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Monopol auf Leben?

Das neue Patentrecht soll klären, ob und wie genmannipulierte Pflanzen patentiert werden können. Keystone

Sollen menschliche Gene, Tiere und Pflanzen patentierbar sein wie technische Errungenschaften oder Software-Verfahren? Die Meinungen sind geteilt.

Während die Pharmabranche ihre milliardenteuere Forschung schützen möchte, warnen Biotech-Patent-Fachleute vor unabsehbaren Folgen für Wirtschaft, Gesundheitswesen und Landwirtschaft.

Die Entwicklungsorganisationen Swissaid und Erklärung von Bern führten unter dem Titel «Revision des Schweizer Patentgesetzes: Monopole auf Leben» Anfang Mai ein Seminar durch. Wissenschafter, Experten der Verwaltung, Parlaments-Abgeordnete, Vertreter von Nichtregierungs-Organisationen und Vertreter der Wirtschaft diskutierten das kontroverse Thema vor dem Hintergrund der längst überfälligen Revision des Schweizer Patentrechts.

Nun liegt eine entsprechende Vorlage der Landesregierung beim Parlament. Ein Entscheid wird auf Ende 2007 erwartet.

Unumgänglich scheint die Revision, da das Schweizerische Patentrecht vor der rasanten Entwicklung der Biotechnologie in Kraft gesetzt wurde. So wird im momentan gültigen Recht nicht zwischen der Patentierbarkeit von technischen Errungenschaften und Leben unterschieden.

Wirtschaftlich sinnvoll?

Über den wirtschaftlichen Nutzen, biotechnische Technologien und Verfahren mit Patenten zu schützen, bestehen unterschiedliche Auffassungen.

Für Isabelle Schubert vom Chemieriesen Novartis sind Patente wichtig für den helvetischen Forschungsplatz. So habe die rohstoffarme Schweiz im internationalen Wettbewerb unter den Biotech-Standorten nur mit einem guten Patentschutz eine Chance, in der Oberklasse mitzuspielen.

Pierre-Etienne Boin vom Biotech-Giganten Syngenta führte ins Feld, die Entwicklung neuer Technologien sei sehr teuer. So habe Syngenta 2005 mehr als eine Milliarde Franken in Forschung und Entwicklung investiert.

Deshalb seien Patente und Sortenschutz-Bescheinigungen unerlässlich, um Erfindungen und Neuzüchtungen von Pflanzen für einen bestimmten Zeitraum vor Nachahmungen zu schützen, damit Erfinder und Züchter ihre Investitionen wieder hereinholen könnten.

Anders sieht das Paul Oldham vom englischen ESRC Centre for Economic and Social Aspects of Genomics. Er stellte die Gleichung «Wissenschaft + Schutz geistigen Eigentums = Innovation + Einnahmen» in Frage.

Denn ein strenger Patentschutz von Genmaterial könne auch ermöglichen, Gewinne ohne entsprechende Leistungserbringung zu erzielen. Dies könne sich forschungsfeindlich und innovationshemmend auswirken, da Patente auch dazu genutzt werden könnten, die Forschung von Konkurrenten zu verzögern oder zu verhindern.

«Erbe der Menschheit»

Klaus Peter Rippe, Präsident der Eidg. Kommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich, stellte die grundlegende ethische Frage, ob Gene, beziehungsweise Gensequenzen nicht als Erbe der Menschheit betrachtet werden müssten.

Sandro Rusconi, Professor für Biochemie an der Universität Freiburg, wies darauf hin, dass Gene Informationseinheiten seien, die im Lauf der natürlichen Evolution allmählich gebildet worden seien. Deshalb seien genomische Gene nicht patentierbar, wenn man davon ausgehe, dass es sich dabei um «Entdeckungen» und keine «Erfindungen» handle.

Die Anwendungen solcher Entdeckungen in Medizin, Landwirtschaft und Industrie seien dagegen «Erfindungen» und als solche patentierbar.

Bio-Piraterie

Patenten auf Saatgut hinterlassen in der Landwirtschaft heute schon deutliche Spuren, berichtete Christoph Then von Greenpeace Deutschland. In den USA, Kanada, Brasilien, Indien und weiteren Ländern bezahlen Landwirte Lizenzgebühren für die Verwendung patentierter Pflanzen. Die Ernte gehört ihnen nicht mehr. Sie dürfen sie nicht zur Wiederaussaat verwenden.

Bei vielen Patenten auf Saatgut wurden nicht nur das technische Verfahren, sondern auch die Pflanzen, deren Anbau und die Ernte mitpatentiert. Die Patentansprüche erstrecken sich sogar über die Herstellung von Lebensmitteln oder die Verfütterung der Pflanzen an Nutztiere.

So berichtete Then, dass beispielsweise Syngenta in über einem Dutzend weltweit angemeldeter Patente das gesamte Erbgut der Reispflanzen beanspruche. Dies ziele nicht nur darauf, genmanipulierten Reis zu produzieren, sondern die Pflanzen auf natürliche, wirtschaftlich besonders interessante Gene zu untersuchen. So würden Tausende von Genen für Funktionen wie Krankheitsresistenz, höhere Leistung oder Schädlingsresistenz beansprucht.

Die Chilenin Francisca Rodriguez setzt sich ein für die Kampagne «Saatgut gehört den Bäuerinnen und Bauern im Dienst der Menschheit». Sie lehnt geistiges Eigentum an jeder Form von Leben grundsätzlich ab.

Denn «wir, die wir von alters her für das Saatgut (…) sorgten, können es nicht akzeptieren, dass wir jetzt für neues Saatgut bezahlen müssen – wo es doch ursprünglich aus unserem Boden stammt, aber in anderen Ländern weiterentwickelt oder gentechnisch verändert wurde.»

swissinfo, Etienne Strebel

Kriterien, um eine Erfindung als Patent anmelden zu können:

Neuheit (Wenn Erfindung nicht zum Stand der Technik gehört)

Erfinderische Tätigkeit (Die Erfindung darf sich nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben)

Gewerbliche Anwendbarkeit (Erfindung muss gewerbsmässig nutzbar, und wiederholt realisierbar sein)

Nicht patentiert werden Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen (z. B. ein Verfahren zum Klonen von Menschen)

Ein Patent ist ein Schutztitel für Erfindungen.

Es verschafft seinem Inhaber für 20 Jahre das ausschliessliche Recht, die Erfindung gewerbsmässig zu nutzen.

Er kann allen anderen (Firmen, Personen) die Herstellung, Vermarktung, Verwendung, Verkauf oder Einfuhr des Produktes untersagen.

Der Inhaber kann dieses Recht anderen übertragen, verkaufen oder lizenzieren.

Der Patentschutz gilt nur für jene Länder, in denen das Patent angemeldet und erteilt wurde.

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