Köpferollen verdeckt Probleme bei Adecco
Vier Tage nach Bekanntwerden von Problemen in Buchhaltung und Kontrolle im US-Geschäft von Adecco müssen zwei Manager die Pulte räumen.
Weil der Stellenvermittler auch am Freitag keine näheren Angaben über die Schwierigkeiten machte, geht der Vertrauensverlust bei Investoren weiter – der Börsenkurs brach ein.
Die Probleme beim weltweit größten Stellenvermittler Adecco haben personelle Konsequenzen: Finanzchef Felix Weber und der Leiter des US-Geschäfts, Julio Arrieta, treten von ihren Ämtern zurück. Das teilte das Genfer Unternehmen am Freitag in einem Communiqué mit§.
Das Unternehmen habe Maßnahmen ergriffen, um die Ungewissheiten in Zusammenarbeit mit den Bilanzprüfern und den Behörden zu lösen, hiess es. Obwohl Adecco keine genaueren Angaben über die Art der Probleme machte, gehen Analysten davon aus, dass sich die Schwierigkeiten auf das US-Geschäft beschränken. Dies macht rund einen Viertel des Umsatzes aus.
«No comment» mit Folgen
Auch in einer Telefonkonferenz vom Freitag Nachmittag beantwortete Konzernchef John Bowmer die meisten Journalisten-Fragen mit Verweis auf rechtliche Gründe nicht. So wollte er auch nicht sagen, ob Weber und Arrieta gefeuert worden seien.
Die Folgen am Markt: Die Adecco-Aktien brachen ein und standen gegenüber dem Vortag um 16% im Minus.
Spekulationen Tür und Tor geöffnet
Analysten bemängelten, Adecco habe nicht genau klargemacht, um welche Probleme es im Detail gehe. Ebenso sei unklar, wie sich diese Schwierigkeiten auf den Jahresabschluss 2003 auswirken könnten.
Einerseits hätte Adecco mehr Details bekannt geben müssen, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Andererseits liessen die Angaben befürchten, die Probleme seien schwerwiegender, als Adecco dies darzustellen versuche, so der Tenor.
Signal für Ernst der Lage
«Adecco hat praktisch nichts gesagt, und das mag der Markt nicht», sagt Thomas Veillet, Portefeuille-Manager der Genfer Investment-Bank Dynacapital, gegenüber swissinfo. «Solange ich keine näheren Details habe, empfehle ich niemandem, Adecco-Aktien in seinem Portefeuille zu behalten.»
Und Hilary Cook, strategische Direktorin der Londoner Investment-Bank Barclays Stockbrokers: «Der Fakt, dass bei Adecco zwei Manager gehen müssen, zeigt, wie ernst dort die Probleme sein könnten.»
Auf USA bechränkt?
Das einzig Gute sei, dass sich die Probleme offenbar auf das Geschäft in den USA beschränkten, hiess es bei der Bank Leu. Zu revidieren dürften die Zahlen für die ersten drei Quartale 2003 sowie der Goodwill auf der US-Firma Olsten sein.
Die Aktien von Adecco lagen am Freitag Nachmittag an der Schweizer Börse mit 52 Franken 12% im Minus.
Bereiche lokalisiert
Immerhin bezeichnete das Westschweizer Unternehmen am Freitag die Bereiche, in welchen die Probleme entstanden sind. Mängel gebe es bei der Sicherheit der Computersysteme, der Abstimmung der Lohn-Bankkonten, der Dokumentation vereinbarter Tarife und Stunden sowie der Ausstellung von Rechnungen.
Zwar seien einige dieser Schwächen bereits behoben worden. Um die restlichen Probleme zu lösen und weitere Schwachstellen zu überprüfen, würden «energische Massnahmen» ergriffen, so Adecco.
Jahresabschluss lässt weiter auf sich warten
Am vergangenen Montag hatte Adecco in einer knappen Mitteilung erklärt, im nordamerikanischen Geschäft seien bei einer Routineprüfung erhebliche Schwächen bei der internen Kontrolle festgestellt worden.
Besonders müssten Fragen im Bereich Buchhaltung und Kontrolle in Nordamerika und gewissen anderen Ländern beantwortet werden, wie es hiess. Deshalb würde sich der Jahresabschluss auf unbestimmte Zeit verzögern.
An den Märkten verlor die Adecco-Aktie darauf 35%. Es wurde darauf befürchtet, dass es sich um einen weiteren Bilanz-Skandal handeln könnte, wie bei dem US-Konzern Enron oder Parmalat in Italien.
Untersuchung in USA eingeleitet
Adecco räumte immerhin ein, dass die US-Börsenaufsicht SEC sowie die Staatsanwaltschaft von New York Untersuchungen zu den Vorfällen bei Adecco eingeleitet hätten.
Als unabhängigen Berater habe der Konzern das New Yorker Anwaltsbüro Paul Weiss, Riefkind, Wharton & Garrisson beauftragt.
Interims-Lösungen
Die Funktion des Finanzchefs werde vorübergehend Controlling-Chef Andres Cano übernehmen, während Adecco-Verwaltungsrat und Leiter des Frankreich-Geschäfts Philippe Marcel sich um das US-Geschäft kümmern werde.
Verwaltungsratspräsident John Bowmer wird sich laut Mitteilung persönlich um die Bilanzprobleme kümmern. Konzernchef Jérôme Caille zeichne nur noch für das Tagesgeschäft verantwortlich.
swissinfo und Agenturen
Adecco ist die größte Personalvermittlungs-Agentur der Welt.
Sie war 1996 aus den Unternehmen Adia und der französischen Ecco entstanden.
Das Unternehmen beschäftigt 28’000 Mitarbeiter in 68 Ländern (5800 Niederlassungen).
Pro Jahr werden weltweit knapp vier Mio. Menschen an 250’000 Unternehmen vermittelt.
Adecco ist an der Schweizer Börse, in New York (NYSE) und an der Euronext kotiert.
Der Konzern wies 2002 einen Umsatz von 25,1 Mrd. Franken aus, was ein Rückgang von 8% gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
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