Madoff-Skandal erreicht Finanzplatz Schweiz
Vom mutmasslichen Betrugs-Skandal um Bernhard Madoff, dem ehemaligen Chef der US-Technologiebörse Nasdaq, scheinen nicht nur Kunden der Genfer Privatbank Bénédict Hentsch, sondern auch solche der Luzerner Privatbank Reichmuth betroffen zu sein.
Der New Yorker Financier Madoff war am vergangenen Donnerstag von der US-Bundespolizei FBI unter Betrugsverdacht verhaftet worden.
Am Samstag schätzte die Westschweizer Tageszeitung Le Temps, dass auf dem Finanzplatz Genf wegen der Betrugsaffäre bis 5 Mrd. Franken Verluste anfallen könnten.
Am Sonntag hiess es, dass durch die Machenschaften Madoffs auch Kunden in der Deutschschweiz betroffen wären.
Am Wochenende legten einzelne Banken ihr für Kunden eingegangenes Engagement offen. So sei ihr Anlagevehikel «Reichmuth Matterhorn» betroffen, teilte zum Beispiel das Luzerner Privatbank- und Vermögensverwaltungs-Institut am Wochenende auf seiner Homepage mit.
Dieser Dachfonds hat in Hedge-Fonds investiert, die mit Madoff zusammen gearbeitet hatten. Bei einem Totalverlust würde Reichmuth Matterhorn etwa 8,6% an Performance einbüssen.
Der 70-jährige Trader Madoff sei ein früherer Verwaltungsrats-Vorsitzender der US-Technologiebörse Nasdaq, schreibt Reichmuth & Co auf ihrer Homepage. Er sei auch Gründer von Bernhard L. Madoff Investment Securities LLC, einem Wertschriftenhaus.
Die Homepage beruft sich auf Pressemeldungen, wonach Madoff die Investoren «mittels eines kriminellen Ponzi-Schemas betrogen» habe (Ponzi-Schema heisst Schneeballsystem).
Die Finanzkrise habe Madoffs jahrelange Vorgaukelei gestoppt, schreibt die Zeitung Sonntag.
400 Mio. Franken betroffen
Die betroffenen Fonds machten rund 3,5% der verwalteten Vermögen in Höhe von etwa 11 Mrd. Franken aus, teilte die Luzerner Privatbank mit. Damit wären fast 400 Millionen Fr. Kundengelder betroffen. Die Bankbilanz sei vom Schaden jedoch nicht belastet.
Laut der Privatbank ist der Vorfall «unerklärlich»: Mehrere renommierte Wirtschaftsprüfungs-Institute wie Ernst & Young, PWC, KPMG und BDO hätten die Jahresabschlüsse unter die Lupe genommen. «Auch die von uns periodisch nachvollzogenen Transaktionen waren plausibel. Vor Betrug ist man nie gefeit.»
Laut Medienberichten vom Wochenende sind weitere Schweizer Banken und Hedge-Fonds vom Skandal betroffen. Bereits vorher hatte die Genfer Privatbank Bénédict Hentsch bekannt gegeben, dass sie 56 Mio. Franken in Madoff-Anlagen investiert hätte, was unter 5% der verwalteten Vermögen entspreche.
Auch der Zürcher NPB Neue Privat Bank drohen Millionenverluste. Sie hat laut einer Mitteilung vom Sonntag rund 5 Mio. Dollar und damit weniger als ein Prozent der verwalteten Kundenvermögen in ein Zertifikat investiert, das sich auf einen von Madoff verwalteten Hedge-Fonds bezieht.
Überraschte EBK
Nächste Woche werde sich die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) prioritär mit den Fonds von Madoff befassen, sagt EBK-Sprecher Alain Bichsel. Bisher habe es nur Medienberichte darüber gegeben.
Die EBK werde sich einen Überblick darüber verschaffen, wie stark Privatbanken von den Verlusten betroffen seien.
Auch die Schweizerische Bankiervereinigung verfolgt die Entwicklung. Sie wollte aber vorerst nicht dazu Stellung nehmen.
Obwohl die US-Finanzaufsicht SEC Madoffs Firma schon 1992 zum ersten Mal direkt auf den Verdacht eines Schneeball-Systems untersuchte und 2005 sowie im vergangenen Jahr weitere Kontrollen folgten, beruhen die bisherigen Vorwürfe der SEC und der Bundespolizei FBI fast ausschliesslich auf den Aussagen des mutmasslichen Milliardenbetrügers.
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EBK
Mund-zu-Mund-Propaganda
Gier und Vertrauen waren die Waffen, mit denen Madoff in den vergangenen Jahren seine Anleger eroberte. Die Milliarden kamen vor allem von den Hedge-Fonds.
Er galt aber auch als Geheimtip in den Golf- und Country-Clubs von Florida. Kunden gewannen neue Kunden – und verwiesen dabei auf ihre eigenen Gewinne als bestes Argument. Laut Medienberichten war es so etwas wie ein exklusiver Club, bei dem man stolz war, dazuzugehören.
swissinfo, Agenturen, Alexander Künzle
Mit einem gigantischen so genannten «Schneeball-System» und vorgegaukelten Renditen hatte Madoff Kunden um bis zu 50 Mrd. Dollar betrogen.
Um alte Kunden auszuzahlen resp. eine Rendite des Fonds vorzugaukeln, wurde das Geld neu zufliessender Kunden verwendet.
Das Geld ist laut Madoff verloren.
Der Dach-Hedge-Fond der Privatbank Reichmuth, Luzern, heisst «Reichmuth Matterhorn» und partizipiert an vier Hedge-Fonds.
Diese hatten Beziehungen zu Madoff.
Reichmuth Matterhorn verwaltet Kundengelder für 4,6 Mrd. Franken und gilt als ein erfolgreicher Dach-Hedge-Fond.
Die Luzerner Privatbank Reichmuth verwaltet rund 11 Mrd. Franken an Kundengeldern – private und institutionelle Anleger (wie Pensionskassen).
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