Liberalisierung: Die Schweiz ist im Rückstand
Mit einer Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen könnte die Schweiz einen einmaligen Wachstumszuwachs von zwei Prozent erreichen.
Zu diesem Schluss kommt ein Bericht, den der Bundesrat zur Kenntnis genommen hat. Ziel war ein Vergleich zwischen dem Liberalisierungsgrad der Schweiz mit demjenigen der EU.
Weitere Liberalisierungen der Telekommunikation, der Stromversorgung und anderer Dienstleistungssektoren könnten der Schweiz zusätzliche zwei Prozent Wirtschaftswachstum bringen. Im Vergleich zur Europäischen Union weist die Schweiz vor allem im Stromsektor einen Liberalisierungsrückstand auf, wie es im Bericht heisst.
Einen Rückstand ortet der Bericht diesbezüglich vor allem im Bereich der Elektrizität. Leicht seien die Rückstände bei der Telekommunikation, den Postdiensten, dem Personenschienenverkehr und den Versicherungsdienstleistungen.
Musterknaben: Dänemark und Grossbritanien
Demgegenüber hält die Schweiz bei den Liberalisierungen im Güterbahnverkehr und bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen mit. Bei der Regulierung von Bankdienstleistungen dient sie als Vorbild.
Etwas anders sieht der Vergleich mit den so genannten Best-practice-Staaten aus, also jenen EU-Ländern, die besonders liberal sind. Hier weist die Schweiz nicht nur im Elektrizitätsbereich, sondern auch bei der Telekommunikation, den Postdiensten und dem Personenschienenverkehr einen grossen Rückstand auf.
Als Musterknabe wird im Bereich Telekommunikation Dänemark genannt. Im Bereich der Postdienste liegt Schweden vorn, bei der Elektrizität ist es Grossbritannien.
Zwei Prozent Wachstum
Neben den Unterschieden wurden in dem Bericht auch die möglichen Effekte bei einer Liberalisierung in den Branchen Handel, Geschäftsdienste, Reglementierte Berufe, Telekommunikation und Elektrizitätsversorgung untersucht.
Laut der Studie würde für die Schweiz bei einer weitgehenden Liberalisierung dieser Bereiche ein einmaliger Wachstumszuwachs von zwei Prozent drin liegen. Die Reallöhne würden um 1,7% steigen, die Beschäftigung um 0,6 Prozent.
Bei einem umgekehrten Szenario könnte die Schweiz aber auch an Wachstum einbüssen. Wenn die EU-Staaten ihre Liberalisierungs-Strategien wie vorgesehen fortführen und die Schweiz auf dem Status quo verharrt, wird laut Studie ein negativer Wohlstandseffekt von 0,3% entstehen.
«Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus zu deregulieren und liberalisieren», sagte Aymo Brunetti, Chefökonom beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) an einem Hintergrundsgespräch. Der Bericht zeige aber im Vergleich zu anderen Ländern auf, wie die Wettbewerbsfähigkeit auf optimale Weise erhöht werden könne.
swissinfo und Agenturen
Im Februar 2004 hat der Bundesrat im Rahmen seines Wachstumspakets einen Bericht zum Stand der Deregulierung im Dienstleistungs-Sektor in Auftrag gegeben.
Im Rahmen des Berichts wurden drei quantitative Studien in Auftrag gegeben. Sie kommen zum Schluss, dass es vor allem die Liberalisierung in der Schweiz selbst und in geringerem Ausmass diejenige in der EU ist, die für das Erzielen der wirtschaftlichen Vorteile in der Schweiz entscheidend sind.
Im Vergleich mit EU-Staaten weist die Schweiz einen grossen Liberalisierungs-Rückstand bei der Elektrizitätsversorgung auf.
Bei den Postdiensten, der Telekommunikation, dem Personenschienenverkehr und den Versicherungs-Dienstleistungen hat sie nur einen leichten Rückstand.
Heute arbeiten mehr als 70% der Beschäftigten in der Schweiz im Dienstleistungssektor.
Dessen Anteil an der volkswirtschaftlichen Bruttowertschöpfung beträgt ebenfalls über 70 Prozent.
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