Kann die UBS den Spuren von Morgan Stanley folgen?
Ein Jahr nach der Übernahme der Credit Suisse muss der noch einzige Schweizer Bankenriese sein Vermögensverwaltungsgeschäft zum Erfolg führen.
Roger Federer, Bill Ackman und der Chef des Covid-Impfstoffherstellers Moderna waren diesen Monat von der UBS eingeladen worden, um vor den 250 wichtigsten Privatinvestor:innen der Schweizer Bank Impulsreferate zu halten.
Die Veranstaltung im futuristischen Konferenzzentrum Circle in Zürich wurde von Iqbal Khan organisiert, dem 48-jährige Leiter Wealth Management der UBS, um die Reihen nach einer für das Unternehmen schwierigen Zeit zu schliessen.
An der ersten Kadertagung der Division seit mehreren Jahren sprach der ehemalige Tennis-Champion Roger Federer über seine Erfahrungen im Umgang mit dem Druck, der auf einem Superstar lastet.
Stéphane Bancel, der die Markteinführung des revolutionären mRNA-Impfstoffs von Moderna leitete, riet den Delegierten, «sich um die kleinen Details zu kümmern».
Derweil lud der Investor Ackman, der seit 20 Jahren Kunde der Bank ist, Federer zu einem Tennismatch auf dem Dach seiner Firma Pershing Square ein, bevor er den UBS-Mitarbeitern erklärte, die Übernahme der Credit Suisse scheine das Geschäft des Jahrhunderts zu sein, das sie «nicht vermasseln» dürften.
«Die Hauptbotschaft des Managements war, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen», sagte ein Teilnehmer. «Es liegt eine Milliarde Dollar für uns auf dem Tisch – wir müssen nur noch die Kund:innen anrufen und mehr Einnahmen generieren.»
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Ein Jahr nach der Übernahme des einst grossen Rivalen Credit Suisse durch die UBS hängt der Erfolg der folgenreichsten Bankenfusion seit der globalen Finanzkrise 2008/09 zunehmend davon ab, ob es Khan gelingt, das Vermögensverwaltungsgeschäft anzukurbeln.
Fordernde Investor:innen
Die UBS hat in den letzten 12 Monaten eine zunehmend anspruchsvolle Aktionär:innenbasis angezogen. Die Investor:innen hoffen, dass die Wealth Division die Bewertung der Bank in die Höhe treibt. Darauf zielt die neue Dreijahresstrategie der Bank ab.
«Die UBS wird nach wie vor als eine konventionelle europäische Bank wahrgenommen und bewertet, obwohl sie der weltweit grösste Vermögensverwalter ist, der rund 60% seiner Erträge mit der Vermögensverwaltung erzielt», sagte Gustav Moss, Partner bei Cevian Capital, gegenüber der Financial Times.
Der Investor kaufte im vergangenen Jahr UBS-Aktien im Wert von 1,2 Milliarden Euro in der Erwartung, dass sich die Bewertung der Bank verdoppeln würde.
Dreijährige Bewerbungskampagne
Khans Leistung in den nächsten drei Jahren wird entscheidend dafür sein, ob er den internen Kampf um die Nachfolge von Konzernchef Sergio Ermotti gewinnt, wenn dieser nach Abschluss der Integration der Credit Suisse zurücktreten wird.
Der Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher hatte im November das Rennen um die Nachfolge eingeläutet, als er sagte, er wolle innerhalb von «ein paar Jahren» eine Liste mit drei starken internen Kandidat:innen präsentieren.
«Es ist eine grosse Aufgabe, die er vor sich hat, und es gibt keine Garantie, dass er erfolgreich sein wird», sagte Johann Scholtz, Bankanalyst bei Morningstar. «Sollte er es schaffen, wäre das ein grosser Erfolg für ihn.»
Ein UBS-Insider beschrieb Khans Aufgabe als ein «dreijähriges Vorstellungsgespräch».
Seine Hauptprioritäten sind:
- die Bindung und Rückgewinnung von Kund:innen, die der Integration der Credit Suisse misstrauisch gegenüberstehen.
