Neat-Tunnels verschlucken Milliarden
Im Jahr 1999 ging man von Kosten für die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen in Höhe von 12,6 Milliarden Franken aus. Die Rechnung könnte am Ende jedoch doppelt so hoch ausfallen.
Die Teuerung, geologische Überraschungen, vor allem aber Projektänderungen lassen die Kosten des Jahrhunderbauwerks in die Höhe schiessen.
Massive Kostenüberschreitungen beim Bau von Eisenbahntunnels sind ganz offensichtlich die Regel.
Schon der 1882 eröffnete Bahntunnel am Gotthard kostete 40 Mio. Franken mehr als die ursprünglich budgetierten 187 Mio. Beim Furka-Tunnel sah es ähnlich aus.
Das Projekt der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat) macht da keine Ausnahme. Das Schweizer Parlament sprach 1999 einen ersten Rahmenkredit von 12,6 Mrd. Franken. Schon zwei Jahre später stieg dieser Betrag in Folge der Teuerung auf 14,7 Mrd. an.
Immer teurer
Inzwischen werden die definitiven Kosten gemäss einem Bericht des Bundesamtes für Verkehr (BAV) auf 16,5 Mrd. Franken geschätzt. Dazu kommt noch ein Betrag von 1,4 Mrd. für unvorhersehbare Risiken.
«Wenn man auf die Gesamtkosten noch Teuerung, Mehrwertsteuer und Zinsen für den Baukredit addiert, kommt man auf knapp 24 Mrd. Franken», behauptete BAV-Direktor Max Friedli vor kurzem in einem Zeitungsinterview.
Läuft hier die Situation nicht aus dem Ruder? «Ich glaube nicht, weil man für alles eine Erklärung hat», sagt der freisinnige Nationalrat Fabio Abate, Mitglied der parlamentarischen Aufsichtskommission über die Neat.
Ähnlich argumentiert Matthias Neuenschwander, Ingenieur der Lombardi AG. Dieses Tessiner Ingenieurbüro war von Anfang an bei der Neat-Planung beteiligt.
«Das erste Budget wurde auf dem Kostenindex des Jahres 1997 erarbeitet», betont Neuenschwander.
Der Betrag von 24 Mrd. betreffe hingegen die nominalen Endkosten nach Abschluss der Arbeiten und nach Inbetriebnahme der neuen Basistunnels am Gotthard und am Monte Ceneri im Kanton Tessin, das heisst in den Jahren 2019/2020. «Die Teuerung betrifft folglich einen Zeitraum von über 20 Jahren», rechnet der Ingenieur vor.
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Geologische Probleme
Neben rein finanztechnischen Aspekten spielt auch die Geologie eine Rolle. Die Multifunktionalstelle von Faido musste beispielsweise weiter nach Süden verlegt werden, weil unerwartete Schwierigkeiten im Gestein auftraten.
In der Nähe von Bodio hat der Fels so stark auf die bereits ausgebrochenen Tunnelröhren gedrückt, dass deren Durchmesser auf einer Länge von 300 Metern nachträglich erweitert werden mussten.
Gut 100 von insgesamt 150 Kilometern an Tunnels und Stollen sind im Gotthard-Basistunnel bereits ausgebrochen. «In den verbleibenden 50 Kilometern dürfte es nochmals Überraschungen geben», prophezeit Neuenschwander.
Politische Entscheide
Neben geologischen Problemen spielen auch politische Entscheide eine wichtige Rolle. Der Ceneri-Basistunnel war als Einspurtunnel mit Gegenverkehr projektiert. Aus Sicherheitsgründen werden nun zwei richtungsgetrennte Tunnels gebaut. Mehrkosten: 650 Mio. Franken.
«Wenn der Auftraggeber ein Haus einen Stock höher baut, wird es eben teurer», verdeutlicht Neuenschwander den simplen Mechanismus.
Auch die unterirdische, noch nicht definitiv beschlossene Haltestelle «Porta Alpina» unter der Bündner Surselva würde die Kosten erhöhen, genauso wie neue Vorkehrungen zur Trennung von Quell- und Gebrauchswasser oder andere Sicherheitsvorkehrungen.
Auch der Entwicklung des Schienenmaterials muss Rechnung getragen werden. Dazu kommen Folgekosten aus Rechtsstreitigkeiten wie der Vergabe des Bauloses Erstfeld.
Nervosität wächst
Auch wenn es eine Erklärung für jeden Teuerungsfaktor bei der Neat gibt, macht sich bei den Politikern zusehends Nervosität breit. Dies hängt auch mit einem Kreditbegehren für regionale Eisenbahnprojekte (in Genf, Zürich und im Tessin) zusammen, das der Bundesrat nächstes Jahr vorlegen wird.
Diese regionalen Eisenbahnprojekte werden ebenfalls aus dem Neat-Topf gespiesen. «Je teurer die Neat am Lötschberg und Gotthard wird, desto weniger Geld gibt es für diese Regionalprojekte», erklärt Fabio Abate.
Angesichts der explodierenden Kosten verlangt die Schweizerische Volkspartei (SVP) gar eine neue Volksabstimmung über die nötigen Zusatzkredite.
Das Bundesamt für Verkehr versichert allerdings, dass der Bund die Kosten im Griff habe. Laut BAV-Direktor Friedli wird zudem zuviel über die Kosten und viel zu wenig über den Nutzen der Neat diskutiert.
swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen und Bearbeitung: Gerhard Lob)
Faktoren für den Kostenanstieg:
Sicherheit und technische Entwicklung: 1,5 Mrd. Fr.
Verbesserungen im Umwelt- und Personenschutz: 467 Mio.
Politisch bedingte Verzögerungen: 561 Mio.
Unerwartete geologische Schwierigkeiten: 692 Mio.
Erweiterung des Projekts: 260 Mio.
Vergabe und Ausführung der Arbeiten: 368 Mio.
Um böse Überraschungen bei der Verwirklichung grosser Bauvorhaben wie der Neat zu vermeiden, ist bereits vorgeschlagen worden, den Kostenvoranschlag automatisch um einige Prozent anzuheben.
Doch diese Lösung hat einige Nachteile. Sie könnte die Produktivität mindern und den Druck nehmen, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam zu wirtschaften.
Ausserdem wären so Mittel gebunden, die für andere Projekte eingesetzt werden könnten.
Schliesslich wäre ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Bauvorhaben schwierig, die Unsicherheitsfaktoren aufweisen.
Wie im Falle der Neat ist es schwierig, verlässliche Kostenvoranschläge auszuarbeiten, wenn an einem Projekt immer wieder Änderungen vorgenommen werden.
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