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Konsumwütige Jugend im Visier

Shoppen gehört zur wichtigen Beschäftigung der Schweizer Jugend. Keystone

Mit ihrem Taschengeld sollten Kinder und Jugendliche lernen, mit Geld umzugehen. Nicht immer funktioniert das: Handy, Kleider und Ausgang sind Schuldenfallen.

Fallen, die auch von der Wirtschaft gestellt werden, welche die kaufkräftige Jugend tüchtig umwirbt.

«Es ist wichtig, dass Kinder lernen, mit Geld umzugehen», sagt Margrit Krattiger, Budgetberaterin bei der Frauenzentrale Zug. Dazu sei Sackgeld notwendig. «Sonst kommen sie ins Erwerbsleben und haben kein Verhältnis zum Geld.»

Für die meisten Eltern gilt es heute als selbstverständlich, dass ihre Kinder einen Batzen zur eigenen Verfügung haben, schreibt die Arbeits-Gemeinschaft der Budgetberatungsstellen (ASB) zum Thema Taschengeld, in der Schweiz auch Sackgeld genannt. Ein Gesetz dafür gibt es aber nicht: Sackgeld ist eine freiwillige Sache.

Die ASB empfiehlt, Kindern ab der ersten Klasse einen bis eineinhalb Franken Sackgeld pro Woche zu geben. Tochter oder Sohn in der Mittelschule kosten bereits 180 Franken im Monat – für Freizeit, Handy, Coiffeur, Körperpflege, Kleider, Schulmaterial ohne Schulbücher und Velo oder Mofa. Im Jahr macht das insgesamt 2160 Franken aus.

«Diese Ansätze sind realistisch», sagt die Beraterin. «Die meisten Eltern ermöglichen ihren Kindern ein Taschengeld in diesem Rahmen». Notfalls werde bei anderen Auslagen gespart. Viele Jugendliche besserten sich zudem ihre Einnahmen durch Nebenverdienste und Ferienjobs auf.

Von Identitätssuche und Gruppendruck

Es sind aber auch Fälle bekannt, wo Eltern bei sich selber gespart haben, um ihrem Nachwuchs all das kaufen zu können, was er braucht, um dazuzugehören.

«Die Jugendphase ist eine Identitätssuche», sagt Petra Oggenfuss. «Konsumgüter sind die Hilfsmittel, um Identität und Anerkennung zu erlangen.» Dabei könne es auch zu Gruppendruck-Situationen kommen.

Die Studentin arbeitet am Lehrstuhl für Marketing der Universität Zürich an einer Semesterarbeit über den Jugendkonsum. «Fast die ganze Freizeit hat heute mit Konsum zu tun. Es ist anzunehmen, dass nur die wenigsten Jugendlichen am liebsten im Wald spazieren gehen.»

Die Mach-Consumer-Studie der AG für Werbemedienforschung (WEMF) fürs Jahr 2003 hat ermittelt, dass Einkaufen für über 85% der Schweizer Jugendlichen als wichtige Freizeitbeschäftigung gilt. In der Schweiz verfügen Kinder und Jugendliche laut Experten-Schätzungen über rund 600 Mio. Franken jährlich.

Attraktiver Markt trotz hoher Verschuldung

Geld geben Jugendliche oft bis zur bitteren Verschuldung aus: Ein Viertel aller Jugendlichen konsumieren mehr, als sie sich leisten können, sagt die WEMF-Studie. «Das ist alarmierend, viele Jugendliche konsumieren übermässig», sagt Verena Maag, Soziologin und Autorin der ersten Studie zur Kaufsucht in der Schweiz.

Die Wirtschaft versäumt es auch nicht, jugendliche Kunden gezielt zu umwerben: Rabattkarten für Jugendliche, Jugendsparkonten mit Kreditkarten und spezielle Angebote für Jugendliche animieren zum schnellen, einfachen Geldausgeben. Das ist die Domäne des Kinder- und Jugendmarketings.

Bereits Kleinkinder werden ins Visier genommen. Berater in den USA gehen davon aus, dass Markenlogos bereits von Eineinhalbjährigen wahrgenommen und erkannt werden.

Jugend-Magazine als Werbeträger

Dass diese Tatsache allerdings fürs Marketing brauchbar ist, glaubt Claude Bronner nicht. «Ein Kind kann vielleicht mit sechs bis acht Jahren als Konsument bezeichnet werden», sagt der Chef der Lausanner Agentur Liquidmedia, welche auf Jugend-Werbung spezialisiert ist.

Er vertreibt mit seinem Team mehrere Nischen- und Ausgeh-Magazine, die gratis in Trend-Geschäften und Klubs aufliegen. Bronner blättert die neueste Ausgabe von «Partynews» durch: Werbung für Zigaretten, Alkoholische Getränke, Handys, Jeans, Haargel, CDs aber auch für Bankkonten, Versicherungen und Autos. Keineswegs zu Discountpreisen: Eine Seite kostet zwischen 9’500 und 16’500 Franken. «Unsere Inserate sind gleich teuer wie jene in einem Mainstream-Magazin.»

Die Gesamtausgaben für Werbung in speziellen Jugendmedien in der Schweiz schätzt er auf 15 bis 20 Mio. Franken jährlich. Hinzu kommen weitere 10 Mio. Franken für Flyers und Postkarten im Gratisvertrieb.

Geldausgeben macht glücklich

Wo und nach welchen Kriterien Jugendliche ihr Geld am liebsten ausgeben, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der Marketing-Strategen. «Viele Firmen betreiben Marktforschung», sagt Oggenfuss vom Marketing-Institut der Uni Zürich, «aber diese teilen sie natürlich nicht mit der Öffentlichkeit.» Eine regelrechte Mystik werde um den potentiellen Jugendmarkt aufgebaut.

Oggenfuss will in ihrer Semesterarbeit auch klären, welches Verhältnis Jugendliche heute zum Geld haben. Ihre Erwartung: «Sparen ist out: Image ist heute wichtiger als der Preis.»

swissinfo, Philippe Kropf

Die meisten Schweizer Jugendlichen erhalten Taschengeld von ihren Eltern. Für viele Jugendliche ist Konsum eine wichtige Beschäftigung. Sie geben Geld vor allem für Kleider, Musik, das Handy und den Ausgang aus.

Mit einer Kaufkraft von rund 600 Mio. Franken pro Jahr sind sie eine begehrte Zielgruppe der Konsum-Industrie. Diese investieren viel in Marketing und Werbung, welche Jugendliche ansprechen soll.

Dabei wird in Kauf genommen, dass sich Jugendliche auch hoch verschulden. Das Verhältnis zum Geld hat sich über die Generationen geändert: Heute ist das Image eine Produktes wichtiger als der Preis, den man dafür bezahlt.

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