Neue Hoffnung dank Bio-Baumwolle
Die Entwicklungsorganisation Helvetas engagiert sich in Mali in einem Fair-Trade-Projekt mit biologischer Baumwolle. So schaffen es viele Bauern, sich ein würdiges Einkommen zu verdienen.
Das Land in der südlichen Sahara ist von Armut und prekären sozialen Verhältnissen geprägt. Das Bio-Baumwoll-Projekt schafft ein wenig Abhilfe. Eine Reportage aus Mali.
In den Baumwollfeldern rund um das Dorf Faragouaran im Süden Malis haben viele Insekten eine neue Heimat gefunden. Sie sind unangenehm, aber unschädlich. «Dies zeigt, dass wir hier keine chemischen Stoffe mehr einsetzen», sagt Sidi El Moctar Nguiro, ein lokal tätiger Agraringenieur.
Für die Baumwollbauern dieser Region begann die Umstellung im Jahr 2002. Damals lancierte das Schweizer Hilfswerk Helvetas in Zusammenarbeit mit Mobiom – der Bio-Bewegung auf Mali – ein Projekt für biologischen und solidarischen Landbau.
Das Interesse an diesem Projekt war sofort sehr gross. Und innerhalb von fünf Jahren explodierte die Zahl der Teilnehmer förmlich. «Von 174 Bauern im Jahr 2002 sind wir mittlerweile bei 4200 gelandet», berichtet Nguiro.
Die Umstellung auf biologische Landwirtschaft hat sich nicht nur die Insektenwelt positiv ausgewirkt, sondern auch den Feldern die Fruchtbarkeit von einst zurück gegeben. Die Bauern wiederum konnten ihr Einkommen konsolidieren. Der Anbau von Baumwelle ist zudem nicht mehr länger gefährlich für Haut oder Lunge.
Mit Bio aus der Krise
«Das Projekt hat vor allem ökonomischen Charakter», sagt Frank Eyhorn von Helvetas. «Dank unseres Solidaritätsprojekts können wir den Baumwollproduzenten einen Mindestabnahmepreis garantieren. Ausserdem müssen sich die Familien nicht länger verschulden, um teuren Dünger oder industriell hergestellt Pestizide kaufen zu können.»
Konkret heisst dies: Die Bauern des Mobiom-Helvetas-Projekts können ihre Baumwolle dieses Jahr für 238 Francs CFA pro Kilo verkaufen (0,36 Euro). Dieser Wert liegt deutlich über dem internationalen Marktpreis für konventionell produzierte Baumwolle (160 Francs CFA/kg).
Dabei steckt der weltweite Baumwoll-Handel momentan tief in der Krise: Subventionen der USA und der EU für ihre eigenen Produzenten haben den Marktpreis für diesen Rohstoff 40 Prozent sinken lassen. Dies wiederum hatte dramatische Konsequenzen für Länder wie Mali, für welche die Baumwolle die Haupteinnahmequelle für ausländische Devisen darstellt.
Helvetas garantiert im vorliegenden Projekt die Abnahme der Bio-Baumwolle über Partner wie die Firma Reinhart in Winterthur, den Detailhändler Migros oder die Textilgruppe Switcher. Diese haben sich verpflichtet, die gesamte Bio-Produktion abzukaufen und unter dem Fair-Trade-Label «Max Havelaar» zu vermarkten.
Das Resultat dieser Vermarktungskette ist eine deutliche Verbesserung der Einkommensbedingungen in Afrika. Im Gegenzug muss der Konsument für den Erwerb eines T-Shirts oder Pygiamas «Max Havelaar» 10 bis 15 Prozent mehr bezahlen als für ein Kleidungsstück aus herkömmlicher Produktion.
In der Schule dank Max Havelaar
«Über den Mindestpreis hinaus geben wir den Produktions-Kooperativen einen weiteren Anreiz: Eine Prämie für fairen Handel», betont Vesna Stimac, Sprecher von Max Havelaar.
Dank dieses kleinen Extra-Zustupfs (0,05 Euro/kg) konnte die Gemeinschaft von Faragouaran eine Lagerhalle bauen, um biologische Düngemittel vor Unwettern zu schützen. «In Zukunft wollen wir auch Schulen und kleine Wasserschutzdämme bauen», freut sich der Dorfälteste Moussa O Samaké.
Auch die Frauen im Dorf sind zufrieden. Im Schatten eines Mangobaums singen sie Volkslieder, tanzen und klatschen rhythmisch in die Hände. Dank des Helvetas-Projekts haben sie zu einer feierlichen Grundstimmung zurückgefunden.
