Nationalbank-Gold: Zurück zum Start
Eigentlich hätten die Stimmberechtigten an diesem Sonntag über die Verwendung der überschüssigen Goldreserven befinden sollen. Doch sie lehnten beide Vorlagen ab.
Damit muss die Politik erneut über die Bücher und neue Lösungen präsentieren.
Die Regierung hat mit dem doppelten Nein eine Schlappe erlitten. Das Volk habe das Recht, zu den Vorschlägen der Behörden Nein zu sagen, so die Reaktion des enttäuschten Finanzministers.
Für Kaspar Villiger ist klar, nun müsse man «wieder über die Bücher gehen». Klar sei, dass die Stiftung Solidarität kein Thema mehr sei.
Bundesrat und Parlamentsmehrheit wollten die rund 20 Mrd. Franken aus dem Verkauf des Nationalbank-Goldes zu gleichen Teilen der AHV, den Kantonen und der Stiftung Solidarität Schweiz zukommen lassen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hatte das gesamte Geld für die Altersvorsorge einsetzen wollen.
Doch weder für die eine noch für die andere Idee konnte sich die Mehrheit der Stimmenden und der Kantone erwärmen.
Das Resultat fiel allerdings knapp aus: Die Goldinitiative der SVP wurde mit 52,4 Prozent Nein-Stimmen-Anteil abgelehnt, der Gegenvorschlag scheiterte mit 51,8 Prozent.
Beide Vorlagen wurden nicht nur von der Mehrheit der Stimmenden, sondern auch der Mehrheit der Kantone verworfen. Für einmal liessen sich keine deutlichen Gräben ausmachen zwischen den Sprachregionen.
Aus für «erpresserische» Stiftung Solidarität Schweiz
Auf den ersten Blick mag das Abstimmungs-Resultat überraschen. Denn von den grossen Parteien warb keine offiziell für ein doppeltes Nein.
Eine wichtige Rolle für die Ablehnung hat sicher die Vorgeschichte und die Unklarheit der Vorlagen gespielt.
Der Hauptstreitpunkt des Regierungs-Vorschlages – die Stiftung Solidarität Schweiz – wurde im Abstimmungskampf den Makel ihrer Lancierung nicht los. Die Idee entstand 1997 inmitten der Debatte um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und um die nachrichtenlosen Konten der Schweizer Banken.
Die SVP sprach immer wieder von der «erpresserischen Stiftung» – entsprechend ist die Partei, trotz verlorener Initiative, zufrieden, die Stiftung verhindert zu haben.
Rolf Bloch, ehemaliger Präsident der Schweizer Israelitischen Kultus-Gemeinde, bedauert das Nein. «Ich denke, es wäre ein richtiges Signal gewesen, wenn die Schweiz sich gegenüber der Welt in dieser Weise solidarisch gezeigt hätte», so Bloch gegenüber swissinfo.
Allerdings wurde nicht nur die Entstehungs-Geschichte, sondern auch die unklaren Verwendungszwecke der Stiftungsgelder im Vorfeld verschiedentlich kritisiert. Auch dies mag mitgespielt haben, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer nicht für das «Jahrhundertwerk» zu begeistern vermochten.
Vermögen nicht verscherbeln
Auch bei der Goldinitiative schienen die Schwachpunkte eine Mehrheit der Stimmberechtigten abgeschreckt zu haben.
Ein grosser Haken der Initiative war, dass sie sich nicht allein auf die aktuellen überschüssigen Goldreserven der Nationalbank bezog. Zudem liessen die Verantwortlichen offen, ob sie das gesamte Vermögen oder (wie beim Gegenvorschlag) nur die Erträge nutzen wollten.
Welche Rolle allgemeine Wirtschaftssituation beim Entscheid der Bürgerinnen und Bürger gespielt hat, ist schwierig zu sagen. Beide Vorlagen wiesen Mängel auf – und möglicherweise war die Bereitschaft zu Experimenten in der aktuellen unsicheren Zeit einfach zu klein.
Streit ums «Wie weiter» hat begonnen
Heimliche Sieger dieser Abstimmungen sind die Wirtschaftsverbände. Vertreter von economiesuisse, von den Arbeitgebern und vom Gewerbeverband warben offen für die Ablehnung beider Vorlagen. Unterstützt wurden sie von verschiedenen freisinnigen Kantonalparteien.
In den Wirtschaftsverbänden war immer wieder zu hören, dass das Geld besser für den Abbau der Staatsschulden verwendet würde. Ob das nun allerdings geschieht, ist noch nicht klar, die Diskussionen müssen von Neuem beginnen.
Das Hickhack der Parteien hat bereits begonnen. Und dabei fallen von allen Akteuren die bekannten Vorschläge: Geld für AHV und Kantone.
Mit dem Nein zur SVP-Goldinitiative habe das Volk bekundet, dass es nicht will, dass die Reservepolitik der Nationalbank ins Parteiengezänk gezogen werde, sagte Finanzminister Villiger.
Doch die Reaktionen der Parteien zeigen ein anderes Bild: Freisinnige und Liberale wollen die Beträge nach dem heutigen Verteilschlüssel – 2/3 für die Kantone, 1/3 für den Bund – ausschütten. Die SVP verlangt 2/3 für die AHV, die SP schlägt einen Innovationsfonds vor, die CVP einen runden Tisch.
Auch nach dem Nicht-Entscheid verfährt die Nationalbank mit den überschüssigen Goldreserven übrigens wie bisher. Die Goldverkäufe werden wie geplant fortgesetzt, die Verkaufserträge weiterhin verwaltet – bis die Politik entschieden hat.
swissinfo, Eva Herrmann
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch