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Mit modernster Technik gegen Temposünder

In der Falle: Nach dem Überqueren der drei Mess-Streifen (hinten) wird das Foto automatisch ausgelöst. (Bild: Kapo Solothurn) swissinfo.ch

Mit immer raffinierteren technischen Mitteln will die Polizei des Kantons Solothurn Rasern das Tempobolzen vergällen.

Auf der Autobahn A5 bei Solothurn ist seit kurzem die modernste und vielfältigste «Radarfalle» Europas im Einsatz.

Walter K. ist in Eile. Er ist auf der Autobahn mit 124 km/h unterwegs – bei erlaubten 100 km/h. Der Monteur hat in der Hitze des Gefechts «vergessen», die Sicherheitsgurte anzulegen. Seine rechte Hand drückt ein Mobiltelefon ans Ohr, durch das der Chef noch letzte Anweisungen betreffend Einsatzort übermittelt.

Die Rechnung, die eine gute Woche später in den Briefkasten von Walter K.s Firma flattert, ist gesalzen: 180 Franken für die Geschwindigkeits-Übertretung, 60 Franken für das Nichttragen der Sicherheitsgurte und weitere 100 Franken für Telefonieren ohne Freisprechanlage. Walter K. muss also 340 Franken seines sauer verdienten Lohnes in die solothurnische Staatskasse abliefern.

Walter K. ist in eine der weltweit modernsten Radarfallen getappt.

Keine «richtige» Radarfalle

«Nein, ‹Radarfalle› dürfen Sie diese Geschwindigkeits-Messanlage nicht nennen», korrigiert Herbert Ris, Leiter Verkehrstechnik der Kantonspolizei Solothurn, den swissinfo-Besucher.

Radarstrahlen kommen bei dieser Anlage nicht mehr zum Einsatz. Drei in die Fahrbahn eingelassene Schwellen haben die Geschwindigkeit von Walter K.s Lieferwagen hochpräzise gemessen und, weil er zu schnell unterwegs war, eine über der Fahrbahn montierte Digitalkamera ausgelöst.

Piezo-Messung

Die Schwellen sind mit so genannten Piezo-Kristallen gefüllt. Diese haben die Eigenschaft, beim Zusammendrücken Strom freizusetzen. Das Verfahren kommt schon seit Jahren beim Piezo-Feuerzeug zum Einsatz.

Das Piezo-Messsystem ermittelt hochpräzis die Geschwindigkeit von jedem darüber fahrenden Fahrzeug, egal ob es sich um einen Personen- oder Lieferwagen, ein Motorrad oder einen Lastwagen handelt.

Ausgelöst wird die Digital-Kamera nur, wenn das Fahrzeug zu schnell unterwegs ist. Das Bild und die von der Messanlage ermittelten Daten werden via Glasfaserkabel in die Autobahn-Polizei-Zentrale in Oensingen verschickt. Dort werden sie von Luicina Lemp am Computer ausgewertet.

Unbestechliche Präszision

Luicina Lemp hat Walter K. auf der hochaufgelösten Aufnahme der Tempoüberschreitung eindeutig identifizieren können. Bei dieser Gelegenheit sind auch seine anderen Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz sichtbar geworden: das Telefonieren sowie das Nichttragen des Sicherheitsgurtes.

Walter K. wird sich nicht herausreden können, eine andere Person habe das Fahrzeug am bewussten Tag gesteuert. Das abgesicherte, nicht manipulierbare Original-Digitalbild offenbart schonungslos, wer die Verkehrsübertretung begangen hat.

Es gibt auch Lücken

Allerdings: Wer die Messstation nicht angegurtet und mobil telefonierend passiert, geht straffrei aus, da nur bei zu hoher Geschwindigkeit ein Foto ausgelöst wird. Da Temposünder nur von vorne abgelichtet werden, können Motorradfahrer nicht eindeutig identifiziert werden und gehen somit straffrei aus. Herbert Ris: «Wir führen ab und zu herkömmliche Radarkontrollen in der Nähe der Messstation durch. Dort gehen uns dann auch die Motorrad-Raser ins Netz.»

«Boykottieren Sie den Staat – fahren Sie korrekt». Mit dieser provozierenden Parole versucht die Kantonspolizei Solothurn Schnellfahrerinnen und Schnellfahrer in Erinnerung zu rufen, dass die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit Löcher ins Portemonnaie reissen kann, aber auch hilft, die Löcher in der Staatskasse zu stopfen.

Geldmaschine?

Herbert Ris betont ausdrücklich, dass die 400’000 Franken teure Anlage nicht als Geldmaschine für den gebeutelten Solothurner Etat konzipiert wurde. Er rechnet mit der Amortisation der Anlage innerhalb eines Jahres. «Wir wollen mit den Geschwindigkeits-Kontrollen die Verkehrssicherheit erhöhen», hält Ris fest.

«Wir budgetieren keine Bussen,» erklärt Projektleiter Ris, «wir budgetieren lediglich die Anzahl der jährlich zu kontrollierenden Fahrzeuge, ungefähr 1,4 Millionen.»

Kontrolle scheint auch nötig. Im Kanton Solothurn sterben jährlich rund 20 Menschen bei Verkehrsunfällen, 200 Schwer- und 1000 Leichtverletzte vervollständigen die traurige Bilanz. Die durch die Verkehrsunfälle verursachten Sozialkosten belaufen sich im kleinen Kanton Solothurn auf etwa 150 Mio. Franken pro Jahr.

Ziel: Erhöhung der Verkehrssicherheit

Überhöhte Geschwindigkeit nimmt bei den Unfallursachen oft einen Spitzenplatz ein. Herbert Ris stört es nicht, dass die Lage der Geschwindigkeits-Messanlage bekannt ist. «Wir wollen an dieser heiklen Stelle, wo neben den vier Normalspuren auch noch zusätzlich zwei sich überlappende Ein- und Ausfahrspuren sind, die Verkehrssicherheit dauerhaft erhöhen.»

Ris meint weiter: «Viele stört das nicht, gerast wird trotzdem.» Der momentane Geschwindigkeitsrekord auf der seit Mitte Mai dieses Jahres montierten Anlage beträgt 150 km/h (100 km/h sind erlaubt). Im angrenzenden Birchitunnel wurden gar schon 185 km/h gemessen.

Das Solothurner Konzept stösst auf Interesse. Anfragen aus dem In- und Ausland treffen bei der Solothurner Autobahnpolizei ein.

swissinfo, Etienne Strebel

Die High-Tech-«Radar»-Anlage ist 24 Stunden in Betrieb. Übertretungen werden elektronisch erfasst und via Glasfaser übermittelt.
Kosten: 400’000 Fr.
Amortisationsdauer: ca. 1 Jahr

Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (nach Abzug der Sicherheitsmarge):
1 bis 5 km/h: 20 Fr.
6 bis 10 km/h: 60 Fr.
11 bis 15 km/h: 120 Fr.
16 bis 20 km/h: 180 Fr.
21 bis 25 km/h: 260 Fr.
Mehr als 25 km/h: Verzeigung (kann zu Ausweisentzug und hohen Bussen oder Haft führen)

Telefonieren ohne Freisprechanlage: 100 Fr.

Nichttragen der Sicherheitsgurte: 60 Fr.

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