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Kostenintensiv, aber wichtig

Die Fachmesse in Frankfurt ist heute der weltweit grösste Markt für Literatur und elektronische Medien. Keystone Archive

Auch für kleinere Verlage wie den Limmat und den Chronos Verlag ist die Präsenz an der Frankfurter Buchmesse ein Muss. Die Schweiz ist mit 193 Einzelausstellern 7. stärkstes Ausstellerland.

Dieses Jahr sind rund 6400 Aussteller aus 110 Ländern vertreten.

Trotz weniger Einzelausstellern, Buchtiteln und Neuerscheinungen sowie aufstrebenden Konkurrenten in Chicago und London bleibt die Frankfurter Buchmesse auch in ihrer 54. Auflage (8. – 14. Oktober) die grösste aller Buchmessen und gilt weiterhin als wichtigster Treffpunkt der internationalen Branche.

Eine Teilnahme an dem Forum für Verleger, Agentinnen, Buchhändler, Autorinnen und Leser bedeutet gerade für kleinere Verlage ein grosser finanzieller Aufwand. Etwa 250 Aussteller verzichten dieses Jahr auf den teuren Messeauftritt, die meisten von ihnen wegen knapper Kassen in der Wirtschaftskrise.

Ein Must, das man sich leisten will

Die beiden erfolgreichen, aber finanziell nicht auf Rosen gebetteten Schweizer Verlage Limmat Verlag und Chronos Verlag lassen sich von den hohen Teilnahmekosten – ganz zu schweigen von den fast absurden Hotel-Preisen (bis zu 450 Euro pro Nacht ohne Frühstück!) – nicht von der Präsenz in Frankfurt abhalten.

«Frankfurt ist ein Muss», sagt Jürg Zimmerli, Leiter des Limmat Verlags, gegenüber swissinfo. Messbare Erfolge gäbe es zwar nicht, weil keine Bücher verkauft werden könnten. «Aber für uns ist es wichtig, einmal im Jahr in einem internationalen Umfeld zu sehen, was in der Branche gemacht wird, was es für Strömungen und Probleme gibt.»

Man treffe auch viele Leute aus dem eigenen Sprachgebiet: Drucker, Übersetzer, Verleger, Autoren, mit denen man übers Jahr nur telefonisch oder via e-Mail Kontakt habe. Frankfurt ist primär eine Fachmesse: Das Publikum sei für einen Schweizer Verlag mit schweizerischen Themen sicher weniger wichtig, sagt Zimmerli.

«Wir wollen uns Frankfurt leisten», erklärt Hans Rudolf Wiedmer, Leiter des Chronos Verlags, auch wenn die Kosten nicht zu unterschätzen seien. Wiedmer spricht von Stand- und Hotelkosten zwischen 6000 und 10’000 Franken, dazu kämen die Lohnkosten für durchschnittlich zwei permanent an der Messe anwesende Personen.

«Ob sich das eins zu eins ausbezahlt, wage ich zu bezweifeln», sagt Wiedmer gegenüber swissinfo. Doch sei Frankfurt für seinen Verlag wichtig «als Kontaktplatz, als Möglichkeit, sich darüber zu orientieren, was und wie andere Verlage publizieren».

Ganz wichtig seien die alljährlichen direkten Kontakte zu den Leuten. Das seien manchmal auch Personen, die in der Nähe wohnten und arbeiteten. «Aber man sieht sich halt doch hauptsächlich in Frankfurt», so Wiedmer

Festhalten an Länderschwerpunkten

Seit Jahren wird das Ende der Länderschwerpunkte herbeigeredet. Doch der neue Direktor der Frankfurter Buchmesse, Volker Neumann, erst seit 2. September Nachfolger des Schweizers Lorenzo Rudolf, hält daran fest. Diesjähriges Gastland ist Litauen, 1998 war es die Schweiz.

«Ich finde die Idee der Länderschwerpunkte spannend», meint Jürg Zimmerli vom Limmat Verlag. Als Land und als Verleger müsse man seinen Auftritt gut und gründlich vorbereiten. Allerdings sei es schwierig zu sagen, wie nachhaltig ein solcher Auftritt für ein Land sei. «Wahrscheinlich bringt das eher nicht so viel. Aber für einige Leute ist das immer eine spannende Entdeckung, so wie es für mich Litauen jetzt auch ist.»

Für Hans Rudolf Wiedmer vom Chronos Verlag gehen die Länderschwerpunkte in der Fülle des Angebots fast ein wenig unter. Auf der anderen Seite habe der Länderschwerpunkt Schweiz 1998 den Schweizer Verlagen, Büchern und Autoren etwas gebracht.

«Zunächst ganz banal dadurch, dass ein Budget vorhanden war, um die schweizerische Buchproduktion in Frankfurt auszustellen. Dann auch deswegen, weil die Schweizer Buchproduktion in den einheimischen Medien eine etwas grössere Präsenz und Aufmerksamkeit erlangt hat», so Wiedmer.

