Mittelwelle Beromünster verstummt
Nach dem Kurzwellensender Schwarzenburg (1998) wird nun auch der Mittelwellensender Beromünster abgeschaltet. In der Schweiz kam noch einmal Radio-Nostalgie auf.
Wenn er jetzt abgeschaltet wird, der Mittelwellensender 531 kHz, dann erinnert sich die (ältere) deutschsprachige Schweiz vor allem an das Programm des Landessenders Beromünster.
Dass dessen Programm über Mittelwelle übertragen wurde, hat wohl nur eine Minderheit bewusst wahrgenommen.
Um über die alte und hochgelobte Zeit des Landessenders zu sprechen, muss heute das Altersheim aufgesucht werden.
Dort allerdings, beim Nachmittagskuchen, gehen die Gedanken zurück in die Kindheit, die Jugendzeit.
«Wir hatten kein Radiogerät», sagt ein alter Mann gegenüber swissinfo und weist darauf hin, dass Radio hören damals – in den 1930er-Jahren – keine Selbstverständlichkeit war.
Und auch jene, die ein Gerät hatten, meinen: «Wir mussten arbeiten und konnten nicht Radio hören.»
Die Stimme der freien Schweiz
Der Landessender Beromünster wird in dieser Generation rückblickend als eine Art «Informationssender im Zweiten Weltkrieg» wahrgenommen. «Jeden Tag haben wir gebannt die Nachrichten gehört. Ob der Hitler kommt. Wir hatten ja alle so viel Angst», sagt eine Frau.
Aber auch in Deutschland wurde Beromünster während der Nazizeit heimlich gehört. Als Quelle unabhängiger Information erreichte der Sender grosse Bedeutung. Stichwort «Weltchronik» von Professor J.R. von Salis.
An ein eigentliches Tagesprogramm erinnern sich die alten Leute nicht. Viele meinten sogar, sie hätten wohl gar nicht gewusst, wo genau Beromünster liegt.
Und dass auf Mittelwelle gesendet wurde? Noch heute scheint dieses Wort der Altersheimrunde nicht ganz geheuer zu sein.
Volkserziehung
Nach dem Krieg und im Kalten Krieg zog sich der Landessender auf die Schweiz zurück. Die 1950er-Jahre waren geprägt von stark heimatlich gefärbten Programmen mit leicht erhobenem Zeigefinger.
Allen voran die noch heute legendären Hörspielreihen rund um die Werke von Jeremias Gotthelf. «Ueli der Knecht», «Ueli der Pächter» oder «Annebäbi Jowäger» waren Strassenfeger.
Die Art, wie Gotthelf hier vermittelt wurde, führte allerdings in der intellektuellen Schweiz zu heftigen Kontroversen. Vor allem der Schriftsteller Walter Muschg – der Halbbruder von Adolf Muschg – ging hart mit den Hörspielmachern ins Gericht.
Muschg sprach von «Gotthelf-Vermarktung durch Beromünster» oder «Verharmlosung Gotthelfs zum biederen Heimatdichter». Das Volk allerdings stand auf der Seite des Radios.
Kein Rock’n’Roll – kaum Beat
Diese konservative Ausrichtung der Programme des Landessenders bekam ein Grossteil der Jugend von damals zu spüren. Beromünster hat den Rock’n’Roll der 1950er-Jahre gänzlich und die Beatles zum grossen Teil unterschlagen, und damit auch die sich anbahnende «Jugendkultur».
Peter Stähli, Mitarbeiter der Generaldirektion SRG SSR idée suisse, hat die Programmzeitschriften der damaligen Zeit diesbezüglich untersucht. Gefunden hat er zum Beispiel den 8. Februar 1964 (ein Samstag), 13:00 bis 13:15 Uhr: «Schlager vom Tage mit dem englischen Ensemble The Beatles».
Darunter ein Bild der Beatles, wie sie über eine Mauer springen. Die Bildlegende. «The Beatles tanzen auf Ruinen. Bürger, hütet eure Ohren!»
Von Beromünster zu DRS
Im Jahr 1967 (die Schweizer Frau hatte noch immer kein Stimmrecht) verschwand plötzlich der Sendername Beromünster und wurde zu «Schweizer Radio DRS».
Das Fernsehen wird die Nummer 1 und Radio mutiert vom Allein- zum Begleitprogramm im Auto, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit.
Allen recht konnte es der Sender auch mit neuem Namen nicht machen. Der Spagat von Jodlerclub Oberhofen zu Led Zeppelin war nicht zu schaffen. Das änderte sich erst mit den Spartenprogrammen in den 1980er-Jahren.