- Die Verteidigung der globalen Führungsposition gegen Konkurrent:innen, die versuchen, Berater:innen und Kund:innen abzuwerben.
- Und die Stärkung des US-Geschäfts, um mit den viel grösseren Rival:innen an der Wall Street konkurrieren zu können.
Die Herausforderungen, vor denen Khan und das Vermögensverwaltungsgeschäft stehen, wurden letzten Monat bei der Veröffentlichung der Jahresergebnisse der Bank deutlich.
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Aufgrund der gestiegenen Integrationskosten erwirtschaftete der Geschäftsbereich im letzten Quartal einen Vorsteuergewinn in Höhe von 381 Millionen US-Dollar – ein Rückgang von 64% gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Besonders gravierend waren die Probleme in Nord- und Südamerika, wo der Gewinn in den letzten drei Monaten auf 102 Millionen US-Dollar sank – gegenüber 375 Millionen Dollar im Vorjahr und 471 Millionen Dollar im gleichen Zeitraum des Jahres 2021.
Im Rahmen der Dreijahresstrategie hat sich Ermotti zum Ziel gesetzt, die verwalteten Vermögen bis 2028 von 3,8 Billionen US-Dollar auf über 5 Billionen Dollar zu steigern.
Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bank bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar an neuen Vermögenswerten anziehen, um Kund:innen zurückzugewinnen, welche die Credit Suisse in ihren letzten turbulenten Jahren verlassen hatten.
Analysten halten dieses Ziel allerdings für konservativ. Die UBS begründet es damit, dass sie in den kommenden Jahren mit Abflüssen rechnen müsse, weil sie Produkte, die früher von der Credit Suisse grosszügiger angeboten wurden, neu bewertet, um sie profitabler zu machen.
«Unrentable» CS-Kund:innen sollen gehen
Sie ist auch bereit, einige ehemalige Kund:innen der Credit Suisse zu verlieren, die sich zu sehr auf die Kreditaufnahme bei der Bank verlassen, ohne genügend für andere Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen.
«Zu viele Kundenbeziehungen basieren auf einzelnen Produkten und sind nicht unbedingt richtig bepreist», sagte Ermotti letzte Woche an einer Veranstaltung von Morgan Stanley.
«Wir müssen also entweder diese Kund:innen dazu bringen, mehr Geschäfte mit uns zu machen und diese Art von Verlustführerschaft zu rechtfertigen, oder wir müssen akzeptieren, dass einige Vermögenswerte vielleicht woanders hingehen werden. Für mich ist das alles eine Frage der Qualität.»
Alastair Ryan, Analyst bei der Bank of America, erwartet, dass viele langjährige Kund:innen der Credit Suisse abwandern werden. «Es geht nicht darum, sich von schlechten Kund:innen zu trennen, sondern von guten Kund:innen, die nicht genug zahlen oder zu viel Bilanzsumme verbrauchen», sagt er.
«Man wird eine erhebliche Abwanderung von Kund:innen sehen, wenn es bei der UBS heisst: ‹Lasst uns euch mehr verkaufen, sonst können wir euch nicht mehr bedienen›.»
Sobald sich diese Verkaufsstrategie bewährt hat, erwartet die UBS, bis 2028 jährlich 200 Milliarden US-Dollar an Netto-Neugeldern anzuziehen – gegenüber 132 Milliarden Dollar im letzten Jahr und 89 Milliarden Dollar im Jahr zuvor.
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In den USA abgeschlagen
Die Übernahme der Credit Suisse hat die Position der UBS als grösste Vermögensverwalterin ausserhalb Nordamerikas gefestigt.
Während die Übernahme der Credit Suisse dem Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS in Europa, im Nahen Osten und in Asien einen Schub gab – die Vermögenswerte stiegen um mindestens 50% und trugen laut Ermotti zu einem Wachstum im Wert von einem Jahrzehnt bei –, war sie für die Ambitionen der UBS in den USA wenig hilfreich. Die Credit Suisse hatte sich 2016 aus dem nordamerikanischen Vermögensverwaltungsmarkt zurückgezogen.
