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Nespresso: 20 Jahre seit der Kaffee-Revolution

Der "neue" Espresso in personalisierten Kapseln. Keystone

Vor genau 20 Jahren kamen die Nestlé-Kapseln auf den Markt. Seither hat das System die Kaffeezubereitung von Grund auf geändert.

Mit einem jährlichen Wachstum von 30% und einem Jahresumsatz von 1 Mrd. Franken im Jahr 2006, ist Nespresso eines der wichtigen Standbeine des Lebensmittelkonzerns geworden.

Nicht Nestlé holte sich die Schweizer Traditionsmarke Ovomaltine, als Novartis 2002 die Wander AG zum Verkauf anbot, sondern der englische Nahrungsmittel-Multi ABF.

Weshalb biss Nestlé nicht an? Ovo offeriert viele wertvolle Merkmale einer Schweizer Marke. Als Nationalgetränk sponsort Ovo Fahrerinnen und Fahrer aus dem nationalen Skiteam.

Nestlé zielte offenbar weniger auf Sport als auf Lifestyle. Dieser wird heute durch andere Produkte geprägt – durch Nestlés Nespresso beispielsweise.

Mit Nespresso versucht Nestlé, den gewerblichen italienischen Kaffeetrunk in ordentlich industrielle Schweizer Konzept-Bahnen zu lenken. Seit 1986 im Markt, dürfte Nespresso laut dessen Chef Gerhard Berssenbrügge schon 2007 die Umsatz-Milliarde in Franken erreichen.

Für die Ovomaltine hingegen, die 1904 auf den Markt kam, zahlte ABF 98 Jahre später rund 400 Mio. Franken.

Aufsteiger

Das portionierte System der Kaffeekapseln von Nestlé zählte 2005 innerhalb der Top-Ten-Liste inländischer Marken zu den Aufsteigern. Nespresso ist zwar (noch) keine helvetische Traditionsmarke im Sinn von Ovo, erfüllt aber alle Bedingungen für einen «Swiss Brand»: Sauber, teuer, mit Luxus behaftet, innovativ, ganz aus Schweizer Produktion, aber international multiplizierbar.

Andererseits lassen sich bei Nespresso offenbar mehr als bei anderen Produkten die heute unumgänglichen Gesetze des globalen Marketings einbringen:

Lifestyle-Bezug, Stilisierung zum Premium-Produkt, Individualisierung durch Einzelportionierung, gelenkte Verbindung des Produkts mit der Technik (spezielle Kaffeemaschinen, aber von mehreren Herstellern) und mit Service (ein bestimmtes Kundensegment, der «Club»).

Und nicht zuletzt legt der Name Nespresso eine Nähe zum bekanntesten aller Schweizer Markennamen fest, zu «Nescafé».

Dieser wird auf einen Eigenwert von 15,2 Mrd. Franken geschätzt (laut Interbrand Zintzmeyer & Lux) und positioniert sich damit noch vor der Banken-Marke UBS.

Nespresso als Vorreiter

Während klassische Kaffee- sprich Espresso-Maschinen sehr teuer zu stehen kommen, werden Nespresso-Maschinen günstig verkauft. Typisch schweizerisch fällt wegen der Kapselverpackung beim Zubereiten des Kaffees kein putzaufwändiger Abfall mehr an.

Umweltbewusste wiederum wetterten zu Beginn wegen den Alu-Kapseln. Diese werden seither rezykliert – wie sich herausstellt, gegenüber der zeitlich nachfolgenden Konkurrenz mit ihren Wegwerf-Plastikkapseln ein Öko-Vorteil.

Wie es sich für ein Schweizer Produkt gehört, ist die einzelne Kapsel gut verpackt, sparsam und sauber im Gebrauch. Aber dafür kostet eine Portion fast 50 Rappen, gegenüber nicht einmal 10 Rappen beim konventionellen Kaffee.

Kapseln wie Farbkassetten

Das Konzept der teuren Einzelportion entspricht damit der teuren Farbkassette, die bei den oft billig angebotenen Computer-Printern zur Anwendung kommt und meist mit Konkurrenz-Druckern nicht kompatibel ist.

Deshalb stimmen die Kapsel-Normen der Nespresso-Maschinen auch nicht mit jenen der Konkurrenz-Maschinen überein. Denn die Grossverteiler sind auf den Portionen-Trend inzwischen aufgesprungen.

Zum Konzept Nespresso gehört auch, dass verschiedene Hersteller «Nespresso-Maschinen» herstellen dürfen: Turmix, Jura, Miele oder Siemens in der Schweiz. Im Ausland gibt es andere Hersteller, je nach Land wieder andere Kaffeemaschinen-Produzenten.

Damit wird das Überspringen von Markt- und Landesgrenzen für die Nespresso-Kapsel erleichtert. Ende 2005 war Nestlés Espresso-Konzept bereits in 35 Ländern präsent.

Internet statt Sport-Image

Was der Ovomaltine früher über den Ski- oder sonst einen Sport und in den 30er-Jahren als olympisches Getränk gelungen war, nämlich sich eine «Community» zu verschaffen, versucht Nespresso heute, über Lifestyle-Elemente zu erreichen.

Der Genuss eines Tässchens soll zum Erlebnis stilisiert werden – neutrale Kaffeetester attestieren Nespresso immer wieder Bestnoten. Nestlés Marketingleute erfanden dafür ein High-End-Vokabular.

So heissen die Kapseln «Gran Crus», und die Nespresso-Shops nennen sich «Boutiquen». Darin wird der Kunde exklusiv und mit grossem Fachwissen bedient.

Qualität in der Konzeption

Die Schweizer Qualität zeigt sich also nicht nur in der Qualität des Produktes, des Kaffees, selber. Sie manifestiert sich gleichfalls in der schweizerisch durchstrukturierten Konzeption.

Diese kombiniert den zwar guten Service zwingend mit saftigen Aufpreisen, schliesst aber vieles ein, was die Konkurrenz so nicht offerieren kann.

swissinfo

Das Nespresso-System ist heute in 35 Ländern verbreitet.
Die nächsten Etappen sind Osteuropa, Asien und Südamerika.
Während die Kapsel immer dieselbe ist, können verschiedene Hersteller Maschinen dafür bauen, wenn sie sich an gewisse Normen halten.
Die Nespresso-Kapsel passt jedoch nicht in andere Kaffemaschinen. Und umgekehrt.
Die Nespresso-Kapseln werden nicht über den Grosshandel vertrieben.
Der Absatz erfolgt nur über eigene «Boutiquen» und übers Internet.

Nespresso wurde 1986 eingeführt. Seither beträgt das jährliche Umsatz-Wachstum rund 25%.

2005 betrug das Wachstum 36%, auf 819 Mio. Franken. Für 2006 dürfte die Milliarden-Grenze überschritten werden.

Gegenwärtig werden alle Kaffee-Kapseln in der Fabrik in Orbe (VD) hergestellt.

Nespresso investiert mindestens 100 Mio. Franken für den Bau einer zweiten Kapsel-Fabrik, die ab 2008 bereit stehen wird.

Die Ziel ist die 2-Milliarden-Umsatzgrenze im Jahr 2010.

Nespresso beschäftigt rund 1340 Angestellte, inklusive Marketing und Dienstleistungen rund um die Marke (und zusätzliche 200 bis ins Jahr 2010).

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