Mehr Wettbewerb auf dem Gesundheitsmarkt
Mit wettbewerbsfördernden Massnahmen zu Kostensenkungen: Dies schlägt die Kommission für Konjunkturfragen als Kur für das teure Schweizer Gesundheitswesen vor.
Angesichts der stetig steigenden und vergleichsweise hohen Kosten sei die Politik gefordert, schreibt das Gremium in ihrem Jahresbericht.
Die Kommission für Konjunkturfragen (KfK) mischt sich in die Schweizer Gesundheitspolitik ein. Angesichts der stetig steigenden und vergleichsweise sehr hohen Kosten sei die Politik gefordert. Es stelle sich die Frage einer Rationierung im Gesundheitswesen.
In ihrem fünften Jahresbericht beurteilt die 17-köpfige, breit abgestützte beratende Kommission des Bundesrates nicht nur die wirtschaftliche Situation der Schweiz. Schwergewichtig widmet sie sich den Problemen und der Reform des schweizerischen Gesundheitswesens.
Gleiche Leistung mit weniger Geld
In ihrem am Donnerstag in Bern vorgestellten Bericht stellt die Kommission fest, dass die Schweiz zwar ein sehr hochwertiges, aber auch ein sehr teures Gesundheitssystem hat: «Man könnte mit geringeren Ausgaben den gleichen Standard erreichen», lautet das Fazit. Letzte Woche waren die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem internationalen Vergleich zum selben Schluss gekommen.
Die Kommission rechnet damit, dass angesichts des technischen Fortschritts in der Medizin und der Alterung der Bevölkerung der Anteil der Gesundheitsausgaben am Einkommen weiter steigen wird. Auf die Dauer könne sich die Schweiz der Notwendigkeit einer Rationierung im Gesundheitswesen nicht entziehen.
Mehr Vertrags-Freiheit für die Krankenkassen
Der Bericht enthält ein Vorschlags-Bündel von Massnahmen zur Kostendämpfung und zur Verstärkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen, die zum grossen Teil schon im Parlament hängig oder verwirklicht sind.
Als «vielleicht wichtigste» Massnahme wird die Aufhebung des Kontrahierungszwangs in der Krankenversicherung bezeichnet (Vertragszwang, das heisst der Zwang, mit allen Ärzten, auch den teuren und/oder schlechten, zusammenarbeiten zu müssen).
Den Krankenkassen sollte es künftig freigestellt werden, nur mit einer Auswahl von Ärztinnen und Ärzten oder Spitälern Verträge abzuschliessen. Zumindest sollte es ihnen möglich sein, neben Verträgen mit freier Arztwahl auch solche mit eingeschränkter Arzt- oder Klinikwahl anzubieten.
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Krankenversicherung
Risikoausgleich verfeinern
Zudem sollte der Risikoausgleich unter den Krankenkassen nicht nur endgültig festgeschrieben, sondern auch verfeinert werden. Die Kassen sollten mehr Möglichkeiten erhalten, den Selbstbehalt und die Franchisen auszugestalten.
Insbesondere sollten Ärztenetzwerke mit günstigeren Prämien attraktiver gemacht werden.
Die Spitäler sollten nach Meinung der Kommission von der Taggeld- zur Fallpauschale übergehen. Längerfristig sollte die duale Spitalfinanzierung abgeschafft werden, so dass die Krankenhäuser ausschliesslich über die Kassen bezahlt und nicht mehr von den Kantonen mitfinanziert würden (also von zwei Finanzierungsquellen abhängen).
Zulassung von Parallelimporten
Im Sektor Medikamente verlangt die Kommission eine regelmässige Preiskontrolle. Darüber hinaus sollte «sorgfältig» die Zulassung von Parallelimporten aus der EU geprüft werden. Daraus könnte sich ein erheblicher Druck auf die Medikamentenpreise in der Schweiz ergeben.
Die Kommission in ihrer Gesamtheit trägt die «Grundtendenz» dieser Massnahmen mit. Eine ideale Lösung gebe es allerdings nicht. Es komme vielmehr darauf an, durch eine Kombination von Elementen des Wettbewerbs gepaart mit intelligenter staatlicher Regulierung eine möglichst gute Lösung zu realisieren.
Anderer Weg: Einheitskrankenkasse
Schweizer Ärzte- und Pflegefachverbände unterstützen das Volksbegehren für eine Einheitskrankenkasse. Die heutige Konkurrenz der Krankenkassen führe zu negativen Effekten, weil die Kassen nur an gesunden Versicherten interessiert seien, argumentierten Vertreter am Donnerstag in Bern.
Der Wettbewerb zwischen den Kassen in der Grundversicherung sei eine Farce und beschränke sich auf die Jagd nach so genannten guten Risiken, sagte Maria Roth-Bernasconi, sozialdemokratische Genfer Nationalrätin, Juristin und Pflegefachfrau.
Über die Volksinitiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse» stimmen Volk und Stände am 11. März 2007 ab. Die Initiative eines linken Bündnisses aus der Westschweiz verlangt an Stelle der 85 Krankenkassen in der obligatorischen Grundversicherung eine einzige Bundeskrankenkasse.
swissinfo und Agenturen
Die Schweiz verwendet 11,5% ihres Bruttoinland-Produktes (BIP) für das Gesundheitswesen.
2003 haben die Kosten die 49-Mrd.-Fr.-Grenze überschritten.
In den OECD-Ländern ist der BIP-Anteil am Gesundheitswesen 8,8%.
Zwischen 1990 und 2004 sind die Gesundheitskosten jährlich um durchschnittlich 2,4% angestiegen, in den anderen OECD-Ländern um 1,5%.
In der Schweiz gibt es 26 kantonale Systeme mit verschiedenen Unkostenprofilen, Angeboten und Modellen.
So kann zum Beispiel jeder Kanton für sich seine Gesundheitsdienste (Spitäler, Altersheime) planen – oder diese Kompetenzen an die Gemeinden delegieren. Dies führt zu einer grossen Bandbreite im Bereich der öffentlichen Gesundheitsausgaben und zu Doppelspurigkeiten.
Beim Versicherungssystem hat sich die Schweiz weder wie Italien oder Grossbritannien für ein nationales System entschieden, noch wie Frankreich oder Deutschland für ein allumfassendes Versicherungssystem.
Das Schweizer Modell basiert auf einer obligatorischen Versicherung im Basisbereich, die jedoch dem Wettbewerb unterworfen ist.
Die Krankenversicherung deckt einen identischen Katalog von Leistungen für alle, wird aber von zahlreichen (Kranken-)Versicherern in Konkurrenz untereinander angeboten
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