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Managerlöhne verunsichern auch die Wirtschaft

Dank Spitzensalären: Boom bei Luxusprodukten. Keystone

Entsprechen die Millionen-Saläre der Leistung und dem Marktwert, oder betreiben die Top-Manager modernes Raubrittertum? – Mit dieser Frage beschäftigte sich das Open Forum in Davos.

Die Schere zwischen bescheidenen Löhnen und Spitzenlöhnen hat sich in den vergangenen Jahren auch bei Schweizer Unternehmen weit geöffnet.

«Es ist kein Neid-Problem und damit kein sozialdemokratisches Thema mehr. Auch Exponenten bürgerlicher Parteien und Unternehmer sind damit nicht mehr einverstanden», kritisierte der Chefredaktor der Wirtschaftszeitung Cash, Dirk Schütz, die Spitzenlöhne von Schweizer Topmanagern.

Der Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen, Peter Ulrich, bilanzierte: «Wir riskieren sozial unruhigere Zeiten. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich für dumm verkauft. Sie können sehr wohl unterscheiden zwischen Effizienz und Gerechtigkeit.»

Dem hielt der Headhunter Björn Johansson entgegen: «Es gibt einen Markt für Top-Führungskräfte. Nur ganz wenige könnten bei Novartis für Daniel Vasella einspringen.» Das rechtfertige einen Lohn von mehr als 30 Mio. Franken jährlich.

Die Saläre der Topmanager von börsenkotierten Unternehmen sind in den vergangenen sieben Jahren sprunghaft explodiert. Laut verschiedenen Studien von weniger als 4 Millionen in den 1990er-Jahren auf bis zu 40 Millionen.

Verunsicherte Wirtschaftskreise

Die Reallöhne der Angestellten haben in der gleichen Zeitspanne mehr oder weniger stagniert. «Die Schere innerhalb derselben Firma hat sich weit geöffnet. Früher war der Lohn eines CEO 20 bis 30 Mal höher als der eines einfachen Angestellten.»

Heute betrage der Faktor zwischen 400 und 500. «Das ist Diebstahl an den Unternehmen, modernes Raubrittertum und absolut krank», beanstandete Thomas Minder.

Minder, Chef und Inhaber einer Kosmetikfirma, hat eine Volksinitiative «gegen die Abzockerei» lanciert. Sie will den Aktionären kotierter Firmen das Recht geben, die Bezüge der Top-Manager und Verwaltungsräte an der Generalversammlung festzulegen – pauschal fürs ganze Gremium.

Das Anliegen ist populär und sorgt in Wirtschaftskreisen für Verunsicherung. So bezeichnete Arbeitgeber-Präsident Rudolf Stämpfli vor wenigen Tagen die Spitzensaläre als «echtes Akzeptanzproblem» in breitesten Kreisen.

«30 Millionen kann man nicht verdienen»

Ulrich Grete, Chef des AHV-Ausgleichsfonds, bezeichnete in der Diskussion die Volksinitiative als «Humbug», denn für die Lohnpolitik auf der obersten Führungsebene sei der Verwaltungsrat zuständig. Sie gehöre nicht in die Bundesverfassung. «Aber das Unbehagen in der Bevölkerung ist sehr gross. 30 Millionen kann man nicht verdienen, sondern höchstens entgegennehmen.»

Headhunter Johansson verteidigte die Top-Saläre mit den Erfolgen der Unternehmen. «Die UBS ist heute eine der besten Banken der Welt, Credit Suisse hat den Turnaround geschafft.» Und sowieso sei das Problem weniger relevant, als der Umweltschutz oder Aids.

Peter Ulrich plädierte für neue Standards im Aktienrecht. Die Aktionäre sollen einen Maximalfaktor für die Lohnschere einführen können. So könne das Topmanagement von erfolgreichen Firmen seine Bezüge weiter erhöhen, müsse das aber bei allen Löhnen tun. «Dann hätten wenigstens alle etwas davon.»

swissinfo, Andreas Keiser, Davos

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Das Open Forum in Davos ist eine gemeinsame Veranstaltung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und des World Economic Forums (WEF).

Das Forum findet 2007 zum 5. Mal statt und besteht aus sieben Podiums-Diskussionen zu Themen wie Entwicklungshilfe, Energieverbrauch, mulikulturelle Gesellschaft, Religionen.

Im Gegensatz zum von Polizei- und Armeekräften hermetisch abgeschirmten WEF ist das Open Forum öffentlich.

Das WEF reagierte im Jahr 2002 mit dem Open Forum auf die Demonstrationen von Globalisierungs-Kritikern und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) und deren Vorwurf, es sei das «Hochamt des Kapitalismus».

Die Idee des Open Forums ist es, auch Stimmen der Globalisierungs-Kritiker ins WEF einzubinden.

Das diesjährige WEF findet vom 24. bis 28. Januar in Davos statt.

An der 37. Auflage nehmen 2400 Personen aus 90 Ländern teil, die Hälfte kommt aus der Wirtschaft.

Es werden 24 Staats- und Regierungschefs erwartet, 85 Ministerinnen und Minister, Führungspersönlichkeiten mehrerer internationaler Organisationen und über 480 Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft.

Auch vier Mitglieder der Schweizer Regierung sind mit von der Partie.

Unter dem Titel «Verschiebung des Machtgleichgewichts» werden die Entscheidungsträger über Wirtschaft, Geopolitik, Unternehmertum, Technologie und Gesellschaft diskutieren.

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