Keine Rast im Kampf der USA gegen Steuerflucht
Noch gibt es wenig Klarheit über die Verhandlungen zwischen der Schweiz und den USA über ein globales Bankenabkommen. Im Kampf gegen Steuerflucht hat Washington zwar die Stellen reduziert, aber für Schweizer Banken ist das kein Zeichen für eine Atempause.
Am 27. März hat die Presseagentur Bloomberg berichtet, das amerikanische Justizministerium habe die Zahl seiner Staatsanwälte in der Steuerabteilung um 30% reduziert.
Der Artikel zitiert 4 anonyme Quellen, laut denen 25 von 95 Mitarbeitenden dieses Amts für 6 Monate in regionale Büros der Bundesanwaltschaft abkommandiert und 3 weitere dauerhaft versetzt worden sind. Aber diese Stellenreduktion bedeutet nicht zwingend eine Änderung der Prioritäten in Obamas Administration.
Justizministerium relativiert
Charles Miller, Sprecher des Justizministeriums, bestätigt zwar den Personalabbau in der Steuerabteilung, spielt die Bedeutung aber herunter. «Diese Massnahme bedeutet nichts Besonderes. Es ist eine temporäre Angelegenheit. Im September kehren die Juristen wieder zurück ins Ministerium», sagt er gegenüber swissinfo.ch.
Der Kampf gegen Steuerflucht «hat weiterhin Priorität», sagt Miller und betont, dass die in die Provinz abkommandierten Mitarbeitenden weiterhin daran teilnehmen. «Diejenigen, die mit diesen Dossiers beschäftigt sind, werden sie mitnehmen und weiterhin daran arbeiten», sagt er.
Das Ministerium «arbeitet sehr eng mit der IRS (Steuerbehörde N.d.R.) zusammen, die uns die Dossiers zukommen lässt».
Stellenplafonierung
Auch Scott Michel, ein Rechtsanwalt in Washington, der Dutzende Kunden der UBS und anderer Schweizer Banken vertritt, glaubt nicht, dass «das Interesse der amerikanischen Regierung am Thema Steuerflucht abgenommen hat. Es handelt sich nicht um eine politische Massnahme, sondern es geht ums Haushaltsbudget», sagt er.
Ein ehemaliger hoher Verantwortlicher im amerikanischen Finanzministerium, der anonym bleiben will, zweifelt, ob der Abbau in der Steuerabteilung des Justizministeriums an die Stellenplafonierung in der Bundesadministration gebunden ist. Das Steuerjahr 2012 habe vor fast 6 Monaten begonnen, gibt er zu bedenken.
Er bringt die Massnahme eher mit den Fortschritten in Zusammenhang, die bei der Prüfung der Dossiers von amerikanischen Inhabern von Konten auf Schweizer Banken gemacht wurden, die den amerikanischen Steuerbehörden gemeldet wurden, um deren Steuerversäumnisse zu regeln.
Aber auch der ehemalige hohe Verantwortliche in der Obama-Administration glaubt nicht, dass der Stellenabbau bei den Steuerfahndern als Verschnaufpause der Regierung interpretiert werden könne. «95 Fahnder, das war wirklich eine bedeutende Anzahl, und die übriggebliebenen 67 bilden immer noch ein leistungsstarkes Team», sagt er.
Die Schweiz interpretiere die Massnahme der amerikanischen Justizbehörde überhaupt nicht, sagt Norbert Bärlocher, Sprecher der Schweizer Botschaft.
Näher an den Steuerdossiers
Aber auch er sieht keinen Grund, dass die Obama-Administration weniger Gewicht auf den Kampf gegen Steuerdelikte legen könnte. Im Gegenteil: «Man kann sich vorstellen, dass es quer durch Amerika zu Selbstanzeigen (von amerikanischen Kunden von Schweizer Banken N.d.R.) gekommen ist und sie deswegen Steuerfahnder in die Regionen entsenden, um näher an den Dossiers zu arbeiten», schätzt Norbert Bärlocher.
