Neue Regeln beflügeln Schweizer Kunstmarkt
Das vor sechs Monaten eingeführte Gesetz gegen illegalen Handel mit Kulturgütern hat die Position der Schweiz im internationalen Kunsthandel gestärkt.
Die neuen Bestimmungen sollten dem anonymen Handel einen Riegel vorschieben. Laut dem Bundesamt für Kultur haben die Händler positiv auf die Veränderungen reagiert.
«Es ist heute nicht mehr möglich, Kulturgüter einfacher einzuführen als Tomaten», sagte Andrea Raschèr, Leiter der Abteilung Recht und Internationales beim Bundesamt für Kultur (BAK), gegenüber swissinfo.
Es gebe mehr Transparenz beim Export, Import sowie bei der Lagerung von Artefakten. Zudem habe sich die Zusammenarbeit von Händlern, Museen sowie Zollbehörden verbessert.
Bis vor kurzem galt die Schweiz wegen ihrer laschen Gesetzgebung beim Transfer von Kulturgütern als Umschlagplatz für gestohlene Kunst.
Deshalb hatte sie auf den 1. Juni ein neues Gesetz für den internationalen Kulturgüter-Transfer eingeführt, das sich an der UNESCO-Konvention von 1970 gegen den illegalen Handel mit Kunst anlehnt.
Positive Rückmeldungen
Nach neuem Recht müssen Kunsthändler und Auktionshäuser offen legen, mit wem sie Geschäfte machen. Zudem müssen sie detaillierte Listen über ihre Aktivitäten führen und ausführliche Informationen über die verkauften Güter bereit halten.
Laut Raschèr ist das Echo der Kunsthändler «exrem positiv». Er zitierte einen Bericht des Handelsmagazins «Weltkunst», wonach der Schweiz durch das neue Gesetz ein Standortvorteil erwachsen sei.
«Obwohl wir uns noch in der Phase der Aufklärung und Sensibilisierung befinden, weisen alle Zeichen darauf hin, dass die Händler und Auktionshäuser die Einführung der Sorgfaltspflicht ernst nehmen», so Raschèr weiter.
Auch die Vereinten Nationen begrüssten es laut Raschèr, dass die Schweiz ihr Gesetz an die UNESCO-Konvention angepasst hat. «Die Vorwürfe, die Schweiz sei ein Umschlagplatz für gestohlene Kulturgüter, sind verstummt», stellte Raschèr fest.
Fachstelle für das Monitoring
Um sicher zu stellen, dass die neuen Regeln befolgt werden, hat das Bundesamt für Kultur (BAK) eine Fachstelle eingesetzt, die die Aktivitäten auf dem Kunst- und Antikenmarkt seit Juni eingehend beobachtet und kontrolliert.
Nach den neuen Recht gilt für Kulturgüter von unbekannter Herkunft – meist gestohlene Ware – in der Schweiz ein Verkaufs-Moratorium von 30 Jahren. Zuvor mussten die Händler nur fünf Jahre warten, bis sie solche Güter verkaufen konnten. Die Bestimmung trifft allerdings nicht auf Kunstwerke zu, die weniger als 5000 Franken kosten.
Die Arbeit der Fachstelle gliedert sich laut Raschèr in drei Etappen. «Zunächst geht es um die Information und die Sensibilisierung, dann um die Kontrolle der Ein- und Ausfuhr an den Zöllen. In einer dritten Etappe, die 2006 beginnt, werden wir dann auch die Händler und Auktionshäuser kontrollieren.»
Die Fachstelle arbeite eng mit freien Experten zusammen, die für Kontrollen am Zoll beigezogen würden. Die Einfuhr werde fast täglich geprüft. Die Händler allerdings seien bisher ausgeklammert worden, sagte Raschèr weiter.
Wichtiger Standort
Laut BAK gehört die Schweiz international zu den fünf grössten Handels-Zentren für Kulturgüter. Der Markt generiert jährlich einen Umsatz von 5,1 Mrd. Franken.
Insgesamt habe sich das neue Gesetz positiv auf das Image der Schweiz als Umschlagplatz für Kulturgüter ausgewirkt, stellte Raschèr fest. «Denn sobald ein Land strengere Regeln hat, wird es vom illegalen Handel gemieden. Kosten und Risiken sind im Vergleich zum Nutzen zu hoch.»
Weil für legale Güter höhere Preise erzielt werden können, hätten die neuen Bestimmungen auch nicht – wie verschiedentlich befürchtet – zu tieferen Umsätzen geführt. Sammler seien bereit mehr zu bezahlen, wenn sie dafür eine Garantie für die Authentizität eines Artefakts erhielten.
«Ich hoffe, dass die Schweiz dank klarer Regeln vom fünften auf den vierten Platz im Welthandel aufsteigen kann», stellte Raschèr abschliessend fest.
swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)
1962: Die Schweiz ratifiziert die Konvention von Den Haag für den Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten.
Oktober 2003: Die Schweiz ratifiziert die UNESCO-Konvention von 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern.
Juni 2005: Das neue Schweizer Gesetz zum internationalen Kulturgüter-Transfer tritt in Kraft, das im Juni 2003 vom Parlament verabschiedet wurde.
Das neue Gesetz verpflichtet die Kunsthändler und Auktionshäuser in der Schweiz dazu, ihre Kunden zu identifizieren.
Besitzer von gestohlenen Kulturgütern haben neu 30 Jahre Zeit, diese zurückzufordern.
Die Schweiz ist der fünftgrösste Kunstmarkt der Welt.
Er generiert jährlich einen Umsatz von 1,5 Mrd. Franken.
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