannabis gehört für viele Jugendliche mittlerweile zum Alltag, obwohl der Konsum dieser so genannt weichen Droge noch immer verboten ist.

Ein Viertel der 15 – 25-Jährigen kifft heute täglich oder mehrmals die Woche. So auch Severin, 17 Jahre alt, Gymnasiast in Bern. Seinen ersten Joint hat er mit 14 geraucht. «Eindeutig zu früh», sagt er heute.



Seine Schulkollegin Anna bezeichnet sich als «Gelegenheits-Kifferin». Sie habe den Konsum einigermassen im Griff: «Drogen verlangen Selbstverantwortung.»

Alex trinkt ab und zu ein Bierchen, hat aber noch nie gekifft. Er könne sich auch anders amüsieren: «Das brauche ich nicht, das will ich nicht, das mach ich nicht.»

«Alkohol ist auch eine Droge»

Während der Schulzeit kiffen Anna und Severin nicht. Das sei etwas für die Freizeit, so Severin. Sie wisse, sagt Anna, dass ihre Reaktionen dann langsamer seien und ihre Wahrnehmung total anders.

Gesundheitlich sieht Severin keine Probleme. Auch wenn er nicht gerade gesund lebe, treibe er viel Sport und möge gut mithalten.

Anders bei Anna: Sie habe das Gefühl, dass der Cannabis-Konsum zur Schwächung ihres Immunsystem beitrage. Sie sei häufiger krank.

Für die drei Gymnasiasten ist klar, dass auch Alkohol eine Art Droge ist. Bier und Wein seien zwar grundsätzlich kein Problem, sagt Alex, ab einer gewissen Menge könne Alkohol aber schaden.

«Alkohol verändert die Sinne, also ist es eine Droge», betont Anna pragmatisch.

Einer, der übermässig Alkohol konsumiere, sterbe vielleicht mit 50 an einer Leberzyrrhose, ein Kiffer oder Raucher an Lungenkrebs.

Gleichbehandlung tut Not

Wie das Feierabendbier gebe es auch den Abendjoint – für Severin ist das ein und dasselbe. «Cannabis legalisieren oder auch den Alkohol verbieten», fordert Severin. Alles andere sei scheinheilig und widersprüchlich.

In denselben Topf würde Alex die beiden «Suchtmittel» dennoch nicht werfen. Der Alkohol sei traditionell verankert, Marihuana nicht.

Mit Alkohol und Tabak würden riesige Geschäfte getätigt, erklärt Anna. Und die Werbung beeinflusse ganz direkt die Jungen. «Für mich sind sie legalisiert, weil damit viel Geld gemacht wird.»

Dass Alkohol der Gesellschaft viele Probleme verursache, zeige das Beispiel mit alkoholisierten Fahrern im Strassenverkehr, so Anna. Die drei sind sich einig, dass Alkohol am Steuer nichts zu suchen hat.

Der Reiz des Verbotenen

Dass dringender Handlungsbedarf besteht, hatte auch der Bundesrat erkannt. Mit einer Revision, welche Cannabis entkriminalisieren wollte, wollte er den Handel kontrollieren, den Jugendschutz verbessern und einen Rahmen für bessere Prävention schaffen.

Anna und Severin sind für die Freigabe, Alex ist skeptisch: «Bei einer Legalisierung könnte der Konsum am Anfang leicht zunehmen. Vielleicht gibt es aber auch weniger Konsumenten, weil der Reiz des Verbotenen verloren geht.»

Wer Hasch brauche, konsumiere es, ob verboten oder nicht, erklärt Anna, und für Severin handelt es sich um eine rein formale Sache: «Wir behandeln es eh, als wäre es legal. Wir kiffen, wann und wo wir wollen.»

Schlimm findet Anna vor allem, dass in der heutigen Praxis Jugendliche kriminalisiert werden: «Tatsache ist, dass viele Junge kiffen, obwohl es illegal ist. Man wird registriert und ist auf eine Art kriminell. Das finde ich blöd.»

Kinder – und Jugendschutz

Für die drei Jugendlichen ist ein umfassender Kinder- und Jugendschutz unumgänglich. Alex möchte es handhaben wie beim Alkohol: Freigabe ab 16. Die Kontrolle könnte allerdings schwierig sein, meint er.

Wo die Grenze zu setzen sei, wisse sie nicht, sagt Anna. «Wenn man etwas will, bekommt man es sowieso.»

Annas Eltern wissen, dass sie Hasch konsumiert. Auch Severins Mutter ist informiert. «Sie unterstützt es in keiner Art und Weise. Ihr ist aber lieber, wenn ich zu Hause auf dem Balkon kiffe, als draussen auf der Strasse, wo mich die Bullen picken.»

swissinfo, Gaby Ochsenbein

1990: 19,9% der 15- und 16-jährigen Jungen und 4,1% der Mädchen haben mehr als 1x im Leben gekifft.
1994: Zahl hat sich verdoppelt.
1998: Zahl hat sich verdreifacht.
Heute kifft ein Viertel der 15 – 25-Jährigen täglich oder mehrmals die Woche.

Das Betäubungsmittelgesetz stammt aus dem Jahr 1951.
1975 wurde es revidiert.

Ende der 90er-Jahre verwarf das Schweizer Stimmvolk die restriktive Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» ebenso wie die «Droleg-Initiative», die für die weitgehende Freigabe von Cannabis warb.

Die zurückgewiesene Revision des Betäubungsmittelgesetzes wollte den Konsum von Hanf straffrei machen, Handel und Anbau regeln sowie einen besseren Rahmen für Prävention und Jugendschutz schaffen.

Die Gegner sahen in der Revision einen Freipass für Drogensucht sowie ein falsches Signal an die Jugend.

2003: Der Nationalrat beschliesst Nicht-Eintreten auf die Gesetzes-Revision.
Der Ständerat ist für die Revision des Gesetzes.

Am 14. Juni 2004 beschliesst die grosse Parlamentskammer Nicht-Eintreten. Damit die Revision definitiv Makulatur.
Das heisst: Hanfkonsum bleibt verboten, Produktion und Handel bleiben unklar geregelt.

Der Präsident der kantonalen Polizeikommandanten und der Verband Schweizerischer Polizeibeamter forderten die Hanf-Legalisierung.

Der Dachverband Schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer hatte Vorbehalte und knüpfte die Legalisierung von Cannabis an Bedingungen: Sicherer Jugendschutz und stärkere Prävention.

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