Der Ausbau des Geschäfts in den USA hat für Khan oberste Priorität. Auf Nord- und Südamerika entfallen rund die Hälfte der verwalteten Vermögen der UBS und fast zwei Drittel der Berater:innen.
Allerdings liegt die UBS im US-Vermögensmarkt weit hinter dem Branchenführer Morgan Stanley und auch hinter den Wall-Street-Rivalen Bank of America und JPMorgan zurück.
Das amerikanische Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS erwirtschaftete im letzten Quartal 2023 nur 4 Dollar Gewinn pro 100 Dollar Umsatz. Es wird erwartet, dass dieser Wert bis 2027 auf 10 bis 15 Dollar steigen wird, was etwa der Hälfte der Gewinnmargen der wichtigsten US-Konkurrenten entspricht.
«Die USA sind für die UBS eine grosse Belastung, während das übrige Vermögensverwaltungsgeschäft in Bezug auf die Vorsteuermarge eher mit Morgan Stanley vergleichbar ist», sagte Kian Abouhossein, Analyst bei JPMorgan.
Ryan von der BofA sagte: «Wäre das Interesse an der Integration der Credit Suisse und den damit verbundenen Kosten beim Jahresergebnis nicht gewesen, hätten wir uns ganz auf die Probleme beim US-Vermögensverwaltungsgeschäft konzentriert, weil die Rentabilität gesunken ist. Es liegt noch viel harte Arbeit vor uns.»
Laut Personen, die mit den Plänen der UBS für ihr US-Vermögensverwaltungsgeschäft vertraut sind, will die Bank die Schritte unternehmen, die Morgan Stanley in den letzten Jahren unternommen hat.
Dazu gehören die Maximierung der Einnahmen aus dem Geschäft mit Finanzberater:innen, die Ausweitung der Kreditvergabe an Kund:innen und die Ausrichtung auf ultrareiche Kund:innen, auf die sich die Bank ausserhalb Nordamerikas spezialisiert hat.
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Die Entscheidung, die Morgan-Stanley-Veteranen Kelleher als Vorsitzenden sowie Naureen Hassan als Leiterin des Americas-Geschäfts zu engagieren, war kein Zufall.
Man hofft, dass die UBS-Kund:innen mehr Produkte kaufen werden, für die die Finanzberater weniger Provisionen zahlen müssen – wie etwa Hypotheken –, so dass die Bank ihre Gewinnmargen erhöhen kann.
«Die UBS ist bereits einer der führenden Anbieterinnen im attraktiven US-Vermögensverwaltungsmarkt, und es gibt eine Reihe von Hebeln, die man umlegen kann und sollte, um die Rentabilität der UBS dort deutlich zu steigern», sagt Moss von Cevian.
Was ist der Zeithorizont?
Nach Ansicht von Analyst:innen und Anleger:innen kann die UBS die Vormachtstellung von Morgan Stanley auf dem US-Vermögensverwaltungsmarkt längerfristig nur durch den Kauf lokaler Unternehmen zur Vergrösserung des Geschäftsvolumens ernsthaft in Frage stellen. Solche Geschäfte würden jedoch erst nach Abschluss der Integration der Credit Suisse getätigt werden.
Personen, die mit Khans Plänen vertraut sind, sagten, er betrachte den US-Markt mit einem Zeithorizont von sieben Jahren. In den ersten drei bis vier Jahren soll das aktuelle Geschäft verbessert werden, während in der zweiten Periode die Skalierung vorangetrieben werden soll, möglicherweise durch ein oder zwei Übernahmen.
«Morgan Stanley hat mit der Übernahme von Smith Barney einen Volltreffer gelandet, und mit Solium, ETrade und Eaton Vance haben sie weitere Produkte erworben, die sie ihren Kund:innen verkaufen können», sagt Filippo Alloatti, Leiter des Bereichs Financials Credit bei Federated Hermes, die in UBS-Anleihen investiert. «Es ist sehr schwierig, damit zu konkurrieren».
Mitarbeit: Ortenca Aliaj in New York und Ian Johnston in London. Copyright The Financial Times Limited 2024. Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger.
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