Keine Panik vor ausländischen Übernahmen
Schweizer Unternehmen droht keine Welle feindlicher Übernahmeversuche aus dem Ausland, entwarnen Experten.
Im Mai ging der Technologiekonzern Unaxis an österreichische Investoren. Forbo, Leica Geosystems und Saia-Burgess könnten die nächsten Opfer sein.
Eines gilt es klarzustellen: Nicht immer, wenn Schweizer Firmen an ausländische Konkurrenten oder Investoren gehen, handelt es sich um feindliche Übernahmen.
Jüngste Beispiele: Die Airline Swiss, die unter die Fittiche der deutschen Lufthansa schlüpfte, oder der Formel-1-Rennstall Sauber, der ab 2006 unter der Flagge des deutschen Autoherstellers BMW um WM-Punkte fährt.
Schweizer Unternehmen sind interessant. Gründe dafür sind tiefe Bewertungen an der Börse, tiefe Zinsen, hohes Know-how und gutausgebildete Fachkräfte.
Die jüngste, ungewöhnliche Häufung ausländischen Interesses an Schweizer Unternehmen sei rein zufällig und zeige keinen Trend an, glauben Fachleute.
Folgen des Börsencrashes
«In den 1990er-Jahren kauften viele Versicherungen, Pensionskassen und Privatinvestoren Aktien. Aber nach dem Crash von 2001 bis 2003 investierten sie in weniger riskante Werte, und das drückte auf die Kurse», erklärt Beat Pfiffer, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
«Tiefe Zinsen bedeuten auch, dass Übernahmen günstig finanziert werden können. Aber es ist eher ein Zufall, dass es momentan viele feindliche Übernahmeversuche ausländischer Investoren gibt.» Pfiffer glaubt deshalb, dass die Zahl im Längsschnitt in etwa gleich bleibt.
Wie verletzte Tiere
Unaxis und Forbo waren in schlechter finanzieller Verfassung, was sie als Übernahmeopfer interessant macht, sagt Maria Ivek, Analystin bei der Bank Credit Suisse First Boston. Leica Geosystems und Saia-Burgess dagegen seien weniger offensichtliche Ziele.
«Das Phänomen der feindlichen ausländischen Übernahmen ist nicht neu, es ist nur stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt», so Ivek.
Einige Schweizer Firmen seien besonders interessant, weil sie starke Produkte herstellten, ein gutes Management und funktionierende, weltweite Absatzkanäle hätten. Als Beispiel dafür nennt Ivek Leica Geosystems.
Abwehrkampf
Potenzielle Opfer können sich wehren, indem sie einen Investor suchen oder einen so genannten «Weissen Ritter», der die Offerte aus dem Ausland aussticht.
Dies ist nun bei Leica Geosystems der Fall: Der US-Konzern Danaher hat dem Unternehmen in St. Gallen am Dienstag ein offizielles Übernahmeangebot unterbreitet, das rund 14% über demjenigen von Hexagon liegt.
Andere Möglichkeit: Ein Schweizer Unternehmen kauft eine Firma, die nicht in die Strategie des «Feindes» aus dem Ausland passt und hofft, damit nicht mehr interessant zu sein.
Auch wenn die erwähnten Schweizer Firmen tatsächlich an ausländische Besitzer gehen, glaubt Pfiffer dennoch nicht an nachteilige Auswirkungen für die Schweizer Wirtschaft.
«Handelt es sich beim Übernahme-Kandidaten um eine grössere Firma, kann das den Binnenkonsum schwächen und Unsicherheit bezüglich der Arbeitsplätze auslösen», erklärt Pfiffer. Solche Effekte gebe es bei kleinen Firmen aber nicht.
Grosse Verunsicherung
Feindliche Übernahmeversuche bergen aber auf jeden Fall Gefahren für das Opfer selber, so der Experte: «Schweizer Firmen sind dann von finanzieller Aushöhlung und Personalabbau bedroht, wenn die ausländischen Investoren nur die Bilanz im Kopf haben und nicht das Wohl des geschluckten Unternehmens.»
Noch ist die aktuelle Welle nicht abgeebbt, werden doch schon die nächsten Übernahme-Kandidaten gehandelt, darunter Tecan Group, Saurer und Converium, wie Pfiffer sagt.
swissinfo, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Unaxis ging im Mai an undurchsichtige österreichische Investoren.
Saia-Burgess und Leica Geosystems befinden sich gegenwärtig in einem Abwehrkampf gegen ausländische Investoren.
Forbo hat einen Übernahmeversuch der britischen Investorengruppe CVC abgewehrt.
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