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Klimawandel bedroht Skitourismus

Touristen auf einem Stück Kunstschnee vor einem Monat in Nendaz, Wallis. Keystone

Fast die Hälfte aller Skigebiete in der Schweiz muss wegen dem Klimawandel um die Schneesicherheit fürchten. Zu diesem Schluss kommen eine europäische und eine Schweizer Studie.

Am grössten sind die Auswirkungen auf Skigebiete im Berner Oberland, in der Zentralschweiz, im Waadtland, im Tessin und in Freiburg.

Bei einem Temperaturanstieg um vier Grad wird die Schneesicherheit in den meisten Skigebieten in diesen Schweizer Regionen nicht mehr gegeben sein, berechneten Forscher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Die Studie der OECD wurde am Mittwoch in Paris veröffentlicht.

Diese Regionen hätten weniger als 100 Tage pro Jahr eine ausreichende Schneedecke von rund 30 Zentimetern. Weniger betroffen sind laut den OECD-Forschern lediglich das Wallis und Graubünden.

Dank ihrer hohen Lage haben die meisten Skigebiete vergleichsweise geringe wirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels zu befürchten, sagten die Forscher.

Doch auch bei einem geringen Temperaturanstieg von nur einem Grad sind die Auswirkungen beträchtlich, so die Studie. Die Anzahl der schneesicheren Skiregionen würde sich um immerhin um 10% verringern.

Nachbarländer mehr betroffen

Noch mehr vom Klimawandel betroffen sind Skigebiete in den Nachbarländern. In Deutschland könnten nahezu alle Skigebiete, in Österreich immerhin 70% wegfallen.

Bei einem Temperaturanstieg von einem Grad wären in den Alpen noch 500 von 666 grösseren Skiregionen schneesicher. Bei vier Grad wären es nur noch 200.

In den Alpen mache sich der Klimawandel besonders deutlich bemerkbar, wird OECD-Klimaexperte Shardul Agrawala in der OECD-Mitteilung zitiert.

Rekordwarme Jahre

Der durchschnittliche Temperaturanstieg war in den vergangenen zweieinhalb Jahren drei mal grösser als im globalen Durchschnitt. Die Jahre 1994, 2000, 2002 und 2003 seien die wärmsten der letzten 500 Jahre gewesen.

Die Modell-Rechnungen würden zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung noch schneller fortschreiten dürfte.

Weder Schneekanonen noch andere Massnahmen sind für die OECD-Forscher ein geeignetes Mittel. Möge künstliche Beschneiung heute noch wirtschaftlich sein, sei sie in Zukunft viel aufwändiger und ab einem gewissen Niveau nicht mehr möglich.

Für OECD-Forscher Agrawala wird heute zu viel auf Technologie statt auf einen Strategiewechsel im Tourismusmarketing gesetzt.

Gestützt wird die Studie von einer Untersuchung des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern. Es geht im schlimmsten Fall von einer Erwärmung um 2,6 Grad bis 2030 aus.

«Wir bezeichnen Schneesicherheit, wenn während 90 Tagen mindestens 30 cm Schnee liegen», betonte Institutsleiter Hansruedi Müller. 2,6 Grad wärmere Temperaturen würden einen Anstieg der schneesicheren Gebiete um 250 bis 300 Meter bedeuten, was viele Stationen mittlerer Höhe betreffen könnte.

Schweiz Tourismus will reagieren

Bei Schweiz Tourismus wird die Bedrohung der Skiregionen durch den Klimawandel ernst genommen.

Die Problematik sei einer der Schwerpunkte für das nächste Jahr, sagte Mediensprecherin Daniela Bär am Mittwoch.

Es sei unbestritten, dass die Klimaveränderung das Ferienland Schweiz verändern werde. Die Frage sei nur wann welche Region in welcher Form betroffen sein werde. Aus diesem Grund werde sich nächstes Jahr eine Arbeitsgruppe mit der Problematik beschäftigen.

Bereits Anfang Jahr haben die Destinationen Berner Oberland das Projekt «Klimaerwärmung und Tourismus bis 2030» gestartet, wie der Gstaader Tourismusdirektor und Leiter der Arbeitsgruppe, Roger Seifritz, sagte.

Bis im Januar werde ein konkretes Papier für die betroffenen Unternehmen wie beispielsweise Bergbahnen und Hotels erarbeitet.

Jerun Vils, Präsident der Destinationen Berner Oberland, sieht aber auch positive Aspekte. So würden viele Gäste wegen den heissen Temperaturen am Mittelmeer in die kühleren Alpenregionen gelockt.

Sommertourismus wird wichtiger

Dies sehen auch Tourismusverantwortliche in der Zentralschweiz so, etwa der Tourismusdirektor von Engelberg – Titlis, Fredy Miller. Zwar stelle die Umverteilung bei den Skigebieten für die Region mit dem Gletscher kurzfristig eine Chance dar. Langfristig werde aber wohl die Bedeutung des Sommertourismus zunehmen.

Für die Bergbahnen gelte ein Investitionszyklus von 20 bis 25 Jahren und für diese Zeit werde auch die Erwärmung prognostiziert, sagte Felix Maurhofer vom Verband Seilbahnen Schweiz. Man versuche die Kapazitäten in den schneesicheren Regionen zu erhöhen.

Zudem solle die saisonale Abhängigkeit verringert werden, indem die von Bahnen erschlossenen Gebiete auch für den übrigen Tourismus attraktiv würden. De facto mache aber die Wintersaison nach wie vor 80% des Umsatzes aus.

swissinfo und Agenturen

Die Alpen erleben derzeit das wärmste Wetter seit 1300 Jahren.

Experten sehen in den milden Temperaturen die Folge der Erderwärmung wegen der Emission von Treibhausgasen durch Industrie, Kraftwerke und Autos.

Die Erwärmung hat bereits zu Gletscherschwund geführt, namentlich in der Schweiz.

Laut der OECD-Studie lehnten es Schweizer Banken bereits ab, Skianlagen unterhalb von 1500 Metern mit Krediten zu finanzieren.

Wegen Schneemangels wurde der für den 20. Dezember im französischen Megève geplante Slalom-Weltcup der Damen abgesagt.

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