«Lifestyle-Bier ist für Jugendliche nicht harmlos»
Während Fachleute angesichts der zunehmenden Alkoholexzesse von Jugendlichen Alarm schlagen, kommen immer neue alkoholische Mischgetränke auf den Markt. Auf die Alcopops folgen nun Lifestyle-Biere.
Die Alkoholindustrie gibt zwar vor, mit süssen Bieren nicht Jugendliche anzusprechen. Doch sie tut es dennoch. So auch die Werbekampagne für Eve Cardinal.
«Sind Sie schon sechzehn?» Mit dieser Frage wurden kürzlich junge Frauen in Coop-Läden angesprochen, bevor ihnen ein Fläschchen Bier in die Hand gedrückt wurde. Feldschlösschen warb damit für sein neues Bier Eve Cardinal, die «erfrischende Apéro-Alternative für Frauen».
Das Bier mit Litchi- oder Grapefruitgeschmack ist süss und süffig, das Design der Fläschchen elegant, die lachs- und rosafarbenen Verpackungen sind poppig.
Nachdem Eve letzten Herbst in der Partyszene lanciert worden war, steht das Lifestyle-Bier seit diesem Sommer nun auch in den Regalen des Detailhändlers Coop.
«Nicht bewusst auf Junge zugegangen»
In der Schweiz trinken sich immer mehr Jugendliche – auch immer mehr Mädchen – in den Rausch. Wie kommt Coop angesichts dieses Besorgnis erregenden Trends dazu, in den Läden Bier an junge Frauen zu verteilen? «Wir sind nicht bewusst auf junge Frauen zugegangen», sagt Coop-Mediensprecherin Susanne Erdös.
Das von Eve anvisierte Zielpublikum seien Frauen zwischen 25 und 40 Jahren. «Die rauschtrinkenden Jugendlichen sind klar jünger und bevorzugen eher hochprozentigeren Alkohol.»
Cardinal Eve sei klar als alkoholisches Getränk erkennbar. Es werde auch mit Tafeln auf das Mindestalter für den Kauf von Alkohol hingewiesen. Coop unternehme strenge Vorkehrungen zum Jugendschutz bei Alkohol.
Bei Biermischgetränken gehe es darum, mit Aromen und Fruchtsäften etwas Abwechslung in den Biermarkt zu bringen.
Partylaune dank Alkohol
Der Internetauftritt von Eve Cardinal mit leuchtenden Farben und verspieltem Layout spricht jedoch eher Teenies als 40-jährige Frauen an. So sind etwa in einem Video die Eve’s Angels zu sehen. 15 junge Frauen, die in einem Casting ausgewählt wurden.
Discosound, eine weisse Limousine. Die Beauties werden herumchauffiert, sie shoppen, sie tanzen – und nippen ab und zu an einem Eve-Bier. Ihre Mission: Das neue Bier in den «angesagtesten» Clubs und Bars zu promoten. Auch die ehemalige Miss Schweiz und Djane Mahara Mc Kay macht Werbung für Eve, indem sie Partystimmung vermittelt.
Alkohol bringt Partylaune – genau dieses Gefühl wird von der Eve-Werbekampagne vermittelt. Ist diese Botschaft angesichts der heutigen Problematik von rauschtrinkenden Jugendlichen nicht etwas daneben?
Feldschlösschen wolle mit Eve «die junge, selbstbewusste Frau ansprechen, die gerne mit Freundinnen ausgeht und dabei ein Cardinal Eve trinkt», sagt Feldschlösschen-Sprecher Markus Werner.
Wie Erdös hat auch er bei diesem Bier keine Bedenken, dass sich Jugendliche damit betrinken könnten: «Eve ist kein Getränk, das vor allem konsumiert wird, um sich einen Rausch anzutrinken.»
Dieses Bier habe mit 3,1 Volumenprozent einen Alkoholgehalt, der zu vertreten sei. «Es ist eine sinnvolle Alternative zu stark alkoholischen Getränken wie Champagner oder Cocktails», so der Feldschlösschen-Sprecher.
