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Migranten-Gelder fliessen in die Heimat

Ein Teil des Lohnes schickt der Bauarbeiter vermutlich in seine Heimat. Keystone

Die Gelder, die ausländische Arbeitskräfte in ihre Heimat schicken, sind für die oft schwachen Volkswirtschaften der ärmsten Länder von grosser Bedeutung.

Mit 3 Mrd. Franken gehört die Schweiz zu jenen fünf Staaten, aus denen am meisten solche Gelder in andere Länder überwiesen werden.

Dies geht aus einer Studie der Weltbank hervor, welche die nicht-staatlichen Finanztransfers für 2001 untersucht hatte. Vor der Schweiz rangieren die USA, Saudi-Arabien, Deutschland und Belgien.

Gemäss der Weltbank flossen im Jahr 2001 dank der im Ausland arbeitenden Arbeitskräfte insgesamt 72 Mrd. Dollar (91 Mrd. Franken) über offizielle Kanäle von den reichen in die ärmeren Länder.

Viele der Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland Arbeit gesucht haben, vergessen ihre Familien in der Heimat nicht. Viele senden regelmässig einen Teil ihres Lohnes in die Heimat, zur Unterstützung ihrer Familien, die dort oft in ärmlichen Verhältnissen leben.

Für viele arme Länder stellen diese Gelder eine bedeutende volkswirtschaftliche Stütze dar. Das Geld ist zudem, im Gegensatz zu Krediten oder zu Entwicklungshilfe-Geldern, an keine Bedingungen gebunden.

Wie viel Geld die im Ausland Arbeitenden effektiv nach Hause schicken, ist schwierig zu evaluieren. Man geht von einer weltweiten Gesamtsumme aus, die jährlich mehr als 126 Mrd. Franken beträgt.

Keine breit abgestützten Statistiken

Die Studie der Weltbank berücksichtigt nur Banküberweisungen. Experten gehen davon aus, dass die Migranten auch über andere Wege Geld in ihre Heimat transferieren.

Gemäss der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben die in der Schweiz arbeitenden Migranten und Migrantinnen im Jahr 2002 insgesamt 3 Mrd. Franken in ihre Heimat überwiesen. Die SNB räumt jedoch ein, dass es sich bei dieser Zahl um eine Schätzung handelt.

«Man muss sich im klaren sein, dass dieser Betrag nicht auf einer breit abgestützten statistischen Basis steht», sagt Thomas Schlup von der SNB gegenüber swissinfo. «Das ist auch der Grund dafür, dass die Zahlen nicht nach Ländern aufgeschlüsselt sind.»

Zur Zeit sind in der Schweiz 1,47 Mio. Ausländerinnen und Ausländer registriert. 0,8 Millionen sind in den Arbeitsmarkt integriert.

Die Zahl von 3 Mrd. Franken basiert auf den geschätzten Gesamteinkünften und Ersparnissen der ausländischen Arbeitskräfte. Die SNB nimmt an, dass ausländische Arbeitskräfte das Geld, das sie nicht in der Schweiz ausgeben, in ihr Heimatland überweisen.

Am meisten Geld geht nach Italien

In Ländern wie Tunesien fliessen mehr als die Hälfte der internationalen Zahlungen auf diese Weise ins Land.

Gemäss offiziellen Zahlen leben 4600 Tunesier in der Schweiz. Man geht davon aus, dass viele von ihnen Geld nach Hause schicken.

Die nach Sri Lanka überwiesenen Gelder belaufen sich auf schätzungsweise 1,4 Mrd. Franken. Das entspricht 7% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Gegenwärtig leben 29’000 Menschen aus diesem Inselstaat in der Schweiz.

Der Löwenanteil der Gelder geht jedoch nach Italien und in die Länder des ehemaligen Jugoslawien. Knapp 21% der in der Schweiz registrierten Ausländer stammen aus Italien. Aus dem ehemaligen Jugoslawien sind es knapp 14%.

Kein Kriterium für Höhe der Entwicklungshilfe

Die so in die ärmeren Länder überwiesenen Gelder stellen die offiziellen Entwicklungshilfe (rund 1,5 Mrd. Franken jährlich) in den Schatten.

Walter Hofer, Vize-Leiter der Abteilung Mulilaterale Beziehungen bei der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), räumt gegenüber swissinfo ein, dass Entwicklungsländer und Entwicklungs-Organisationen sich lange nicht bewusst waren, welche Bedeutung diese Überweisungen für die volkswirtschaftliche Entwicklung dieser Länder haben.

Hofer fügte bei, dass die Schweiz dieses Geld nicht in Betracht ziehe, wenn das Budget für die Entwicklungshilfe festgelegt werde: «Das zentrale Kriterium sind die Bedürfnisse der Entwicklungsländer. Dazu kommen Fragen nach der sauberen Verwendung unseres Geldes.»

Weltbank: Tendenz steigend

Die Weltbank ist überzeugt, dass die Summe der von Migranten in die Heimat überwiesenen Gelder in Zukunft noch zunehmen wird. Auch wenn dies für die betroffenen Länder eigentlich gute Neuigkeiten sind, müssen sie doch mit genaueren Überprüfungen der Verwendung der Gelder rechnen.

«Wenn man etwas weiter in die Zukunft blickt, wird es nötig sein, mehr Anreize für die Empfänger-Länder zu schaffen, damit diese auch andere finanzielle Quellen erschliessen. Speziell dann, wenn Entwicklungshilfe-Budgets reduziert und vermehrt als Kredite gesprochen werden», sagt Walter Hofer weiter.

Bereits sind Bestrebungen im Gang, Entwicklungsländer aufzumuntern, neben der Entwicklungshilfe andere Ressourcen, darunter die von Migranten überwiesenen Gelder, besser zu nutzen. Ebenso soll der Geldtransfer vereinfacht werden.

swissinfo, Faryal Mirza
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

800’000 ausländische Arbeitskräfte leben in der Schweiz.
Sie überweisen 3 Mrd. Franken pro Jahr in ihre Heimat.
Schweizer Entwicklungs-Hilfe liegt bei 1,5 Mrd. Franken pro Jahr.

Ausländische Arbeitskräfte senden gemäss der Schweizerischen Nationalbank jährlich 3 Mrd. Franken in ihre Heimatländer.

Die Schweiz gehört weltweit zu den 5 Ländern, aus denen auf diese Weise am meisten Geld in andere Länder überwiesen wird.

Die Nationalbank geht davon aus, dass die Migranten ihren Verdienst, den sie nicht in der Schweiz ausgeben oder sparen, in ihr Heimatland überweisen.

Sie unterstützen damit nicht nur ihre Familien, sondern tragen zur Armuts-Verringerung in ihrer Heimat bei.

Seit den Anschlägen vom 11. September werden auch solche Transfers vermehrt unter die Lupe genommen, um zu verhindern, dass auf diese Art und Weise Gelder an terroristische Kreise gelangen.

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