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Las Vegas im Südzipfel der Schweiz

Mario Bottas "Kathedrale" im Spielermekka Campione. swissinfo.ch

Mit drei Spielcasinos hat das Tessin die grösste Spielbankendichte der Schweiz - eine Spielbank auf 100'000 Einwohner. Die Kugel rollt wie geschmiert, vor allem dank Gästen aus dem benachbarten Italien.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die Spielbank der italienischen Enklave Campione am Luganer-See ist soeben in einen 13-stöckigen Neubau umgezogen und will den Tessiner Spielcasinos Kunden abjagen.

Mit dem Umzug der «grösste Spielbank Europas» in Campione d’Italia in das neue und umstrittene Gebäude des Schweizer Stararchitekten Mario Botta nimmt die Zahl von Automaten, Spieltischen und Kartenspielen im Südzipfel der Schweiz weiter zu.

Mit einem Bruttospielertrag von 180 Mio. Franken pro Jahr setzte Campione bisher mehr Geld um als die drei Tessiner Spielcasinos in Mendrisio, Lugano und Locarno. Allerdings wirft es wegen seines hohen Unterhalts und der vielen Angestellten wenig Ertrag ab.

In den Jahren 2005 und 2006 machte Campione sogar je elf Mio. Euro Defizit (18 Mio. Franken). Erst im ersten Quartal 2007 konnte das Blatt dank rigoroser Sparmassnahmen gewendet werden. Im neuen Botta-Palast steigen die Unterhaltskosten aber wieder erneut an.

Boom im Tessin

Anders im Kanton Tessin. Hier wird nicht nur viel Geld verspielt, sondern es werden auch satte Gewinne verzeichnet. Spitzenreiter in den Spieltempeln der Südschweiz ist das Casino Admiral von Mendrisio.

Obwohl es nur über eine B-Lizenz verfügt, ist es das rentabelste Casino der ganzen Schweiz. Der Bruttospielertrag betrug 2006 rund 135 Mio. Franken.

Die günstige Lage an der Autobahnausfahrt Mendrisio und die Nähe zu Italien (die Landesgrenze ist nur 10 Kilometer entfernt) sind für den Erfolg ausschlaggebend. Denn die Mehrheit der Spielenden – rund 90 Prozent – reist aus Italien an.

Lugano nach Mendrisio

Bereits an zweiter Stelle steht das im November 2002 eröffnete Casino von Lugano (mit A-Lizenz) mit einem Bruttospielertrag von 108 Mio. Franken, während Locarno (B-Lizenz) auf knapp 32 Millionen kommt.

Zusammen setzen die drei Tessiner Spielbanken 275 Mio. Franken um. Dies entspricht knapp 30 Prozent des landesweiten Spielertrags aller 19 Schweizer Spielbanken (955 Millionen).

Zählt man noch Campione mit 180 Millionen Franken hinzu, wird deutlich, welche gewaltigen Summen im Südzipfel der Schweiz gezockt werden – mehr als eine halbe Milliarde Franken im Jahr.

Geld für Kultur und Sport

Das blühende Geschäft wirkt sich positiv auf Beschäftigung und Einnahmen von Gemeinden, Kanton und Bund aus. Fast 600 Personen arbeiten in den drei Tessiner Spielbanken, die Lohnsumme beträgt 55 Mio. Franken (Stand 2005).

Die Spielcasinos treten zudem als Sponsoren für Kultur- und Sportveranstaltungen auf. Und sie investieren in Werbung, natürlich auch jenseits der Grenze.

Vor allem Lugano, Mendrisio und Campione orientieren sich nach Italien. Ganze Reisebusse bringen die Spieler von Mailand in die Tessiner Spieltempel.

Die gegenseitige Konkurrenz wird von den Spielcasinos nicht unbedingt als Nachteil gesehen. Marco Baranzelli, Direktor des Casino Campione, glaubt sogar an eine Synergie: «Wir können zum Las Vegas der Voralpen werden.»

Auch Erasmo Pelli, Präsident des Casino Lugano, glaubt, dass die hohe Zahl der Spielbanken die Gesamtzahl der Spielenden steigern kann.

Kehrseite der Medaille

Einen Vorteil haben Lugano, Mendrisio und Locarno gegenüber der Konkurrentin aus Campione, weil in ihren Spielsälen (noch) geraucht werden darf. Laut Schweizer Casino-Verband sind über 50 Prozent der Casinogäste Rauchende.

Allerdings hat das Spiel mit seinen Millionenerträgen durchaus seine Schattenseiten. Problematisch ist in erster Linie die Spielsucht. Jedes Jahr erhalten im Tessin rund 500 Personen ein Zutrittsverbot zu den Casinos. Eine Psychologin ist in Lugano angestellt, um sich um Spielsüchtige zu kümmern.

Auch ziehen Spielbanken potenziell zwielichtige Gestalten an. Die Vereinigung «SOS Wucher» hatte vor Jahren die Präsenz von Wucherern in der Spielbank Lugano kritisiert. Eine entsprechende Untersuchung der Tessiner Staatsanwaltschaft wurde allerdings eingestellt.

swissinfo, Gerhard Lob, Lugano

Glücksspiele waren in der Schweiz über 70 Jahre verboten. Die Kantone durften einzig «Kursaal-Konzessionen» vergeben, wo der Einsatz auf maximal fünf Franken beschränkt war.

1993 sprach sich das Schweizer Stimmvolk deutlich für die Streichung des Glücksspiel-Verbots in der Bundesverfassung aus. Es dauerte sieben Jahre, bis eine gesetzliche Grundlage zum Betrieb von Spielcasinos (Spielbanken) geschaffen war.

In der Schweiz gibt es heute 19 Spielcasinos. 7 von ihnen haben die Bewilligung A (unlimitierter Einsatz), 12 verfügen über die Bewilligung B (Einsatz maximal 25 Fr.).

In ganz Italien gibt es nur vier Spielbanken (Campione d’Italia, Venedig, San Remo, St. Vincent). Die italienische Enklave Campione am Luganer See ist nur über die Schweiz erreichbar. Gespielt wird dort in Schweizer Franken.

Bruttospielerträge 2006:
955 Mio. Fr.: Alle 19 Schweizer Spielbanken
1. 135 Mio. Fr.: Casino Mendrisio, rentabelste Spielbank der Schweiz
2. 108.8 Mio. Fr.: Casino Lugano
3. 101,5 Mio. Fr.: Casino Baden, Aargau, ertragreichste Spielbank der Deutschschweiz
2006 arbeiteten rund 2300 Personen in den Schweizer Casinos, in Campione etwa 600

Die Einnahmen von Bund und Kantonen aus der Spielbankenabgabe sind 2006 um 12% auf 495 Mio. Franken gestiegen. Damit kommen rund 52% der Bruttospielerträge der Allgemeinheit zugute.

Die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) attestierte in ihrem Jahresbericht den 19 Schweizer Casinos Professionalität.

Die Spielbanken erzielten ihre Unternehmensgewinne auf anständige Weise und nicht auf Kosten spielsuchtgefährdeter Kundinnen und Kunden, hiess es am Dienstag.

Die Aufsichtskommission habe bei ihren Inspektionen keine gravierenden Mängel festgestellt. Bei der Sozialprävention hätten die Casinos ihre Massnahmen gegenüber suchtgefährdeten Spielerinnen und Spielern im Vergleich zum Vorjahr merklich verbessert.

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