Auf politischer und diplomatischer Seite ist es schwieriger, die bilateralen Verhandlungen im Hinblick auf ein globales Abkommen zur Regelung des Steuer- und Bankenstreits zu entschlüsseln: «Seit ungefähr 6 Wochen herrscht Funkstille, während vorher Erklärungen durchsickerten», sagt Scott Michel.
Der Tages-Anzeiger glaubt zu wissen, dass die Verhandlungen auf hohem Niveau wiederaufgenommen werden könnten und Michael Ambühl, der Staatssekretär für internationale Finanzfragen, sich auf ein Treffen in Washington vorbereite, das entscheidend sein könnte.
Norbert Bärlocher auf der Schweizer Botschaft kann aber nicht bestätigten, dass ein Besuch Ambühls vorgesehen ist. «Die amerikanische und die Schweizer Delegation sind in permanentem Kontakt. Sie diskutieren meistens per E-Mail, aber wir sind daran zu prüfen, ob es sinnvoll ist, dass er nach Washington kommt», sagt der Botschaftssprecher und erinnert daran, dass das letzte Treffen der Delegationen im Beisein von Michael Ambühl vor 5 bis 6 Wochen stattgefunden habe.
Im Dezember des letzten Jahres hatte Botschafter Manuel Sager gegenüber swissinfo.ch gesagt, die USA und die Schweiz seien einem Abschluss des Abkommens relativ nahe. Aber am 8. März schien Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf die USA dafür verantwortlich zu machen, dass die Verhandlungen in eine Sackgasse geraten seien, als sie in einem Interview mit der New York Times erklärte, die Schweiz könnte «morgen ein Abkommen unterzeichnen, wenn es die USA möchten».
Derzeit sei es sehr «subjektiv», darüber zu spekulieren, wie nahe ein Abschluss des Abkommens sei, sagt Botschaftssprecher Bärlocher. «Es gibt wichtige Fragen, die nicht geklärt sind. In den grossen Linien ist man sich einig, aber es braucht noch eine Einigung in Bezug auf die Zahlen, zum Beispiel, die Anzahl Dossiers, für welche ein Informationsaustausch gelte», sagt er. Bärlocher gibt sich aber optimistisch, weil beide Parteien vom Abkommen profitierten.
Die UBS war die erste Schweizer Bank, die ins Fadenkreuz der amerikanischen Steuerbehörde geriet. 2009 wurde sie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Busse von 780 Mio. Dollar verurteilt.
Im folgenden Jahr unterzeichnete die Schweizer Regierung ein Abkommen über die Lieferung von Daten von 4500 amerikanischen Kunden der UBS an die US-Behörden. Das Abkommen wurde vom Parlament 2010 ratifiziert.
Steueramnestien der USA haben 30’000 Steuersünder dazu veranlasst, ihre im Ausland versteckten Vermögen offen zu legen.
Die amerikanische Justiz hat zahlreiche Beweise für Behilfe einiger Schweizer Banken zur Steuerhinterziehung.
Mehrere Schweizer Bankangestellte und Anwälte wurden in den letzten Monaten in den USA verhaftet oder angeklagt. Unter ihnen drei Manager der Privatbank Wegelin. Ende Januar gab die Bank den Verkauf eines grossen Teils ihres Geschäfts an die Raiffeisen-Gruppe bekannt.
Einige Tage später erhob die amerikanische Justiz Klage gegen Wegelin wegen Beihilfe und Anstiftung zur Steuerhinterziehung. Das war das erste Mal in den USA, dass eine ausländische Bank für solche Praktiken offiziell angeklagt wurde.
Insgesamt 11 Banken, darunter die Credit Suisse, sind ins Visier der amerikanischen Justiz geraten. Die amerikanische Justiz fahndet nach 20 Schweizer Bankiers.
Washington verlangt von Bern die Daten von zehntausenden Kunden von Schweizer Banken in den USA.
Die Schweizer und die US-Behörden verhandeln seit Monaten über eine globale Lösung ihres Steuerstreits.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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