Milestone-Preis: Quereinstieg ins Entlebuch
Den Milestone Tourismus-Award in der Kategorie Nachwuchspreis geht dieses Jahr an den 31-jährigen Bruno Fläcklin.
Als Kurdirektor der in der Nähe von Luzern gelegenen Region Sörenberg Flühli sorgt er für die touristisch richtige Nutzung des Unesco-Biosphären-Reservats Entlebuch.
In der «Wilder Westen von Luzern» genannten voralpinen Hügel- und Bergregion liegt das Entlebuch. Eine Gegend mit viel Wald, Mooren, Karstgestein und Höhlen, die ihre Bevölkerung knapp ernähren kann. Von den 17’000 Seelen ist ein Drittel in der Landwirtschaft tätig.
Im Jahr 2000 hatten 94% der Entlebucher dem Projekt Biosphären-Reservat zugestimmt. So wurde aus der Schwäche des alpinen Randgebiets eine Stärke.
Im Mai 2002 weihte der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger dieses erste Biosphären-Reservat der Schweiz ein, das seit September 2001 von der Unesco anerkannt ist.
Armut, «Kafi Fertig» und Katholizismus
Klischees wie «Kafi Fertig», Armut und Katholizismus hatten lange Zeit das Image des Entlebuchs bestimmt. Mit dem Biosphären-Label zeigen sich seit 2002 neue Perspektiven: Aus «urchig» wurde «echt», aus Käse ein «Schrattenkäse».
Und aus der regionalen Etikette entwickelten sich einige lizenzierte Qualitäts-Labels. Um die touristische Seite dieses Reservats kümmert sich Bruno Fläcklin, der Gewinner des Milestone-Nachwuchspreises 2004.
Als Tourismusdirektor von Sörenberg/Flühli hat sich der 31-jährige Quereinsteiger schnell einen Namen gemacht. Ursprünglich als Kaufmann ausgebildet, zog er jedoch ein Leben als Skilehrer und Barkeeper vor.
Von der Südtürkei ins Entlebuch
Im Sommer arbeitete er als Sportanimator in Hapimag-Ferienclubs im Ausland. Hapimag, Europas Nr. 1 für Ferienwohnrechte und mit 60 Urlaubsresorts weltweit, unterhält auch in Sörenberg ein Objekt. So kam Fläcklin von der Südtürkei erstmals ins Entlebuch.
Nach einem Skiunfall wechselte er ins Hotelfach und wurde nach Luzern in die Hotelfachschule geschickt. Doch bald schon wollte er lieber wieder etwas Praktisches tun und übernahm anderswo führende Positionen in der Gastronomie.
2002 ereilte ihn zum zweiten Mal der Ruf nach Sörenberg/Flühli. Man wollte ihn als Verkehrsdirektor, als Nachfolger des Biosphären-Pioniers Theo Schnider, der sich auf die Führung des Biosphären-Reservats konzentriert.
swissinfo: Bruno Fläcklin, weshalb haben ausgerechnet Sie dieses Jahr den touristischen Nachwuchspreis gewonnen?
Bruno Fläcklin: Ich bemühe mich, für Projekte nicht nur die Gäste, sondern auch die zahlreichen Anbieter und die ortsansässige Bevölkerung zu begeistern. Ich will nicht als Tourismusdirektor gelten. Ich will der Bruno sein, der seine Aufgaben machen will.
Das kann ich aber nur, wenn ich mit der Bevölkerung zusammenarbeite. Und zwar nicht hierarchisch, sondern auf gleicher Ebene.
swissinfo: Verlieren Sie sich dabei nicht zwischen den Fronten?
B.F.: Nein, denn junge und alte Einheimische, Ferienwohnungsbesitzer und andere müssen wissen, was wir mit dem Biosphären-Reservat anfangen wollen. Meine Arbeit ist sehr gut angekommen, die Leute kennen nun unser Ziel.
Da sie wissen, wie wir es umsetzen wollen, sind sie auch bereit zu investieren.
swissinfo: In was wird denn investiert?
B.F.: Beispielsweise in eine Kneippanlage, die einige hunderttausend Franken kostet.
Ich muss alle Anspruchsgruppen begeistern können und einen Konsens finden, egal ob am Stammtisch oder an der Cüplibar. Hotellerie, Bergbahnen, Gewerbe, Einheimische – alle Leute, die im Tal leben, müssen sich bewusst sein, dass der Tourismus sie braucht. Aber auch umgekehrt.
Klappt die Überzeugungsarbeit, zeichnen die Leute auch Genossenschafts-Anteile. Die Bevölkerung steht dann auch 100-prozentig hinter diesen Projekten.
Für die Kneippanlage kamen 100’000 Franken in Form solcher Anteile zusammen. Für den Hochseilpark konnten wir einen Pensionsbesitzer als Investor gewinnen. Für die Entlebuch-Aktivkarte konnten wir zwölf Anbieter gewinnen. Für 58 Franken kann der Gast eine Woche lang zwölf Attraktionen nutzen.
swissinfo: Sie machen also touristische Überzeugungsarbeit?
B.F.: Immer wird kritisiert, wir Schweizer seien zu wenig freundlich und initiativ im Tourismus. Ich glaube, ich habe den Nachwuchspreis erhalten, weil ich genau dagegen ankämpfe. Ich kann nicht in Anzug und Krawatte als Verkehrsdirektor zu einem Bauern gehen und ihn fragen, ob er mich beim Projekt «Schlafen im Stroh» unterstützt.
swissinfo: Ist das der sanfte Tourismus?
B.F.: Nein, es ist der zielgerichtete. Die Biosphäre gibt uns den roten Richtungsfaden vor. Einerseits ist dies der Schutzgedanke, aber nicht nur. Denn anderseits geht es auch ums Weiterleben in dieser Gegend.
Manchmal wirkt der Begriff «Reservat» etwas verwirrend. Wir sind hier kein Natur- oder Nationalpark, wo die Bäume liegen bleiben, wenn sie fallen, sondern eine bewohnte Modellregion für nachhaltige Entwicklung.
Klar arbeiten wir auf der Basis der Naturnähe und Landschaft, aber die Leute, die hier wohnen, möchten auch hier arbeiten können.
swissinfo, Alexander Künzle
Bruno Fläcklin als Vertreter der neuen Generation von Touristikern gilt als der Motor des Fremden-Verkehrs im Entlebuch.
Auf der Basis des Unesco-Biosphären-Reservats ist die touristische Richtung dieser Modellregion für nachhaltige Entwicklung vorgegeben.
Fläcklin ist ausgezeichnet worden, weil er die Fähigkeit besitzt, nicht nur Gäste, sondern auch Anbieter und Ortsansässige für Projekte zu begeistern.
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