Merz reagiert mit Reformvorschlag auf EU-Steuerstreit
Bundesrat Hans-Rudolf Merz will zwar weiterhin nicht mit der Europäischen Union über den Steuerstreit verhandeln. Er kündigt jedoch eine neue Reform der Unternehmensbesteuerung an.
Mit einer Senkung der Gewinnsteuern will der Finanzminister der EU den Wind aus den Segeln nehmen.
Nur drei Tage nach dem Entscheid der EU-Fachdiplomaten für ein Verhandlungsmandat mit der Schweiz im Steuerstreit zeigt Hans-Rudolf Merz einen möglichen Ausweg auf.
Mit einer Reform der Unternehmensbesteuerung könnte die Schweiz die Europäische Union (EU) in Streit um die unterschiedliche Besteuerung von Gewinnen inländischer und ausländischer Herkunft besänftigen.
«Die Steuerpolitik ist eine permanente Baustelle», sagte der Finanzminister in einem am Samstag veröffentlichten Interview der Neuen Zürcher Zeitung. «Ohne Hektik» will er eine nächste Unternehmenssteuerreform angehen.
«Das Ziel dürfte sein, die Gewinnsteuern zu senken. Nicht wegen der Forderung der EU-Kommission, sondern weil die Gewinnsteuern in anderen Ländern in den letzten Jahren markant gesenkt wurden», erklärte Merz.
«Eigentor» für EU
Die EU sei mit der Forderung nach Verhandlungen über die Abschaffung des Holdingprivilegs daran, ein Eigentor zu schiessen, sagte Merz und verwies auf die Möglichkeit einer generellen Senkung der Gewinnsteuer.
«Eine autonom durchgeführte Revision, welche das Steuerklima in der Schweiz verbessert, dürfte kaum im Sinne der EU-Politiker sein, denen unsere heutige Unternehmensbesteuerung ein Dorn im Auge ist», sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).
Konkrete Pläne gibt es zwar noch nicht, doch dürfte laut Merz das Ziel einer nächsten Steuerreform die Reduktion der Gewinnsteuern sein.
Zur Frage, ob dabei im Gegenzug die von der EU kritisierte Steuerpraxis zu Gunsten von Holdinggesellschaften in den Kantonen abgeschafft würde, sagte Merz: «nicht unbedingt». Denn die Schweiz sei in Steuerfragen souverän.
Genügend Entgegenkommen?
In den informellen Gesprächen mit vielen EU-Finanzministern habe er aber Hinweise erhalten, dass der EU die Aussicht auf eine autonome Steuerreform in der Schweiz genügen werde.
Der von Merz angedeutete Ausweg über eine autonome Steuerreform der Schweiz, die unter dem Strich den Steuerstandort Schweiz noch attraktiver machen würde, ist in den vergangenen Tagen auch von Exponenten des Think Tanks der Wirtschaft, Avenir Suisse, ins Spiel gebracht worden.
Merz glaubt auch nicht, dass die EU im Steuerstreit mit der Schweiz «bis zum Letzten gehen wird».
Ob diese Steuersenkung mit einer Angleichung der Besteuerung der inländischen und ausländischen Gewinne verbunden werden soll, wie es die EU fordert, liess Merz offen.
Nicht abschaffen
Abschaffen will er die Gewinnsteuern, die etwa 14 Mrd. Franken einbrächten, nicht. «Die totale Abschaffung würde der Bund nicht verkraften, und sie wäre auch nicht gerecht.» Kompensieren will der Finanzminister die Ertragseinbussen durch Sparmassnahmen und nicht über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Er nannte ein Sparpotenzial von 8 Mrd. Franken bei der gegenwärtig vorbereiteten Aufgabenüberprüfung.
Während Merz bereits die nächste Reform ankündigt, ist die Unternehmenssteuerreform II noch nicht definitiv unter Dach: Das Parlament verabschiedete die Vorlage zwar im März, von sozialdemokratischer Seite wurde jedoch das Referendum ergriffen.
swissinfo und Agenturen
Für die EU-Kommission stehen die Steuerprivilegien, die gewisse Schweizer Kantone ausländischen Unternehmen gewähren, im Widerspruch zu den Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der EU.
Unfair findet die europäische Exekutive die Steuerprivilegien, die einige Kantone Unternehmen gewähren, welche bei ihnen den Sitz ihrer Holdings eingerichtet haben, ihre Gewinne jedoch im Ausland realisieren.
Die EU fordert von der Schweiz, diese Steuerpraktiken aufzugeben und sich den EU-Bestimmungen anzupassen.
Artikel 23.iii des Freihandelsabkommens Schweiz-EU von 1972 sagt, «dass jede Hilfestellung der öffentlichen Hand, welche die Konkurrenz unter Unternehmen oder der Produktion von Waren beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, mit dem Geist des Abkommens unvereinbar ist».
Das Abkommen von 1972 regelt ausschliesslich den Handel mit bestimmten Gütern (Industriegütern und Agrarprodukten).
Die Schweiz vertritt die Haltung, dass die Steuervergünstigungen in gewissen Kantonen für Auslandgeschäfte von Holdings, Verwaltungsgesellschaften und gemischen Gesellschaften nicht unter das Freihandelsabkommen mit der EU fallen.
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