Klimawandel bringt Chancenwechsel im Tourismus
Ein milderes Wetter in Mitteleuropa, mehr Sonnentage im Sommer, veränderte Konkurrenzverhältnisse zwischen Mittelmeer und Alpen: Diese Klima bedingten Änderungen eröffnen dem Schweizer Tourismus auch neue Chancen.
Die Chancen einer Klimaänderung überwiegen gegenüber den Risiken, schätzt das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Uni Bern (FIF), zumindest was die Schweiz gesamthaft betrifft. Regional jedoch gebe es Unterschiede: So dürften für die Alpen-, die Seenregionen und Städte die Chancen überwiegen.
Für die Voralpen-Region hingegen überwiegen laut FIF die Risiken. In seiner für «Schweiz Tourismus» (ST) erstellten Klima-Studie figuriert der Schneemangel im Winter als hauptsächliches Risiko. Dafür könnten die Voralpen im Sommer vermehrt als Orte der «Bergfrische» profitieren.
Der Begriff «Bergfrische» ist von der Branche als Kombination von «Sommerfrische» und Bergferien nach den Erfahrungen des Hitzesommers 2003 kreiert worden. Damals erholten sich zahlreiche Leute in höheren Lagen von der Hitze, statt ans Meer zu fahren.
Verlagerung vom Winter in den Sommer
Deshalb dürfte in Zukunft besonders in heissen Sommern das angenehme Klima in den Bergen auch den Urlaub in Höhenlagen fördern. Und der traditionelle sommerliche Ferienraum Mittelmeer werde wohl die Zunahme der Hitze zu spüren bekommen.
Während es dort zu heiss für Ferien werden könnte, nimmt laut FIF in den Schweizer Städten im Sommer die Mediterranisierung zu. Dies ergebe für die Schweizer Städte mehr Urlaubsflair.
Extreme Wetterereignisse und Naturgefahren, die den Urlaub stören, seien in den Alpen weniger im Sommer als im Winter zu erwarten, wenn entweder zu viel Schnee fällt oder ein unverhoffter Wärmeeinbruch die Piste braun werden lässt.
Andere Familienstrukturen, fehlende Skitradition
Der Klimawandel sei aber nur einer von mehreren Gründen, weshalb der Wintertourismus Schwierigkeiten bekunden werde. Moderne Familienstrukturen seien ebenfalls schuld: So können Scheidungs- oder Patchwork-Familien ohne gemeinsame Urlaubszeiten die traditionelle Sportwoche von früher weniger zu nutzen.
In Familien der Secondos fehlt die Skitradition, und in den Schulen seien die früher obligaten Skilager weggefallen.
Diese Kombination von Gründen führt bei ST zu folgenden Trend-Schätzungen:
Im Sommer werden die Gästezahlen durchwegs wachsen, am meisten in den Alpen, am wenigsten in den Städten. Im Winter werden sie stagnieren, in den Voralpen sogar abnehmen.
Was den Umsatz pro Gast betrifft, dürften sie bei jenen aus in- und nahen ausländischen Märkten zunehmen. Bei Gästen aus Fernmärkten dagegen erwartet ST kaum höhere Umsätze.
Tourismus: Sowohl betroffen als auch mitverursachend
Wie die Landwirtschaft und andere Branchen verursacht der Tourismus einerseits Klimawandel, spürt aber andererseits dessen negative Auswirkungen. Weltweit entfallen 5% der CO2-Emissionen auf den Tourismus. Vor allem der Transport (Reisetätigkeit) verursacht Gasemissionen: 32% entfällt auf den Strassen-, 40% auf Luftverkehr. Auf die Hotellerie entfällt immerhin noch 21%.
Zunehmend wirke laut ST und FIF neben der Heiz- auch die Kühlenergie gasausstossend. In der Schweiz besonders in der Kritik stehen die wenig genutzten, aber dennoch konstant beheizten Zweit-und Ferienwohnungen.
Klimaneutrales Ausgestalten
Unter den Folgen dieser vom Tourismus verursachten, schädlichen Emissionen leiden die Schweizer Ferienorte wiederum selbst. Deshalb sollte sich die Tourismusbranche gemäss Studie verpflichtet fühlen, zur Verminderung des Gasausstosses beizutragen.
Zum Beispiel, indem touristische Angebote von Anfang an möglichst klimaneutral ausgestaltet würden: Durch einen Preiszuschlag für Emissionen, oder durch andere Möglichkeiten zur Kompensation.
Als positives Beispiel nennt das FIF Arosa, das klimaneutrale Winterpauschalen eingeführt hat: Damit werden Hoteliers, Gastwirte, Transporteure und die Gäste selbst zu klimafreundlichem Verhalten angeregt. Kompensiert werde mit der Finanzierung eines Projekts zur Reduktion von Methan-Emissionen.
Die 2007 eröffnete erste Monorail der Schweiz erspare zum Beispiel dem Grand-Hotel Tschuggen täglich rund 100 Taxifahrten.
Von Schneereflektion erhöhte Photovoltaik
Davos wiederum habe festgestellt, dass 75% der CO2-Emissionen auf die Wärmeerzeugung zurückgehe, weil der Ort wegen seines kühlen Klimas mehr Energie pro Kopf brauche. Nun werde primär im Wärmebereich nach Alternativen gesucht.
St. Moritz schliesslich möchte Europas höchstgelegene Energy City werden: Wasserkraft, Wind, Sonne und Biogas seien vorhanden und würden gefördert.
Dank der vom Schnee reflektierten Sonnenstrahlung könne die Leistung der Photovoltaikanlagen zeitweise bis 50% gesteigert werden.
Klimaneutral in die Schweiz reisen
So wie heute Airline-Tickets mittels Kompensationszuschlag bereits klimaneutral im Internet buchbar sind, soll in Zukunft Reisen in die und Ferien in der Schweiz ebenfalls klimaneutral angeboten werden können.
Bund und Kantone würden, so schliesst das FIF, ihre Förderprojekte ebenfalls bezüglich Klimarelevanz überprüfen.
swissinfo, Alexander Künzle
Erwärmt sich das Klima in Europa um 2 Grad Celsius, verfügt die Schweiz im internationalen Vergleich über schneesicherere Skigebiete.
80% der Skigebiete in der Schweiz verfügen noch über ausreichend Schnee,
65% der Skigebiete in Frankreich
68% in Italien,
50% in Österreich, und
13% in Deutschland.
Seit dem letzten Gletscher-Hochstand von 1850 weichen die Gletscher in der Schweiz generell zurück.
Heute bedecken noch rund 2000 Gletscher 2,5% der Fläche des Landes.
Zwischen 1850 und 2000 betrug die Verminderung der Gletscherfläche rund 40% und des Gletschervolumens rund 50%.
Im Hitzesommer 2003 allein ging das Volumen um 8% zurück.
90% der Gletscher sind kleiner als 1 Quadratkilometer. Deshalb wird der grösste Teil der Gletscher in den nächsten Jahrzehnten verschwinden.
Die Grundidee der klimaneutralen Produzierens besteht darin, dass
1. versucht wird, an Ort möglichst wenig Treibhausgase zu emittieren,
2. bei unvermeidlicher Emission versucht wird, diese an einem anderen Ort zu kompensieren.
Dies wirkt weltweit gleichermassen, denn die Atmosphäre ist weltweit gefährdet.
Folglich ist es egal, wo die Gas-Emission zurückgebunden wird.
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