Millionenbürgschaft für Schweizer Hochseeflotte
Ohne Hilfe des Bundes gäbe es keine Schweizer Schiffe auf hoher See. Die Hochseeschifffahrt erhält 600 Mio. Franken als Bürgschaft für 10 Jahre.
Zwar verwehren die Alpen den Schweizern die freie Sicht aufs Mittelmeer. Doch sie stehen dem Verständnis für die Notwendigkeit einer Schweizer Hochseeflotte nicht im Wege.
Am Donnerstag hat die Kleine Kammer, der Ständerat, ohne Diskussion einen Bürgschafts-Rahmenkredit über 600 Mio. Franken für die Hochseeschifffahrt gesprochen. Wünscht also ein Reeder von einer Bank einen Kredit, leistet die Eidgenossenschaft Bürgschaft. Dies ermöglicht nicht nur den Kredit, sondern verbilligt ihn auch. Noch nie wurde jedoch ein Franken davon auch wirklich gebraucht.
Diese Bürgschaft ist für Reedereien ein Standortvorteil – trotz fehlendem Meeresanstoss. Der Beweis: Die Schweiz hat weltweit die neueste Flotte mit einem Durchschnittsalter von weniger als 4 Jahren. Zum Vergleich: Die rund 39’000 Frachter, welche die Weltmeere kreuzen, sind durchschnittlich 17jährig. Und sehen oft dementsprechend aus…
Es war einmal…
Ihren offiziellen Anfang nahm die Schweizer Hochseeschifffahrt 1941. Der Frachter «Calanda» kämpfte sich in stürmischer See von Nordamerika Richtung Italien. Er transportierte zwar im Auftrag der Schweiz, jedoch unter der Flagge Panamas, Kohle von Nordamerika Richtung Italien – bedroht von Kriegsschiffen und Kampfflugzeugen.
Plötzlich der rettende Funkspruch aus Bern: Die Schweiz hat eine eigene Handelsflotte gegründet. Unverzüglich darf das neutrale, schützende Schweizer Kreuz gehisst werden. Die Rettung. Die Geschichte mag mit Seemannsgarn durchwoben sein. Doch an diesem Apriltag im Jahre 1941 wurde per Notrecht die Schweizerische Handelsflotte ins Leben gerufen.
Ein Wunsch aus dem Jahre 1848
Bereits 1848, der Bundesstaat war gerade aus der Taufe gehoben worden, liebäugelte der Binnenstaat mit einer eigenen Flotte. 1860 fragte der Bundesrat die seefahrenden Nachbarstaaten an, ob der Schweiz nicht auch eine eigene Flagge gebühre. Nein, war die Antwort, denn die Schweiz habe keine Kriegsmarine, die im Konfliktfall Schutz garantiere.
1921 gewährten die seefahrenden Nationen in der so genannten «Barcelona Deklaration» auch den Binnenstaaten Recht auf eine eigene Seefahrtsflagge. Doch es dauerte noch manchen Mond, bis das erste Schweizer Schiff offiziell die Flagge hisste. Eine Flagge übrigens, die im Gegensatz zur Schweizer Fahne rechteckig und nicht quadratisch ist.
Eigene Flotte zur eigenen Sicherheit
Seither garantiert die Schweizer Hochseeflotte Versorgungssicherheit im Krisenfall. Doch nicht nur im Krisenfall profitiert die Schweiz von den eigenen Frachtern. Die Wirtschaft in einer globalisierten Welt ist auf Transport-Möglichkeiten aller Art angewiesen. «Als Binnenland hat die Schweiz bezüglich der Seetransporte einen grossen Nachteil», erklärt Michael Eichmann vom Bundesamt für Wirtschaftliche Landesversorgung gegenüber swissinfo.
«Wenn es irgendwo Schwierigkeiten gibt, haben wir eine Lücke. Wenn wir keine eigene Flotte haben, können wir unsere Produkte weder in die Schweiz holen, noch unseren Export weiterführen,» so Eichmann im weiteren. Gründe für eine Flotte, die ihren Heimathafen nie sieht, gibt es demnach genügend.
Mit ihren Nachbarländern hat die Schweiz Abkommen abgeschlossen, die Zugang zu Häfen und Transportkorridore in die Schweiz garantieren.
Variable Anzahl Schiffe
Klein, vom Meer weit entfernt, von Alpen umgeben, ist die Schweiz ein Binnenland und trotzdem verfügt sie über ihre eigene Hochseeschifffahrt. Ja sie besitzt gar die grösste Flotte aller Binnenstaaten – sieht man von Luxemburg ab, das sich die belgische Flotte unter den Nagel gerissen hat.
24 Schiffe zählt die Schweizer Flotte heute. Die Zahl nimmt zu und ab, je nach Konjunkturentwicklung. 1965 zählte man auf den Weltmeeren 31 Schweizer Frachter. Mitte der achziger Jahre 34. Als die Weltwirtschaft in den 90er Jahren auf ein Wellental zusteuerte, zählte die Flotte 1994 noch 18 Schiffe. 2000 waren es wieder 20 Schiffe, heute sind es 24.
Ihr Zwergendasein machen die Schweizer Reedereien mit der sprichwörtlichen helvetischen Qualität wett. Punkto Sicherheit und Zuverlässigkeit geniessen die Schweizer Frachter einen hervorragenden Ruf.
Nur noch zehn Schweizer Seemänner
Doch trifft man heute auf diesen Schiffen kaum mehr Schweizer Matrosen, Offiziere oder Kapitäne. Arbeiteten 1965 noch 600 Schweizer auf hoher See, so sind es heute noch 10. Daran ist einerseits der tiefe Lohn schuld. Andererseits hat sich das Seemannsleben stark verändert.
Früher mag es schon so gewesen sein, dass in jedem Hafen eine andere Frau auf den Matrosen gewartet hat. Doch heute dauert ein Aufenthalt nur noch wenige Stunden. Und während diesen muss hart gearbeitet werden. Jede Minute zählt, der Wettbewerb ist hart, das Schifffahrtsgeschäft ist global. Beschauliche Momente gibt es nur auf hoher See. Doch auch der schönste Sonnenaufgang ist nach dem 50. Mal nicht mehr spektakulär.
Rebecca Vermot
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