Mächtige Bankenlobby feiert 100-jähriges Bestehen
Die Geschichte des erfolgreichen Schweizer Finanzplatzes ist ein Stück weit auch jene der Schweizerischen Bankiervereinigung. Sie wird heuer 100-jährig. Ihre Macht und Einflussnahme zugunsten der Banken wird nicht überall geschätzt.
«Der Finanzplatz ist für den Wohlstand in der Schweiz der bedeutendste Sektor. Er erwirtschaftet gut 12% des Bruttoinlandprodukts und bietet 195’000 gut qualifizierte Arbeitsplätze», erklärt die Bankiervereinigung auf ihrer Homepage.
Die 1912 in Basel als Interessenvertretung des Bankengewerbes gegründete Vereinigung nennt sich seit 2001 auch «SwissBanking», um sich in einem «modernen, internationalen Kleid zu präsentieren».
Am Donnerstag stellte SwissBanking ihre Jubiläumsschrift vor. Verfasst hat sie der Basler Historiker Robert U. Vogler. Er war von 2003 bis 2009 als Leiter des Historical Research bei der Grossbank UBS tätig.
Immer wieder Bankgeheimnis
Ein wichtiges Geschäft in der Geschichte der Bankiervereinigung war laut Vogler die Einführung des Bankengesetzes von 1935. Anfänglich habe sie sich vehement dagegen gewehrt. Auslöser für diese neue Bankenaufsicht sei die Schweizerische Volksbank gewesen, die sich auf riskante Kreditgeschäfte in Deutschland eingelassen hatte und mit staatlicher Hilfe gerettet werden musste.
Auf einem Nebenschauplatz sei es gelungen, das bis anhin ungeschriebene Bankgeheimnis gesetzlich zu regeln. In politischen Diskussionen, schreibt der Basler Historiker, habe das Bankgeheimnis damals eine marginale Rolle gespielt – was aus heutiger Sicht überrasche.
Tatsächlich zieht sich dieses wie ein roter Faden durch die Geschichte der Bankiervereinigung. Die Bankenlobby musste es nämlich schon damals, aber auch später immer wieder gegen Angriffe aus dem In- und Ausland verteidigen.
Die Auseinandersetzungen mit den Steuerbehörden Frankreichs und der USA zum Beispiel hätten die Bankiervereinigung jahrelang und intensiv beschäftigt, aber sich eher im Hintergrund abgespielt, schreibt Vogler.
Erwähnt wird in der Jubiläumsschrift die sogenannte Pariser Affäre. «Zwei Vertreter der Basler Handelsbank waren bei einem Treffen mit französischen Staatsbürgern verhaftet worden, weil sie diesen bei der Umgehung der französischen Couponsteuern behilflich gewesen waren.»
Auch das amerikanische Schatzamt habe die Schweizer Banken zur Nachholung allfälliger nicht abgegebener Steuererklärungen für die Jahre 1929 bis 1933 aufgefordert und Angaben über Transaktionen verlangt.
Die Jubiläumsschrift erwähnt auch, dass die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg erfolglos «die Aufhebung des Bankgeheimnisses durchsetzen wollten».
Bankeninitiative verhindert
Ein Kapitel widmet Robert U. Vogler auch der Bankeninitiative, die 1978 von der politischen Linken «gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses» lanciert worden war.
Drittweltorganisationen hätten die Banken im Visier gehabt und «die unter dem Schutz des Bankgeheimnisses in hoher Milliardenzahl auf Schweizer Banken vermuteten Fluchtgelder aus Entwicklungsländern bekämpft», schreibt Vogler. «Unter professioneller Führung der Bankiervereinigung wurde die Initiative erfolgreich bekämpft.»
«Nur versteuerte Gelder»
Früher als andere Finanzplatzakteure habe SwissBanking ab 2007 erkannt, dass «einzig die Verwaltung von versteuerten Geldern ausländischer Kunden zukunftsweisend sein könne».
