Kampfansage gegen illegales Downloaden
Schweizer Musikproduzenten lancieren eine Kampagne gegen das illegale Rauf- und Herunterladen von Musik im Internet.
Wer im Web Musik ohne Bewilligung tauscht, riskiert Gefängnis und Strafen bis 100’000 Franken.
Die Schweizer IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) will alles unternehmen, was in ihrer Macht steht, um den illegalen Handel und Tausch von Musik im Internet zu unterbinden. Sie repräsentiert die Interessen von 90 Prozent aller Tonträger-Labels in der Schweiz.
Peter Vosseler, Direktor IFPI Schweiz, sagt, seine Branche werde nicht mehr zögern, all jene strafrechtlich zu verfolgen, die angeklagt werden können, Musik online vom Web herunter oder aufs Web zu laden (Down-, Uploading), ohne dafür die Bewilligung der Musikhäuser und der Künstler zu besitzen.
«Bisher haben wir versucht, die Öffentlichkeit zu informieren. Wir haben dazu angehalten, diese illegalen Aktivitäten zu unterlassen», sagt Vosseler gegenüber swissinfo. «Nun folgt die Drohung, rechtlich einzuschreiten.»
«Das Problem des illegalen ‹Downloadens› zeigt sich in der Schweiz ähnlich wie in anderen Ländern,» sagt Vosseler, «nur müssen wir es jetzt angehen, bevor die Situation schlimmer wird. Wir müssen nun einen Riegel schieben. Denn der Schaden, den diese Leute verursachen, ist enorm».
Überlebenskampf
Vosseler meint, dass die Internet-Piraterie ein harter Schlag für die Schweizer Solo-Artisten und Musikbands sei. Zahlreiche singen in Mundart und seien kaum in der Lage, sich ausserhalb des Landes einen Namen zu machen.
Die meisten hätten gar Mühe, von den Album-Verkäufen auf dem Inlandmarkt zu überleben. «Natürlich geht es nicht nur um Schweizer Künstler», sagt Vosseler. «Alle Künstler sind vom Problem betroffen.»
Zum ersten Ziel der neuen Kampagne werden Leute, die ohne Bewilligung Musik aufs Web aufladen. «Doch dies sind oft dieselben, die auch Musik vom Web herunterladen. Das entspricht dem Kopieren von Musik, ohne dass Künstler und Produzenten dafür entschädigt werden. Es ist nun an der Zeit, diese illegalen Aktivitäten zu stoppen – damit für Musik wieder bezahlt wird.»
Strafrechtliche Verfolgung angesagt
Gemäss Schweizerischem Strafrecht kann jeder, der sich des illegalen Musikhandels schuldig macht, verfolgt und mit Bussen bestraft werden, die einige tausend Franken betragen können.
Vossler warnt sogar, dass «gemäss Schweizerischem Urheberrecht von 1993 Schuldige mit Geldstrafen bis 100’000 Franken und Gefängnis bis drei Jahren zu rechnen haben».
«Natürlich wird die Bestrafung in einem üblichen Verfahren nicht derart hoch ausfallen. Aber wir gehen von Strafen von mehreren hundert bis mehreren tausend Franken aus.»
Musikbranche zeitigt Einbussen von 7,6% bei den Verkäufen
Diese Drohung mit Strafverfolgung wird nun im gleichen Monat publik, in dem die internationale Musikbranche einen Rückgang von 7,6% auf ihre Jahresverkäufe ankündigt. 2003 beliefen sie sich auf 32 Mrd. Dollar resp. 41 Mrd. Franken. Dies entspricht dem tiefsten Fall seit dem Aufkommen der Compact Disk (CD).
Der Schweizer Musikbranche geht es noch schlechter: Sie weist für 2003 einen Rückgang von 15% auf die Verkäufe aus.
Die IFPI klagt die Web-Piraterie an, am Zerfall der Detailhandels-Musikverkäufe schuld zu sein. Dazu kämen die schlechten konjunkturellen Bedingungen und die Konkurrenz von Videospielen und DVDs.
In der Folge müssen Musik-CD-Unternehmen sparen. Sie kündigen den nicht rentierenden Künstlern und entlassen Personal. So kündigte EMI, weltweit das verbreitetste unabhängige Musik-Label – vor zwei Wochen an, 20% des Personals abzubauen. Dies entspricht etwa 1’500 Arbeitsstellen.
Gegenseitige Schuld-Zuschiebungen
Branchenkenner hingegen halten fest, dass das illegale Herunterladen nur einen Teil der Schuld am Verkaufsrückgang der Musikindustrie treffe.
Dies gibt teils auch Vosseler selbst zu. «Es mögen zahlreiche Gründe mitspielen. Doch einer der hauptsächlichen Gründe für den Verkaufsrückgang ist ganz sicher der Umstand, dass private Leute Musik gratis herunter laden anstatt dafür zu zahlen.»
Branchen-Kritiker argumentieren jedoch, die Musikindustrie solle sich selber an der Nase nehmen. Sie habe es verpasst, die Aktivitäten rund um das Herunterladen von Musik selbst an die Hand zu nehmen.
«Die Musikindustrie kann mit dem Finger auf sich selbst zeigen», sagt Dieter Gorny, Gründer des Musik-TV-Senders Viva, in einem kürzlich dem Tages-Anzeiger gegebenen Interview. «Sie hat es verpasst, die in den letzten Jahren eingetretenen Veränderungen nachzuvollziehen.»
Verpasste Trends oder abnehmende Vielseitigkeit?
Eine letzten Monat in den USA erschienene Studie behauptet, das Herunterladen von Musik habe keine spürbaren Effekte auf die Unternehmensgewinne der Branche.
Die von Autoren der Harvard und der North Carolina University gemeinsam erarbeitete Studie gibt der abnehmenden Vielseitigkeit der Musik die Schuld an den Verkaufseinbrüchen – und dem entsprechend verärgerten Verhalten der Konsumenten gegenüber der Musikbranche.
Doch Vosseler warnt: Werde nichts getan gegen den elektronischen Gratis-Tausch von Musik, würden auch die Verbraucher zu Verlierern. Denn die Musikbranche werde wegen ihrer schrumpfenden Gewinne auch weniger in Musiktalente investieren.
«Am Ende wird der Schaden nicht nur für Artisten und Produzenten spürbar. Auch der Konsument trägt Schaden davon, da das angebotene Repertoire schrumpfen und die Musik-CD-Produzenten weniger Risiken eingehen werden.»
swissinfo, Ramsey Zarifeh
(aus dem Englischen von Alexander Künzle)
Die Androhung einer strafrechtlichen Verfolgung seitens der IFPI Schweiz kommt gleichzeitig mit der Publikation eines Minus von 7,6% bei den Verkäufen der Musikindustrie weltweit.
Diese betragen für 2003 weltweit nun noch 41 Mrd. Franken.
Die Schweizer Musikbranche weist gar einen Rückgang von 15% auf die Verkäufe aus.
Die IFPI, International Federation of the Phonographic Industry, repräsentiert 1’500 Tonträger-Produzenten und -Distributoren in 76 Ländern.
Das Sekretariat des Verbands befindet sich in London, weitere regionale Büros u. a. in Brüssel, Hongkong, Miami, Moskau und Zürich.
Die Schweizer Landesgruppe umfasst 30 Tonträger-Produzenten, darunter die Firmen BMG, EMI, Sony, Universal und Warner.
Die Strafen für illegalen elektronischen Musik-Tausch können happig ausfallen.
Gemäss Urheberrecht bis hundertausend Franken und Gefängnis bis zu 3 Jahren.
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