Identifikationsfiguren für Jugendliche
Sabine Dobler von der Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (sfa) sieht das anders. Entscheidend sei letztlich die Menge aufgenommenen Alkohols. «Ein alkoholisches Getränk, das wie ein Softdrink schmeckt und an Jugendliche ab 16 Jahren abgegeben werden darf, ist nicht harmlos», so Dobler.
Auch davon, dass die Eve-Werbung Jugendliche nicht anspreche, hält sie nicht viel. «Diese Kampagne zeigt ein Bild von erwachsenen Frauen, die beliebt sind und Spass haben. Es liegt für die Jugendlichen nahe, sich mit solchen Personen zu identifizieren», sagt Dobler.
Studien hätten gezeigt, dass lifestyle-orientierte Werbung, die mit Themen wie «Freundschaft», «soziale Akzeptanz» oder «Partystimmung» arbeite, gerade bei Jugendlichen gut ankomme. Deshalb ist Dobler der Meinung, «dass nicht nur für Spirituosen, sondern auch für fermentierte Alkoholika nur produktorientiert geworben werden dürfte».
Heuchlerisches Angebot
Es ist also etwas heuchlerisch eine Biermarke anzubieten, die nicht nur im süssen Geschmack, sondern auch werbemässig auf Junge abzielt. «Wir gehen nicht davon aus, dass Jugendliche unter 16 Jahren genau zu diesem Produkt greifen», so Coop-Sprecherin Edoes.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kämpft insbesondere mit einer Sensibilierungs-Kampagne gegen das positive Image des Alkoholkonsums. Auf Plakaten wird Besoffenheit als «uncool» dargestellt: Man komme deswegen nicht in Discos rein und habe beim Flirten keine Chance, so die Message.
Angesichts der Marketing-Strategien der Alkoholindustrie scheint das ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. «Solange die rechtlichen Grundlagen eingehalten werden, kann gegen solche Kampagnen nichts eingewendet werden», sagt Anne Levy, Leiterin der Sektion Alkohol im BAG. «Es wird an die Selbstverantwortung der Unternehmen appelliert.»
swissinfo, Corinne Buchser
Bier und Wein darf nicht an unter 16-Jährige abgegeben werden, gebrannte Wasser (Spirituosen, Liköre, Aperitife und Alcopops) nicht an unter 18-Jährige.
Werden die Bestimmungen zum Jugendschutz missachtet, riskieren die Verantwortlichen eine Geldbusse oder ein Strafverfahren.
Testkäufe mit Jugendlichen zeigen, dass die Vorschriften zum Jugendschutz noch immer ungenügend eingehalten werden.
Gemäss sfa werden täglich etwa drei bis vier Jugendliche wegen «Koma-Saufen» in Spitäler gebracht. Ausserdem ist bei Jugendlichen die Trunkenheit für einen nicht unerheblichen Teil aller Unfälle und Gewalttaten verantwortlich.
In der Schweiz ist der Verkauf von Alcopops an unter 18-Jährige seit 1997 verboten (Alkoholgesetz). Seit 2004 wurden die Alcopops zudem einer hohen Sondersteuer unterstellt.
Innerhalb der letzten Jahre haben die Alcopops das Konsumverhalten von Jugendlichen beeinflusst. Sie sprechen durch ihre Aufmachung und ihren süssen Geschmack ein junges Publikum an. Auch sind sie gemäss sfa vor allem bei Mädchen und jungen Frauen beliebt.
Seit einiger Zeit kommen neue alkoholische Mischgetränke auf den Markt. Diese enthalten im Gegensatz zu den herkömmlichen Alcopops keine Spirituosen, sondern werden auf der Grundlage von fermentierten Getränken wie Wein, Bier oder Cidre hergestellt. Sie dürfen damit an Jugendliche ab 16 Jahren abgegeben werden.
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