«Seit ich Bio-Baumwolle anbaue, kann ich die Haushaltsausgaben bestreiten und meine Kinder in die Schule schicken», sagt Yvette Cissé, eine zirka 50-jährige Bäuerin (ihr genaues Alter kennt sie nicht) in ihrem weiten und goldfarbenen Kleid.
Emanzipation für Frauen
Traditionsgemäss ist der Einsatz von Frauen im konventionellem Baumwollanbau äusserst limitiert. Sie besitzen kein Land und können keine Kredite aufnehmen. Mit der Bio-Produktion hat sich das Blatt gewendet.
«Normalerweise liegt der Frauenanteil im Baumwollgewerbe bei einem Prozent. Bei uns liegt der Anteil hingegen bei 40 Prozent», betont Sidi Moctar Nguio, technischer Direktor von Mobium.
Durch den Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide (und auf gentechnisch-veränderte Organismen) haben sich die Biobauer auch von den Produkten der grossen Agrar-Multis unabhängig gemacht. Die gesundheitlichen Risiken wurde minimiert. «Auch schwangere Frauen können während der Ernte auf den Feldern arbeiten», ergänzt Nguiro.
Schwierige Umstellung
Die Umstellung auf den biologischen Anbau ist indes nicht so einfach. Es bedarf allein schon einer bestimmten technischen Grundausstattung sowie guter Kenntnisse und viel Handarbeit.
«Anfangs dachten viele, dass es unmöglich sei, ohne Kunstdünger Baumwolle anzubauen. Und die ersten Versuche waren in der Tat erbärmlich», erinnert sich Nguiro.
Dank Weiterbildungskursen zur biologischen Landwirtschaft, zur Anfertigung organischen Düngers und der ökologischen Schädlingsbekämpfung haben sie die Bauern schrittweise mit dem Bio-Anbau vertraut gemacht.
Einige Bauern und Bäuerinnen, unter ihnen Yvette Cissé, schafften es sogar, ihre Bio-Produktion auf die frühere Menge aus konventionellem Anbau zu steigern (1 Tonne pro Jahr). Allerdings weiss Yvette nichts über die Endabnehmer ihres Textil-Rohstoffs.
Wir erzählen ihr von den langen Wegen, welche die Baumwolle bis zu den Fabriken in Asien und später zum Verkauf nach Europa zurücklegt. Yvette scheint überrascht: «Mir reicht es zu wissen, dass sie in der Schweiz verkauft werden.»
swissinfo, Luigi Jorio, Mali
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Mail ist eines der ärmsten Ländern der Welt. Zusammen mit Ägypten und Burkina Faso gehört es zu den grössen Baumwollproduzenten Afrikas (650’000 Tonnen im Jahr 2006).
Im Jahr 2002 haben 174 Baumwollpflanzer Malis 47 Tonnen an biologischen Baumwollfasern produziert.
Inzwischen sind 4118 Bauern auf Bio umgestiegen. Sie produzieren mehr als 600 Tonnen Bio-Baumwolle.
Für das Bio-Baumwoll-Projekt auf Mali verfügt Helvetas über 1,1 Mio. Franken pro Jahr.
300’000 Franken stellt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) zur Verfügung.
Baumwolle ist die verbreitetste Natur-Textilfaser auf der Welt. Sie wird aus den Samenhaaren der Pflanzen der Gattung Baumwolle (Gossypium) gewonnen. Die Faser wird zu dünnen Fäden gesponnen, aus denen Textilien hergestellt werden.
Jedes Jahr werden rund 25 Millionen Tonnen Baumwolle in konventionellem Anbau hergestellt. Die weltweit bedeutendsten Baumwollproduzenten sind China, USA, Indien und Pakistan.
In Europa ist Griechenland das einzige Land mit einer nennenswerten Produktion (Platz 10 der Weltrangliste).
Die grössten Produzenten von Bio-Baumwolle (25 bis 30’000 Tonnen pro Jahr) sind die Türkei, Indien, USA und Syrien.
Die Textilindustrie wird heute von asiatischen Ländern dominiert, aber auch Europa beziehungsweise die Schweiz haben eine lange Tradition in der Textilherstellung und- verarbeitung.
Im 16. und 17.Jahrhundert war die Baumwollverarbeitung in der Region um Zürich, St.Gallen und Appenzell weit verbreitet.
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