Als Lösungsansatz favorisieren die Bankenvertreter seither «Abkommen mit ausländischen Staaten, die es ermöglichen, bisher unversteuerte Vermögenswerte auf Schweizer Banken mit einer Abgeltungssteuer unter Wahrung der Privatsphäre zu regularisieren».
Kritik an der Jubiläumsschrift
«Die Fakten sind in dieser Jubiläumsschrift korrekt wiedergegeben», sagt der Historiker Hans Ulrich Jost gegenüber swissinfo.ch, auch jene über die Rolle des Bankgeheimnisses.
«Dass der Finanzplatz im 20. Jahrhundert derart wachsen konnte, liegt im Wesentlichen daran, dass die Schweiz den Steuerflüchtlingen eine günstige Basis schaffte für die Auslagerung ihrer Vermögen», sagt der emeritierte Professor an der Universität Lausanne.
Das Bankgeheimnis sei dabei seit den 1930er-Jahren bis heute ein wesentlicher Bestandteil dafür gewesen. Sogar der neue UBS-Chef Sergio Ermotti habe kürzlich in einem Zeitungsinterview gesagt, dass die Schweiz mit Schwarzgeld reich geworden sei.
Deshalb sei das Bankgeheimnis auch so vehement verteidigt worden, sagt Jost. «Als vernünftige Leute gemerkt hatten, dass das Bankgeheimnis so nicht haltbar ist», habe der damalige Finanzminister und spätere UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger immer noch erklärt, es sei nicht verhandelbar. «Und sein Nachfolger Hans-Rudolf Merz hat es ihm später nachgesagt.»
«Kein Wort über die Macht»
Kritik übt der Lausanner Historiker an seinem Basler Kollegen vor allem, weil dieser in der Jubiläumsschrift kein Wort über die Macht und die politischen Druckversuche der Bankenlobby geschrieben habe.
Historische Dokumente belegten aber, dass die Bankiervereinigung vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg diskret zwar, aber massiv in die Politik eingegriffen habe. «Wenn nötig wurden Bundesräte zitiert.»
Jost beruft sich auf Quellen, die er als Präsident der «Kommission für diplomatische Dokumente der Schweiz (DDS)» sehr gut kenne. «Es ist unheimlich, wie die Bankiers und die Administration manchmal Hand in Hand arbeiteten und dies nachher als schweizerische Aussenpolitik bezeichneten», sagt er und verweist auf die Kreditpolitik gegenüber anderen Staaten.
Dass sich die Schweizer Banken in Zukunft auf versteuerte Vermögen konzentrieren wollen, ist für den Lausanner Historiker eine geschickte Strategie auf zwei Schienen: «Auf der einen zieht man eine Geschäftspraxis auf, welche die Kunden auffordert, ihre Einlagen zu versteuern, auf der anderen schafft man neue Produkte für ausländische Kunden, die es erlauben, Geld in der Schweiz anzulegen, ohne dass die Namen ans Ausland geliefert werden.»
Die Schweizerische Bankiervereinigung, heute nennt sie sich auch SwissBanking, wurde 1912 gegründet. An der Gründungsversammlung
im Saal des Grossen Rates von Basel nahmen 316 Vertreter von 159 Bankhäusern
teil.
Heute zählt die Vereinigung rund 350 Mitgliedsinstitute (dazu kommen 350
Raiffeisenbanken) und rund 17’700 Einzelmitglieder. In der Geschäftsstelle mit Büros in Basel, Zürich und Bern sind 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
In insgesamt elf
Kommissionen und ihren Arbeitsgruppen werden die wichtigsten Fragen und Themen bearbeitet. In diesen Gremien sind 583 Vertreter der verschiedenen Bankengruppen und die
Spezialisten der Bankiervereinigung tätig.
Präsident des Verwaltungsrates ist seit September 2009 Patrick Odier, Senior Partner Lombard Odier Darier Hentsch & Cie.
Delegierter des Verwaltungsrates und Vorsitzender der Geschäftsleitung ist seit September 2010 Claude-Alain Margelisch.
Neben SwissBanking existieren spezialisierte Bankverbände, v.a. für die Kantonalbanken, Regionalbanken, Auslandbanken und Privatbanken.
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