Den jeweiligen Schwerpunktländern bringe das vor allem im eigenen Land etwas. «Ob die Beachtung in Frankfurt so gross ist, wie man sich das als Gastland erhofft, wage ich zu bezweifeln», sagt Wiedmer.

Trotz Erfolgen…

Limmat und Chronos Verlag sind zwar klein, doch sie gelten als erfolgreiche Schweizer Verlage.

1975 gegründet, versteht sich der Limmat Verlag als «links». Er profiliert sich mit Schweizer, aber auch ausländischer Literatur und historisch-politischen Sachbüchern. «Im Zentrum stehen bei uns aber, mengenmässig, die Biografien, die Leute», sagt Jürg Zimmerli.

Der absolute Hit sei nach über 20 Jahren immer noch die Biografie einer Hebamme aus dem Val d’Anniviers. Auch das jüngste Buch, eine Sammlung von Frauen-Poträts aus dem Kanton Luzern, sei recht erfolgreich.

Der von Hans Rudolf Wiedmer 1985 gegründete Chronos Verlag ist heute einer der wenigen Verlage der Schweiz für geistes- und sozialwissenschaftliche Werke. Kerngeschäft des Verlags sind wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Dissertationen, vor allem solche, die Schweizer Geschichte «von unten» schreiben. Frauengeschichte spielt eine wichtige Rolle.

«Die bekanntesten Titel, die wir produziert haben, sind sicher die in den letzten 18 Monaten erschienenen 25 Bände des Bergier-Berichtes», sagt Wiedmer.

…ein finanzieller Balanceakt

Die Erfolge der beiden Verlage zahlen sich kommerziell indessen nicht aus.

«Wir sind froh, wenn wir jedes Jahr nur einen kleinen Verlust verzeichnen müssen oder vielleicht einmal geradeaus wirtschaften», sagt Jürg Zimmerli vom Limmat Verlag. «Wir können keine unserer Arbeit angepassten Gehälter bezahlen, wir leben äusserst sparsam und arbeiten viel. Finanziell lohnt sich das alles unter dem Gesichtspunkt der heutigen Marktwirtschaft nicht.»

Das bestätigt Hans Ruedi Wiedmer vom Chronos Verlag. «Aber ich möchte nicht jammern, im Gegensatz zu vielen kleineren Verlagen sind wir in der Lage, professionell zu arbeiten. Das heisst auch, branchenübliche Löhne zu bezahlen.» Branchenüblich bedeute allerdings leider, dass die Löhne nicht allzu hoch seien. «Ganz konkret verdiene ich selber deutlich weniger, als wenn ich Sekundarschullehrer wäre», so Wiedmer.

Auf Subventionen angewiesen

Für «schwierige Projekte», Übersetzungen zum Beispiel, erhält der Limmat Verlag Subventionen, unter anderem von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Für regionale Buchprojekte machen auch Kantone oder Gemeinden Geld locker.

Für den Chronos Verlag als Firma gibt es zwar keine Subventionen, aber er ist auf Druckbeiträge für bestimmte Bücher angewiesen. Im Bereich fachwissenschaftliche Publikationen sei die Situation «recht anständig», sagt Hans Rudolf Wiedmer. «Der Schweizerische Nationalfonds finanziert zwar zu harten, aber doch fairen Bedingungen einen guten Teil unserer Fachpublikationen.»

Schwieriger sei es im Bereich der Sachbücher, «wo wir in der Schweiz nicht jene Auflagen erreichen können, die man erreichen müsste, um das Buch ohne Fremdmittel zu finanzieren».

Doch Spass mache das Métier, trotz den finanziellen Schwierigkeiten, immer noch, betonen die beiden Verlagsleiter gegenüber swissinfo.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Dauer: 8. – 14. Oktober
6400 Aussteller aus 110 Ländern
Schweiz: Mit 193 Einzelausstellern 7. stärkstes Ausstellerland
Gastland: Litauen
Erwartete Besucher: 250’000

Trotz hohen Teilnahmekosten sind auch kleinere Schweizer Verlage an der Frankfurter Buchmessse vertreten. Der Limmat und der Chronos Verlag beispielsweise wollen sich die Präsenz am nach wie vor wichtigsten Treffpunkt der internationalen Branche leisten.

Ein messbarer Erfolg ist zwar nicht abzusehen, weil in Frankfurt keine Bücher verkauft werden können. Wichtig sind jedoch das professionelle Umfeld der Messe und die Kontakte mit Fachleuten aus aller Welt.

Die oft totgesagten Länderschwerpunkte – 1998 war es die Schweiz – finden Limmat und Chronos Verlag interessant, auch wenn die Beachtung des Gastlandes in Frankfurt vielleicht nicht so gross ist wie erwartet.

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