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Liquidation von Thuner Bank abgeschlossen

"Schwarzer Oktober": 1991 belagerten geprellte Sparer die Spar- und Leihkasse Thun. Keystone

14 Jahre nach dem Crash der Spar- und Leihkasse Thun (SLT) ist es definitiv: Über 6000 Sparer müssen über einen Drittel ihrer Guthaben abschreiben.

Die Pleite führte indes zu einer Flurbereinigung im Regionalbanken-Sektor, einem neuen Banken-Insolvenzrecht und einem besseren Kundenschutz.

Die Nachricht von der Pleite einer Schweizer Bank hatte sich im Oktober 1991 wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Bilder von wütenden und verzweifelten Kleinsparern, die sich in Thun vor den SLT-Schaltern drängten, um ihr sauer Erspartes zu retten, gingen um die ganze Welt.

Was damals viele ahnten, ist 14 Jahre später längst zur Gewissheit geworden. Die Kleinsparer müssen einen Teil ihres Geldes, total sind es 223 Mio. Franken, abschreiben. Insgesamt erhielten sie eine Dividende von 60,7% auf ihren ursprünglichen Guthaben, wie die Liquidatoren am Mittwoch mitteilten.

Seit dem Zusammenbruch des Finanzinstituts sind insgesamt 899 Mio. an die Gläubiger zurückbezahlt worden. Die Abschlusszahlung erfolgte Mitte Dezember 2005.

Heilsamer Schock

So schlimm die Pleite für die geprellten Kunden auch war und immer noch ist, so hatte sie dennoch ihr Gutes: Der Zusammenbruch löste eine Flurbereinigung im Regionalbanken-Sektor aus, führte zu einem neuen Banken-Insolvenzrecht und einem besseren Einlegerschutz.

Im ehemals überdimensionierten Schweizer Regionalbanken-Sektor hat sich die Zahl der Institute seit 1990 von 204 auf weniger als die Hälfte verringert: Ende 2004 gab es in der Schweiz noch 83 Regionalbanken. Zudem stellte der Regionalbankenverband (RBA Holding) ein Beobachtungs- und Sicherheitsnetz auf, um in Problemfällen rechtzeitig reagieren zu können.

Die SLT-Pleite löste aber auch gesetzgeberische Aktivitäten aus. Mitte 2004 traten neue Bestimmungen zur Bankensanierung, zur Bankenliquidation und zum Einlegerschutz in Kraft. Kleinstgläubiger haben demnach ein Superprivileg, indem ihre Forderungen von bis zu 5000 Franken bei einer Liquidation vor allen anderen Gläubigern befriedigt werden.

Zudem müssen die privilegierten Einlagen bis zu einem Betrag von vier Mrd. Franken geschützt werden, viermal mehr als vor der Revision des Bankengesetzes. Die Banken sind verpflichtet, die Hälfte des Betrags mit zusätzlichen liquiden Mitteln zu unterlegen.

Wirksame Schutzmechanismen

Experten äusserten sich am Mittwoch zufrieden darüber, wie die Bankenbranche den Zusammenbruch der Spar- und Leihkasse Thun (SLT) 1991 bewältigt hat.

«Die Banken haben ihre Hausaufgaben gemacht», sagte Hans Geiger, Professor am Institut für schweizerisches Bankenwesen der Universität Zürich. Als «herausragende Leistung» bezeichnet Geiger die Gründung der RBA-Holding Mitte der 1990er-Jahre.

In der RBA-Gruppe hätten die Institute «in einem vernünftigen Rahmen und ohne weitere Verluste überlebt». Der Zusammenschluss habe auch eine «geordnete Konsolidierung» der Branche ermöglicht.

«Die Regionalbanken haben mit der Bildung der RBA-Gruppe einen grossen Teil ihrer strukturellen Schwächen beheben können», sagte auch Beat Bernet, Professor an der Universität St. Gallen (HSG).

Gemeinsame Haftung

Wegen der unterschiedlichen Bedürfnisse der kleinen, mittleren und grossen Banken hat sich die RBA-Holding inzwischen eine neue Struktur gegeben. So haben sich die mittelgrossen Institute zur Clientis-Gruppe vereint.

Die Clientis-Banken sind rechtlich unabhängig, sie haften aber gemeinsam als Risikoverbund. «Einen Verlust in der Grössenordnung der Spar- und Leihkasse Thun könnten sie absorbieren», zeigte sich Hans Geiger überzeugt.

Neben der RBA-Holding haben sich mehrere Regionalbanken 2002 zur Valiant-Gruppe formiert. Daneben gibt es nach wie vor eine Reihe selbstständiger Regionalbanken ohne formelle gegenseitige Beistandspflicht.

Selbst wenn eine dieser unabhängigen Banken zusammenbrechen würde, wären die Konsequenzen nicht mehr so gravierend wie im Fall der SLT. «Die Bankengemeinschaft würde heute anders reagieren als bei der SLT-Pleite», sagt Geiger. «Sei es eine Gross-oder Kantonalbank, sei es die Raiffeisen-Gruppe: Jemand würde bestimmt einspringen.»

Auch Bernet zeigt sich zuversichtlich: «Natürlich kann man nie ausschliessen, dass eine Bank – nicht nur eine Regionalbank – in Schieflage gerät. Aber die Folgen für die Kunden wären heute weniger dramatisch.»

Schärfere Aufsicht

Beim Risikomanagement seien ebenfalls grosse Fortschritte erzielt worden. Schliesslich werde das Kreditmanagement heute auch bei kleinen Banken sehr professionell abgewickelt, fand Bernet.

Eine Schlüsselrolle spielt laut Bernet die Eidgenössische Bankenkommission (EBK): «Heute übt die EBK gerade auf kleinere Banken zweifellos ein deutlich strengeres Regime aus. Man gerät sehr viel rascher auf die ominöse Watch-List als vor 14 Jahren. Und das ist gut so.»

swissinfo und Agenturen

Am 3. Oktober 1991 schloss die Spar- und Leihkasse Thun auf Weisung der Eidgenössischen Bankenkommission ihre Schalter.
Die SLT hatte zu wenig Eigenmittel, nachdem sie allzu freigiebig Kredite gewährt hatte, ohne die Risiken genügend zu prüfen.
Die Leidtragenden waren die rund 6300 Sparerinnen und Sparer. Sie erhalten nach Abschluss der Liquidation nur gut 60% ihrer Guthaben zurück. Rund 223 Mio. müssen sie sich ans Bein streichen.
1999 wurde der Kreditchef der SLT freigesprochen.
Anfang 2006, 14 Jahre nach der Schliessung, ist die Liquiditation der SLT abgeschlossen.

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