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Kartellgesetz zeigt seine Zähne

Ausländische Bierbrauer waren erfolgreicher und kauften die Schweizer Kartellbrauereien auf. Keystone

Das verschärfte Kartellrecht zeigt bereits ein halbes Jahr nach Inkrafttreten erste Wirkungen.

Laut Wettbewerbskommission (Weko) haben die neuen Bestimmungen eine starke präventive Wirkung. Die Weko erhofft sich davon eine Destabilisierung der Kartelle.

Das neue, beziehungsweise revidierte Schweizer Kartellgesetz werde als Meilenstein in die Geschichte der schweizerischen Wettbewerbspolitik eingehen, sagte der Präsident der Wettbewerbskommission (Weko), Walter Stoffel, im vergangenen März, als das Gesetz eingeführt wurde.

Stoffel war überzeugt, dass es mit der Einführung direkter Sanktionen und einer Bonusregelung für austrittswillige Kartellmitglieder, einer insgesamt erleichterten und verschärften Ahndung von Kartellrechtsverstössen, zu einem Paradigmenwechsel in der schweizerischen Wettbewerbspolitik komme.

Heute, rund ein halbes Jahr später, sagte Stoffel in Bern: «Die Wirtschaft hat zur Kenntnis genommen, dass das verschärfte Kartellgesetz ernst zu nehmen ist.»

Dabei profitiert die Wirtschaft noch von einer Übergangsfrist, die Ende März 2005 ablaufen wird.

Danach kann die Weko direkt Bussen wegen marktwidrigen Verhaltens verhängen. Unter dem alten Gesetz konnte die Weko Wettbewerbsverstösse nur ahnden, wenn ein Kartell für das gleiche Verhalten schon zuvor einmal abgemahnt worden war.

Zudem soll ein Unternehmen, das als reuiges Mitglied an der Aufdeckung und Beseitigung eines Kartells mitwirkt, ganz oder teilweise straffrei davonkommen.

Bussen nicht Hauptziel

Wie Stoffel aber sagte, sei jedoch nicht damit zu rechnen, dass die Weko bereits ab dem 1. April 2005 Sanktionen verhängen wird. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigten, dass es etwa ein bis zwei Jahre brauche, bis das neue System funktioniere.

Es sei auch nicht das Hauptziel der Weko, möglichst grosse Bussen zu verhängen. Die Präventionswirkung sei viel wichtiger. «Das Gesetz ist dann am wirksamsten, wenn die Weko überhaupt nie Sanktionen auszufällen hat», sagte Stoffel.

Grosse Verunsicherung

In dieser Übergangsphase – zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und Ablauf der Übergangsfrist – ist die Weko stark damit beschäftigt, Unternehmen zu beraten. Diese sollen die Zeit nutzen, um sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

Die Weko führte in den vergangenen sechs Monaten gegen dreissig Beratungen durch, wie Stoffel sagte. Unter den Ratsuchenden waren auffällig viele Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche.

Der Bedarf an Beratung sei enorm, denn es herrsche eine grosse Verunsicherung, sagte Weko-Sprecher Patrik Ducrey. Im Vordergrund steht zumeist die Frage, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat und diese missbraucht. Dies sei schwieriger zu beurteilen als etwa die Frage, ob Preisabsprachen vorlägen.

Weniger Personal als beantragt

Ob für die Umsetzung des neuen Gesetzes genügend Personal zur Verfügung steht, muss sich erst noch weisen. Die Weko wollte den Personalbestand von 55 Stellen zunächst um weitere 15 ausbauen. Inzwischen konnten aber erst zehn weitere Stellen geschaffen werden.

Rolf Dähler, Direktor des Weko-Sekretariats, zeigte sich dennoch zufrieden. Es sei ohnehin nicht möglich, viele neue Leute aufs Mal einzustellen, zumal deren Grundausbildung etwa ein Jahr in Anspruch nehme. Sonst werde nur noch geschult, aber nicht mehr untersucht.

Die Behörde müsse organisch wachsen, sagte Dähler. Im Übrigen laufe auch eine Effizienzprüfung. Komme man zum Schluss, dass mehr Personal erforderlich sei, werde dies auch beantragt.

Die Weko, die vor allem Juristen und Ökonomen beschäftigt, gab zu verstehen, dass namentlich IT-Spezialisten nötig sein könnten.

Bierbrauer-Kartell

Ein Beispiel für ein Schweizer Kartell, das schliesslich zum Niedergang einer ganzen Branche führte, gaben die Bierbrauereien.

Jahrzehntelang betrieben die grossen Schweizer Bierbrauer ein hartes Kartell. Die Schweiz wurde in Absatzgebiete aufgeteilt, Absprachen sicherten hohe Preise und Margen.

Die Gewinne flossen vor allem den stärksten Mitgliedern des Kartells zu; die kleinen Brauereien wurden von den grossen geschluckt. Der Staat schaute dem Treiben tatenlos zu.

Schweizerinnen und Schweizer tranken 40 Jahre lang den gleichen etwas langweiligen Gerstensaft, weil die Kartellisten nicht den geringsten Anreiz verspürten, sich mit neuartigen Produkten gegenüber den Konkurrenten zu profilieren. Der Absatz war ja durch die Kartellabmachungen gesichert.

Die Abwechslung deckten dann die ausländischen Brauereien, die immer stärker auf den Schweizer Markt drängten. Sie hatten leichtes Spiel mit den einheimischen Produzenten: Das Kartell hatte ihre Konkurrenzfähigkeit längst geschwächt.

swissinfo und Agenturen

Das revidierte Kartellgesetz trat am 1. April 2005 in Kraft.
Als Busse kann einer Unternehmung 10% des Umsatzes der letzten drei Jahre aufgebrummt werden.
Gemäss Schätzung kosten Kartellabsprachen die Schweizer Wirtschaft jährlich 2 bis 3,5 Mrd. Franken.

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