KMU gehen Probleme an
Vertreter der Schweizer Wirtschaft treffen sich diese Woche in Thun, um ihre Prioritäten für das kommende Jahr festzulegen.
Zu den Gastrednern am Swiss Economic Forum gehören unter anderen Easy-Jet-Gründer Stelios Haji-Ioannu und Nationalbank-Direktor Jean-Pierre Roth.
Spricht man von «Switzerland» und «Wirtschaftsforum», fällt einem automatisch das World Economic Forum (WEF) in Davos ein, das jeweils Ende Januar stattfindet. Auf der dortigen Prominentenliste wird die Anzahl der Gäste jeweils nur noch von der Anzahl Polizisten übertroffen, die es braucht, um die hohe Anzahl Protestierender fernzuhalten.
Als eine Art alternativer Anlass zum WEF hat sich in den vergangenen Jahren unbemerkt das Swiss Economic Forum (SEF) entwickelt, wenn auch mit einer enger gefassten Gästeliste. Es geht um die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die in der Schweizer Volkswirtschaft die verborgene Mehrheit ausmachen.
Forums-CEO und Mitorganisator Stefan Linder sagt gegenüber swissinfo: «Wir begannen das erste Forum 1999 mit nur 460 Teilnehmenden. Nach nur drei Jahren zählten wir bereits 1200. Darauf entschieden wir, es dabei bleiben zu lassen.»
Nationale KMU-Plattform mit Networking
Das Ziel sei ziemlich klar gewesen, sagt Linder. «Wir wollten eine nationale Plattform für die KMU aufbauen. Diese machen 90% der Wirtschaft in diesem Land aus. Obschon die restlichen 10%, besonders die Multinationalen, in der Öffentlichkeit viel bekannter sind.»
Allerdings fühlt auch das SEF bereits die Folgen seines Erfolgs. Der zwei Tage dauernde Anlass, der am Donnerstag beginnt, war innerhalb von zwei Wochen ausgebucht.
Das diesjährige Meeting wird am Donnerstag von Volkswirtschafts-Minister Joseph Deiss eröffnet. Das übergreifende Thema lautet: «Die richtigen Prioritäten setzen.»
Nicht immer das Dringlichste getan
«Eines unserer wichtigsten Ziele besteht in der Identifikation der hauptsächlichen Schlüsselthemen und Probleme, die die KMU in nächster Zeit betreffen», sagt Stefan Linder. «Wir hatten dieses Jahr etwas das Gefühl, dass diesbezüglich nicht überall die richtigen Prioritäten gesetzt worden sind.»
Es gehe nicht nur darum, ob die Wirtschaft selbst die richtigen Rangfolge bei den dringenden Problemen setzt. «Es geht auch um die Frage der richtigen Rahmenbedingungen, politischer und wirtschaftlicher Art.»
So wird am diesjährigen Forum das Beispiel des Detailhandel-Sektors erörtert. Dabei geht es in erster Linie um die Ankunft der deutschen Hard-Discounter Aldi und Lidl im schweizerischen Markt. Darüber wird am Forum auch ein Fallstudien-Workshop abgehalten.
Ein zweiter Workshop nimmt sich ein Problem des Tourismus-Sektors zu Herzen: Wie soll mit der sich möglicherweise abzeichnenden Krise umgegangen werden, die den Fremdenverkehr in den Alpenregionen bedroht.
EasyJet-Gründer unter den Gastrednern
Zu den diesjährigen Gastrednern gehören Stelios Haji-Ioannou, Fiat-Chef Sergio Marchionne, Nationalbank-Direktor Jean-Pierre Roth und die irische Gesundheitsministerin Mary Harney.
Was haben diese illusteren Namen mit dem Alltag von Schweizer Gewerblern und KMUlern zu tun, mag man sich fragen. Linder gibt die Antwort: Grosse Unternehmen und die Politik seien es, die die Rahmenbedingungen entscheidend beeinflussen. Ausserdem, so Linder, gehören sie oft auch zur Kundschaft der kleinen und mittleren Unternehmen.
Mehr Wettbewerb auf dem Inlandmarkt
Laut Linder haben für Schweizer Politiker und Unternehmen jene Massnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Inlandmarkt erhöhen, Vorrang. Er erinnert daran, dass die Ursprünge des neuen Binnenmarkt-Gesetzes, über das dieses Jahr in der Sommersession des Parlaments debattiert wird, über ein Jahrzehnt zurück reichen.
«Die Schweizer Regierung billigte bereits in den früher 90er-Jahren Massnahmen, um den Binnensektor konkurrenzfähiger auszugestalten. Es begann mit Erleichterungen, über die kantonalen Grenzen hinaus Dienstleistungen anbieten zu können.»
Neue Ideen fürs Business
Seither sei jedoch nicht mehr viel passiert, bedauert Linder, und die Schweiz habe bis heute keinen anständig funktionierenden Binnenmarkt.
Einige Forums-Beobachter meinen, das SEF sei in erster Linie ein Networking-Anlass. Für Linder hingegen ist ausschlaggebend, dass die Besucherinnen und Besucher mit neuen Ideen eingedeckt werden, was ihr Geschäft betrifft.
swissinfo, Chris Lewis
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Das Swiss Economic Forum begann 1999, in Fortsetzung des «Thun Young Business Forum».
Die Idee wurde in einem Bergbauern-Hof im Berner Oberland geboren, ganz in der Nähe des Konferenzstandortes Thun.
Das Forum wuchs sehr schnell und zieht nun regelmässig illustere Gastredner aus Wirtschaft und Politik sowie über 1000 Gäste an.
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