Klimarappen muss sich jetzt beweisen
Seit Samstag wird der so genannte Klimarappen auf Benzin und Diesel erhoben. Die umstrittene Massnahme soll die CO2-Emissionen reduzieren.
Umweltschützer bezweifeln die Wirksamkeit und sprechen von einer Pseudomassnahme der Erdöl-Industrie.
«Nein, Nein. Das Benzin ist noch nicht teurer geworden», sagt der Leiter einer Coop-Tankstelle in einem Berner Aussenquartier. An seinen vier Zapfsäulen läuft das Geschäft wie jeden Samstagmorgen gut. Dabei gilt seit Mitternacht der so genannte Klimarappen: Eine Abgabe von 1,5 Rappen auf jeden Liter Benzin und Diesel, die in der Schweiz verkauft werden.
Dass die neue Abgabe noch keinen Einfluss auf den Preis an der Zapfsäule hat, erstaunt den Geschäftsführer der Erdölvereinigung EV, eine der Verfechterinnen des Klimarappens, nicht: «Die Benzinpreise reagieren nicht auf unser Kommando. Es werden aber seit Mitternacht 1,5 Rappen pro Liter auf alle Importe erhoben», erklärt Rolf Hartl gegenüber swissinfo. «Wann das an der Zapfsäule Auswirkungen haben wird, ist unklar.»
Kyoto nachkommen
Der Klimarappen ist der Kompromiss, mit dem Erdölindustrie, Wirtschafts- und Autoverbände eine CO2-Abgabe durch den Bund verhindern konnten. Diese hätte den Liter Sprit um bis zu 50 Rappen verteuert.
Mit den vorgesehenen Einnahmen von 100 Mio. Franken pro Jahr soll die neu geschaffene Stiftung Klimarappen Projekte zur CO2-Reduktion im In- und Ausland finanzieren. Gegründet haben die Stiftung die Erdölvereinigung, der Gewerbeverband, der Strassenverkehrsverband und Economiesuisse.
Die Stiftung hat sich verpflichtet, die CO2-Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um mindestens 1,8 Mio. Tonnen pro Jahr zu vermindern. Die Projekte im Ausland erzeugen CO2-Zertifikate, die sich die Schweiz zur Erfüllung ihres Reduktionsziels anrechnen lassen kann.
Die Reduktion ist nötig, weil das Schweizer Parlament dem Klima-Protokoll von Kyoto im Frühjahr 2003 deutlich zugestimmt hatte.
Einmalige Lösung oder Schweizer Sonderweg
Hartl vom EV ist überzeugt, dass der Klimarappen die bessere Lösung als eine CO2-Abgabe ist: «Es würde gleich viel gefahren und dafür weniger in der Schweiz getankt. Vor allem Ausländer auf Durchfahrt oder Grenzgänger würden im benachbarten Ausland tanken.» Das Gewerbe verlöre damit Umsatz und der Bundeskasse entgingen die Einnahmen aus Mineralöl- und Mehrwertsteuer.
Die Finanzierung von CO2-Projekten durch eine direkte Abgabe auf Benzin und Diesel sei weltweit einmalig. «Andere europäischen Länder investieren auch in solche Projekte, das Geld muss aber aus dem normalen Budget kommen.»
Umweltschützer enttäuscht
Wenig begeistert vom Klimarappen ist man bei den Umweltschutzorganisation. Alexander Hauri etwa, bei Greenpeace Schweiz fürs Klima-Dossier verantwortlich, spricht von einer Pseudomassnahme der Erdöl- und Autolobby.
«Mit dem Klimarappen steigen die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich ungebremst an. Den Erdölprofiteuren und der Autolobby wird so Hand geboten in der reichen Schweiz nichts zu tun. Stattdessen wird ab Samstag an jeder Zapfsäule amtlich bewilligter Ablasshandel betrieben», sagt er. Es führe kein Weg daran vorbei, dass die besonders vom Klimawandel betroffene Schweiz CO2-Reduktionen im Inland durchführe.
CO2-Abgabe als Druckmittel
Laut EV-Geschäftsleiter Hartl kommt der nächste Meilenstein für die Stiftung Klimarappen am 30. Juni 2007. Dann werde evaluiert, ob die CO2-Reduktion den gestellten Anforderungen genüge.
Werden die Reduktionsziele nicht erreicht, kann der Bundesrat eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe einführen. Eine solche sieht er bereits auf Heizöl vor. Sie soll 9 Rappen pro Liter betragen. Die Einnahmen aus der Abgabe würden der Bevölkerung rückerstattet – wer wenig Heizöl braucht, wird also finanziell belohnt. Das Parlament muss dem Projekt noch zustimmen.
swissinfo, Philippe Kropf und Agenturen
Bis 2010 muss die Schweiz den CO2-Ausstoss von fossilen Energien (Treibstoffe und Brennstoffe) im Vergleich zum Ausstoss von 1990 um 10% senken.
Von 2008 bis 2012 muss der Ausstoss von CO2 pro Jahr um 1,8 Mio. Tonnen reduziert werden.
Das fordert das Kyoto-Protokoll, welches die Schweiz 2003 unterzeichnet hat.
Klimarappen: Abgabe auf Diesel und Benzin, welche die Privatwirtschaft selber erhebt. Der Bund hat keinen keinen Einfluss auf die Höhe des Betrags und die Verwendung der Einnahmen.
CO2-Abgabe: Steuer auf Heizöl, welche pro Tonne CO2 entstandenes erhoben wird. Die Einnahmen aus der Abgabe würden der Bevölkerung rückerstattet – wer wenig Heizöl braucht, wird also finanziell belohnt.
Emissions-Zertifikate: Kann ein Land die im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Ziele nicht erreichen, kann sie auf einem noch zu schaffenden Markt CO2-Zertifikate erwerben, gewissermassen «Verschmutzungsrechte». Verkauft werden diese von Ländern, welche die Reduktionsziele erreicht haben.
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