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«Krise? Stellen wir die Uhren wieder richtig!»

Baselworld fühlt den Puls der Uhrenindustrie. Keystone

Baselworld 2009, die grösste Uhrenmesse der Welt, hat am Donnerstag für acht Tage ihre Tore geöffnet. Die gegenwärtige schwierige Lage des Uhrensektors sei nicht vergleichbar mit der Krise der 1970er-Jahre, sagt der Schweizer Ausstellungschef François Thiébaud.

Nach fünf Jahren Rekordwachstum hat Innenminister Pascal Couchepin die grösste Uhren- und Schmuckmesse der Welt in einem Klima der Krise eröffnet.

Baselworld ist für den Präsidenten des Komitees der Schweizer Aussteller, François, Thiébaud, ein Barometer für die aktuelle Lage, wie er im Gespräch mit swissinfo sagt. «Kehren wir zur Uhrmachertradition zurück und vergessen wir die Extravaganzen der Vergangenheit», rät der Patron der Schweizer Uhrenindustrie.

swissinfo: Die Welt leidet an der Krise. Woran krankt die Uhrenindustrie? Ist es ein starker Schnupfen, eine schwere Erkältung, ein Dauerhusten, eine böse Grippe oder gar ein Lungenkrebs?

François Thiébaud: Nein, der Uhrensektor leidet überhaupt nicht an einer unheilbaren Krankheit. Die Uhrenindustrie ist zwar von der weltweiten Krise betroffen, aber es ist eher eine Vertrauenskrise. Die Leute haben weniger Geld, die Bankkredite sind blockiert, und weil das Klima der Verdrossenheit in den Medien noch überzeichnet wird, zögern die Leute ihren Kaufentscheid hinaus..

Die Swatch-Gruppe, zu der ich gehöre, besitzt weltweit viele Boutiquen. Dort wird weiterhin konsumiert, obwohl wir unglücklicherweise einen Anstieg der Arbeitslosigkeit feststellen müssen. Es geht aber nur um einige Prozente mehr.

Im Hinblick auf das G-20-Treffen in London können wir aber bereits Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung sehen. Ich hoffe, dass der Motor bald wieder anläuft.

swissinfo: Sie sind also zuversichtlich. Für Sie wird es ein Zeitalter «nach der Krise» geben…

F.T.: Es ist sicher die grösste Krise der Welt seit den 1930er-Jahren. Die Mentalitäten werden sich ändern und man wird sich auf die wirklichen Werte der Dinge zurückbesinnen. Man wird sich weniger Extravaganzen leisten als in den letzten Jahren, namentlich auf der Preisebene.

Die wahren Werte werden wieder mehr gelten, die Uhrmachertradition, die Wertschätzung der Handwerkerarbeit. Man wird die Uhren wieder richtig stellen!

swissinfo: Welches sind derzeit die am meisten von der Krise betroffenen Weltregionen im Uhrensektor?

F.T.: Es sind vor allem Nord- und Südamerika, insbesondere die USA. Dort hat man Auftragsrückgänge im Rahmen von 20, 30 bis sogar 60% verzeichnet. Es gibt viele Unternehmen, die Konkurs gegangen sind.

In Europa ist es vor allem Spanien, das seit einem Jahr wegen der Immobilienkrise stark betroffen ist. Die arabischen Länder dagegen halten sich gut.

Auch in den Emiraten spricht man zwar von einer Immobilienkrise, aber die Hotels sind für die kommenden Osterferien ausgebucht. Es hat zwar weniger russische Touristen dort, die Läden werden weniger frequentiert, aber unsere Verkäufe sind vergleichbar mit dem letzten Jahr.

In Asien wurde Japan am härtesten getroffen. Für China mit seinem Jahreswachstum von 8% ist das nicht der Fall.

swissinfo: Man muss auch sagen, dass die Umsatzzahlen der Uhrenindustrie (-22,4% im Februar 2009 im Vergleich zum Vorjahr) täuschen, weil sie zwar die Exporte betreffen, nicht aber zwingend den Absatz. Wie sieht es bei den Lagerbeständen aus?

F.T.: Es stimmt, die Exportzahlen bedeuten nicht, dass weniger Uhren verkauft werden. Diese Uhren wurden sehr wohl aus der Schweiz exportiert – aber gingen sie an Grossisten, an Verteiler oder an Verkaufsstellen? Erreichen diese Uhren schliesslich den Konsumenten? Wir wissen es nicht.

