Konsumenten kurbeln Wachstum an
Die Schweizer Wirtschaft wächst so stark wie seit 2002 nicht mehr. Beschleunigt vom privaten Konsum, schlägt sie alle bisherigen Prognosen.
Mit ausgezeichneten Zahlen im 3. Quartal dürfte das BIP aufs ganze Jahr gesehen um 1,7% wachsen. Das ist deutlich mehr, als die Ökonomen vorausgesagt haben.
Nach Schätzungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) erhöhte sich das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) im dritten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorquartal um 1%.
So stark war die Schweizer Wirtschaft letztmals in den ersten drei Monaten des Boomjahrs 2002 gewachsen.
Zugleich wurde das Wachstum der ersten beiden Quartale deutlich nach oben revidiert, so dass die Wirtschaftslage massiv besser aussieht, als dies noch im letzten Sommer den Anschein machte.
Als Folge begannen die Experten von Banken und Konjunkturforschungs-Instituten umgehend, ihre Prognosen nach oben anzupassen. Statt 1,3 bis 1,4% dürfte die Schweizer Wirtschaft dieses Jahr nun rund 1,7% wachsen.
Wider alle Anzeichen
Seco-Chefökonom Aymo Brunetti sprach von zwei grossen Überraschungen. Erstens habe sich die Hausse der Erdölpreise viel weniger stark auf die Konjunktur ausgewirkt als erwartet. Und zweitens laufe der private Konsum trotz schlechter Konsumenten-Stimmung und schleppender Erholung des Arbeitsmarkts sehr gut.
Der private Konsum, der gut 60% zum BIP beisteuert, war auch im Berichtsquartal die Konjunktur-Lokomotive. Sein Wachstum beschleunigte sich auf 0,7%.
Belebend für Arbeitsmarkt
Wenn man ein «Haar in der Suppe» suchen wolle, dann seien dies die Ausrüstungsinvestitionen. Sie nahmen im Berichtsquartal um 1% ab. Die Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen ist auch der Grund dafür, dass der Aufschwung den Arbeitsmarkt bisher nicht erfasst hat.
Nach den Worten Brunettis spricht aber viel dafür, dass sich dies nun ändern wird. Denn die Kapazitäten seien nun besser ausgelastet. Zudem sollte sich bei den Unternehmern der Glaube verstärken, dass der Aufschwung nachhaltig ist.
Sollte sich der Beschäftigungs-Aufbau aber dennoch weiter verzögern, könnte die Konjunktur wieder ins Stocken kommen, warnen die Bundesökonomen in ihrem Ausblick. Ein zweites Konjunkturrisiko sehen sie im Euroraum.
Positive Reaktionen
Auch die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse Group (CSG) werden nach dem überraschend hohen Wirtschaftswachstum im dritten Quartal ihre Prognosen für das ganze Jahr nach oben revidieren.
«Selbst unsere optimistischen Erwartungen wurden übertroffen», sagte CSG-Ökonom Martin Neff. Statt den bisher vorausgesagten 1,4% für das ganze Jahr 2005 werde nun voraussichtlich ein Wirtschaftswachstum von 1,6 bis 1,7% resultieren.
Mit einer substanziellen Korrektur nach oben rechnet auch die UBS, die bisher von einem Jahreswachstum von 1,3% ausgegangen war. UBS-Ökonom Daniel Kalt sprach von einem deutlich besseren Bild und machte darauf aufmerksam, dass das seco auch die Zahlen für das erste und zweite Quartal dieses Jahre deutlich nach oben revidierte.
Zweifel und Warnung
Der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), Serge Gaillard, mahnte demgegenüber in der Geldpolitik zu äusserster Vorsicht, weil die Konjunktur noch zu labil sei.
«Eigentlich sollten die Zinsen erst angehoben werden, wenn die Beschäftigung steigt», sagte er. Die Schweiz könne sich auf keinen Fall einen weiteren Rückschlag leisten.
Am kritischsten kommentierte Willy Roth von der Konjunktur-Forschungsstelle der ETH Zürich (KOF) die Zahlen aus Bern. Er habe Zweifel, ob das Wachstum so stark ausgefallen sei.
«Wir sind weit entfernt von einem Boom», sagte Roth. Die Dynamik im dritten Quartal sei wohl eher überschätzt und die früheren Quartale seit 2004 eher unterschätzt worden.
Was die Prognose fürs ganze Jahr betrifft, erinnerte Roth daran, dass die KOF bereits im Oktober 1,7% vorausgesagt habe. Falls das vierte Quartal auch gut laufe, was sich abzeichne, seien 1,7% aber wohl eher noch zu tief.
swissinfo und Agenturen
Aufgrund starker Zahlen im 3. Quartal hat das seco seine Wachstums-Prognosen für die Schweizer Wirtschaft 2005 von 1,3% auf 1,7% erhöht.
Ende November sagte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEDC) der Schweiz jedoch nur eine Wachstumsrate von 1,25% voraus.
Diese Prognosen reihen sich ein in die Schätzungen der wichtigsten Konjunktur-Forschungs-Institute: KOF 1,7%, BAK 1,2%, Créa 1,5%.
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