Kriegsmaterial-Exporte – ein heisses Eisen
Soll der Export von Kriegsmaterial aus humanitären und friedenspolitischen Gründen verboten werden, oder wäre das das Ende der Rüstungsindustrie und eine Gefahr für die Landesverteidigung? Am 29. November kommt die Initiative gegen Kriegsmaterial-Exporte an die Urne.
Nachgerüstete Pilatus-Trainingsflugzeuge, nachträglich mit Bomben ausgestattet, im Kriegseinsatz. Schweizer Handgranaten im Irak, eingesetzt von der britischen Armee. Piranhas für das Pinochet-Regime. Schweizer Panzer im Irak und in Pakistan: Waffenexporte sind seit Jahrzehnten umstritten.
1997 haben die Schweizer Stimmberechtigten eine Volksinitiative, welche den Export von Kriegsmaterial verbieten wollte, mit rund 78% Neinstimmen verworfen. Im Frühjahr 2007 lehnte der Nationalrat zwei parlamentarische Initiativen ab, die darauf abzielten, die Kriegsmaterial-Gesetzgebung zu verschärfen.
Flankierende Massnahmen
Das aus pazifistischen, linken, grünen und kirchlichen Organisationen bestehende Komitee «Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte» reichte am 21. September 2007 die Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» mit mehr als 109’000 gültigen Unterschriften ein.
Vom Export-Verbot ausschliessen will die Initiative Geräte zur humanitären Entminung. Für Jagd- und Sportwaffen sieht sie Ausnahmeregelungen vor.
Regionen mit Rüstungsindustrie-Standorten, also Regionen, die von einem Ausfuhrverbot besonders stark betroffen wären, müsste der Bund laut dem Willen der Initianten während maximal zehn Jahren mit flankierenden Massnahmen finanziell unterstützen.
Bedrohte Landesverteidigung
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Ein Ja zur Initiative würde der Schweizer Rüstungsindustrie die Existenz-Grundlagen entziehen, zudem wäre die gesamte Landesverteidigung bedroht, argumentiert die Regierung.
Die Initiative bedrohe «einen kompetitiven und innovativen Industriezweig und würde zu einem Verlust von Know-how führen. Sie bedrohe mehrere Tausend Arbeitsplätze bei der direkt betroffenen Rüstungsindustrie», sagte Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard in der Parlamentsdebatte.
Beschleunigter Umbau
Auch der freisinnige Nationalrat Johann N. Schneider-Ammann weist auf die Gefährdung «von wichtigen und hoch qualifizierten Arbeitsplätzen» hin. «Wir entwickeln in diesem Land Produkte, die in die Rüstungsindustrie gehen, es sind aber auch so genannte Dual-Use Produkte, welche in die zivile Anwendung gehen. Wir wollen vor allem im zivilen Bereich dieses Know-how behalten und uns nicht zurück versetzen lassen», sagt Schneider-Ammann im Gespräch mit swissinfo.ch.
Laut den Initiativ-Gegnern wären bei einer Annahme der Initiative bis zu 15’000 Arbeitsplätze gefährdet. Die Befürworter gehen von 5’000 Arbeitsplätzen aus. «Auf diese Herausforderung reagiert unsere Initiative mit einer Übergangsbestimmung, die den Bund verpflichtet, die drei betroffenen Regionen während zehn Jahren finanziell zu unterstützen. So würde die Konversion vom Militärischen zum Zivilen, die ohnehin im Gang ist, beschleunigt», sagt der grüne Nationalrat Josef Lang gegenüber swissinfo.ch.
Waffen seien zudem kein Produkt wie jedes andere, argumentieren die Befürworter der Initiative. «Export von Kriegsmaterial tötet Leben und widerspricht den Prämissen der schweizerischen Aussenpolitik. Kriege und Ausgaben für Waffen behindern die soziale Entwicklung. Waffenexporte kommen zudem in Konflikt mit der Neutralität», betont Lang.
Weltbefriedung nicht befehlen
Er stehe zu 100 Prozent hinter der Neutralität und der Friedensförderung, betont Schneider-Ammann und fügt an: «Ich bin allerdings Realist. Wenn Rüstungsgüter aus der Schweiz kommen, kommen sie nicht aus einem andern Land. Unsere strenge Gesetzgebung verbietet zudem Ausfuhren in Gebiete, die in einem Konflikt stehen. Mit einem Verbot schaden wir in erster Linie uns. Wir können aber die Weltbefriedung auf diesem Weg nicht befehlen.»
Dem hält Lang entgegen, dass 2008 Pakistan den Spitzenplatz bei den Schweizer Waffenausfuhren eingenommen habe. «Dieses Jahr gehört ein Land wie Saudi-Arabien zu den Spitzenreitern. Ein strenges Gesetzt würde sowas nie zulassen.»
Andreas Keiser, swissinfo.ch
Beim Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» handelt es sich um eine Verfassungsänderung.
Eine Annahme der Vorlage durch das Volk setzt deshalb am 29. November ein doppeltes Ja, also die Mehrheit von Volk und Ständen voraus.
Im 1. Halbjahr 2009 sind die Schweizer Kriegsmaterial-Exporte leicht zurückgegangen.
Sie hatten einen Umfang von 331,4 Mio. Franken. Das sind16 Mio. Franken weniger als in der Vorjahresperiode, wie der Statistik der Eidgenössischen Zollverwaltung zu entnehmen ist.
Die Exporte hatten im Jahr 2008 mit Waffen im Wert von 722 Mio. Franken ein Allzeithoch erreicht.
Die Waffenexporte gingen in 72 verschiedene Länder. An der Spitze lag Pakistan mit 110 Mio. Franken.
Im 1. Halbjahr 2009 gehörten Deutschland (62 Mio.), Dänemark (56,5 Mio.) und Saudi-Arabien (34 Mio.) zu den grössten Abnehmern.
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