Die UKfee
Und was geschah mit der Mittelwelle? Auch sie geriet von diversen Seiten unter Druck. Mittelwelle (AM) konnte nie störungsfrei empfangen werden.
Auch wurde die Mittelwelle zunehmend gestört durch fremde Sender, welche (fast) auf der gleichen Wellenlänge sendeten. Vor allem am Abend machte sich ein algerischer Sender in der Schweiz unbeliebt. Trotzdem, die Leute blieben der Mittelwelle treu. UKW, mit besserer Tonqualität, setzte sich nur zaghaft durch.
1978 erschuf DRS deshalb ein Fabelwesen namens UKfee. Die junge und blonde Schauspielerin Birgit Steinegger verkörperte sie. Auf ihrer Mission «UKFee bringt UKW» tourte sie durch die Schweiz, ging – vom Rundfunk übertragen – persönlich in die gute Stube der Leute und stellte das Radiogerät von Mittelwelle auf UKW um.
Musikwelle
1996 schien das Ende der Mittelwelle gekommen. Radio DRS strahle sein erstes Programm nicht mehr über den Sender Beromünster aus. Doch aus Rücksicht auf die ältere Hörerschaft wurde ein eigenes Begleitprogramm für diese Altersgruppe geschaffen: die DRS-Musikwelle.
Moderator Jörg Stoller sagt dazu: «Wir bringen seither unseren älteren Hörerinnen und Hörern ihre Radioheimat. Sie fühlen sich bei uns zu Hause.»
Rund 160’000 blieben der Musikwelle-Mittelwelle bis heute treu. Nun aber wartet auf sie ein technologischer Quantensprung. Wollen sie ihre Heimat weiter hören, müssen sie das künftig digital tun.
Und wie seinerzeit die UKfee für UKW tingelt nun der Schauspieler Walter Andreas Müller durch die Radiowellen und wirbt für DAB.
swissinfo, Urs Maurer
1929
Die eidgenössischen Räte bewilligen 1,7 Mio. Franken für den Bau der Landessender Beromünster und Sottens.
11. Juni 1931
Offizielle Eröffnung der Sendeanlage. Fabrikat Marconi, London. 60 kW Leistung. Frequenz: 556 kHz. Antenne zwischen zwei 125 Meter hohen Türmen.
1936
Die Leistung wird auf 100 kW erhöht.
1937
Bau der 215 Meter hohen Antenne. Beromünster ist nun in ganz Europa zu hören. Die Sendungen werden in den Studios Bern, Basel und Zürich gemacht.
1961
Neuer 250-kW-BBC-Sender. Immer mehr Mittelwellensender. Beromünster-Empfang wird schlechter.
1968
500 kW-Sender verbessert Empfangsqualität.
1978
Beromünster erhält Frequenz 531 kHz. In den folgenden Jahren ständige Sendererneuerung.
Oktober 1996
Die DRS-Musikwelle sendet auf Mittelwelle. Die andern DRS-Programme verschwinden von Beromünster.
2002
Der Kanton Luzern verfügt die Sanierung oder Stilllegung des Senders (Schutz vor nicht ionisierender Strahlung NIS).
28. Dezember 2008
Mittelwelle Beromünster wird abgeschaltet. Eine private Nutzung wurde im Vorfeld der Abschaltung diskutiert. Betrieb und Sanierung würden allerdings viele Millionen Franken kosten.
DRS – Schweizer Radio DRS (für Radio der deutschen- und rätoromanischen Schweiz). Das öffentlich-rechtliche Radio mit zahlreichen (Sparten-)Programmen.
Beromünster – ältester Name für Schweizer Radio DRS. Die Sendeanlage steht allerdings nicht in der Gemeinde Beromünster, sondern in Gunzwil. Radio Gunzwil erschien allerdings nicht als sehr attraktiv, darum Beromünster. Die Sender wurden früher gemäss dem Standort bezeichnet.
SRG SSR idée suisse – Schweizerische Radio- und Fernseh-Gesellschaft, zu der auch swissinfo gehört. Die Generaldirektion aller öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme der Schweiz.
UKW – Ultrakurzwelle (Frequenzbereich von 30 MHz bis 300 MHz). Bessere Tonquallität als Mittelwelle.
DAB – (Digital Audio Broadcasting). Terrestrische Verbreitung von Radioprorammen in CD-Qualität.
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