Die starken Rückgänge seit Oktober 2008 bedeuten vermutlich, dass sich die Lagerbestände verkleinern. Die März-Zahlen zeigen, dass es wieder aufwärts geht, Mai und Juni sollten einen Aufschwung bringen. Es wird keinen Überfluss geben, aber der Pessimismus dürfte sich in den kommenden Monaten etwas legen.

swissinfo: Baselworld ist ein gutes Barometer für die Lage der Uhrenindustrie. Die Zahl der Aussteller hat sich erhöht – und der Schmucksektor ist nur geringfügig weniger vertreten…

F.T.: Die Anzahl der Besucher und Medienleute an der diesjährigen Messe wird uns andere Anhaltspunkte aufzeigen. Die Uhrmacherei liegt im Herzen der Luxuswelt, die von der Krise massiv betroffen ist.

Die Presse wird die Tendenz beobachten können. Falls die Medien in Basel ein Zeichen des Aufschwungs feststellen, wird dies ein phantastisches Signal für den ganzen Sektor sein.

swissinfo: Wie steht es um den Schwarzmarkt? Sind Sie dagegen gewappnet?

F.T.: Wenn alles gut läuft, funktionieren auch die Parallelimporte sehr gut. Wenn es weniger gut läuft, verspürt das auch der Schwarzmarkt. Gewisse Detaillisten werden versuchen, ihre Ware mit hohen Rabatten zu verkaufen.

Dieses Phänomen hat den Wurm in den Apfel einiger Marken gebracht. Aber es existieren Verteilerverträge, die den Weg des Produktes kontrollieren und den Reparaturservice nach dem Verkauf garantieren. Das Verlassen dieses Kreislaufes birgt Risiken, auch für den Konsumenten. Sich auf dem Schwarzmarkt einzudecken oder eine Fälschung zu kaufen, trägt zur Destabilisierung der Wirtschaft bei.

Es ist besser, mit Leuten zu arbeiten, die ihr Leben ehrlich verdienen, als Kriminelle wie Kinderausbeuter oder Patrons am Leben zu erhalten – Leute, die keine sozialen Standards kennen. Wir müssen auf Qualität und das Schweizer Label setzen.

swissinfo, Olivier Grivat, Basel
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Die Baselworld, die weltweit führende Messe für Uhren und Schmuck, findet vom 26. März bis 2. April in der Nordschweizer Stadt Basel statt. Die Basler Uhrenmesse geht auf das Jahr 1917 zurück.

An der Messe zeigen 1952 Aussteller aus 45 Ländern ihre neusten Kollektionen. Im letzten Jahr waren es 2087 Aussteller.

Die 359 Uhrenfabrikanten nutzen fast zwei Drittel der 160’000 m2 grossen Ausstellungsfläche.

95% der Schweizer Uhrenproduzenten sind in Basel vertreten.

Zwei Drittel der Aussteller stammen aus Europa, ein Viertel aus Asien.

2008 hatten über 106’000 Besucherinnen und Besucher aus 100 Ländern und gegen 3000 Journalisten die Baselworld besucht.

Die 38. Ausgabe von Baselworld soll vom 18. bis 25. März 2010 stattfinden.

Sinkender Absatz: Als drittwichtigste Exportindustrie der Schweiz hat die Uhrenbranche im Januar und Februar starke Rückgänge verzeichnet.

Einbruch: In den USA, dem zweigrössten Markt, sowie in Japan (5.) betrug der Absatzrückgang 47% resp. 13,3%.

Ausnahme: In Europa und Asien gingen die Verkäufe um weniger als 10% zurück. Nur in Italien, dem drittwichtigsten Absatzmarkt der Schweiz, wurden im Februar schwarze Zahlen geschrieben.

Stellenabbau: Die Schweizer Uhrenbranche beschäftigte bis vor Beginn der Krise knapp 50’000 Personen. Schätzungsweise 1000 von ihnen haben inzwischen ihre Stelle verloren.

Beispiele: Marken wie Roger Dubuis, Ebel, Girard-Perregaux oder Zenith haben ihre Belegschaft bereits reduziert.

Kurzarbeit: Um Kündigungen zu vermeiden und die prekäre Wirtschaftslage zu überbrücken, wurde zum Teil auch Kurzarbeit eingeführt.

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