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Nez Rouge vom eigenen Erfolg überrollt

Der Elch mit der roten Nase symbolisiert die Idee aus Kanada. Keystone Archive

Die Präventions-Aktion Nez Rouge, deren Freiwillige im Dezember angetrunkene Autofahrer gratis nach Hause fahren, steht vor einer unsicheren Zukunft.

Derweil sind in der Schweiz ab dem 1. Januar 2005 nur noch 0,5‰ Blutalkohol am Steuer erlaubt. Nach einem Glas ist Schluss.

Der Wind für Personen, die alkoholisiert ein Auto fahren, wird steifer. Zusammen mit dem neuen Regime von 0,5‰ Alkohol im Blut darf die Polizei ab dem 1. Januar 2005 Fahrerinnen und Fahrer auch ohne einen konkreten Verdacht auf Alkohol im Blut kontrollieren.

Wer trinkt, fährt nicht, oder wer fährt, trinkt nicht. Dieser Leitspruch gilt im Zusammenhang mit Alkohol am Steuer seit Jahren. Doch ob das Auto zu Hause bleibt oder abgeholt wird, darüber ist nun ein Streit entbrannt.

Nez Rouge bringt Fahrer heim

Wer während der Festzeit zu tief ins Glas geguckt hat, kann in der Schweiz seit 1990 im Dezember gratis auf die Dienste der freiwilligen Helferinnen und Helfer der Präventions-Aktion «Nez Rouge» zählen.

Die Idee stammt aus der kanadischen Stadt Québec, wo sie seit 1984 existiert. Von dort hatte Jean-Luc Baierlé, Präsident von Nez Rouge Schweiz, das Konzept übernommen und in die Schweiz gebracht.

Seit 1990 hat die Anzahl der nach Hause Gefahrenen stetig zugenommen. 2003 waren es bereits 14’100 Personen, 5444 Freiwillige sorgten für deren Transport. Mit dem neuen Regime auf den Strassen könnten es nächstes Jahr erneut mehr werden.

«Das Ziel von Nez Rouge ist nicht, mehr Transporte durchzuführen», betont jedoch Baierlé gegenüber swissinfo. «Das Ziel ist klar weniger Unfälle.» Aus diesem Grund wird Nez Rouge seit Anbeginn von verschiedenen Organisationen aus dem Bereich Verkehrssicherheit subventioniert.

Ungewisse Zukunft

Doch nun ist dieses Projekt akut gefährdet: Der bisherige Hauptsponsor, der Fonds für Verkehrssicherheit (FVS), hat dieses Jahr das Finanzierungsgesuch über 150’000 Franken abgelehnt.

Der Grund: Der FVS wirft Nez Rouge vor, den Alkoholkonsum zu fördern. Konkret geht es um die Frage, ob das Auto nicht besser schon vor einem feuchtfröhlichen Abend zu Hause bleiben sollte.

Dies ist die Meinung von FVS-Geschäftsführer Dieter Lüthi. Wer sich ins Auto setze, solle sich überlegen, «trinke ich heute Abend? Wenn ja, dann lässt man das Auto schon von Beginn weg zu Hause», präzisiert er. Nez Rouge passe daher nicht zum Motto des FVS: «Drink or Drive».

Präventions-Aktion

Doch für Baierlé ist die Philosophie des FVS die gleiche wie bei Nez Rouge: «Wir haben einfach eine originelle und spezielle Art, die Botschaft zu transportieren.» Im Grund gehe es genauso darum, die Leute zu sensibilisieren.

«Nez Rouge ist eine Präventions-Aktion. Das Ziel jeder Präventions-Aktion ist, dass sie eigentlich einmal gar nicht mehr nötig sein müsste.» Doch leider müssten immer noch viele Menschen wegen Alkohol am Steuer sterben.

Daher bleibe die Aktion Nez Rouge nach wie vor nötig. Der Präventions-Erfolg sei messbar. Denn schon die Abgabe des Autoschlüssels sei für viele ein grosser Schritt.

«Und wenn im Sommer einer in der Gruppe fragt, ‹wer macht Nez Rouge heute Abend?›, dann haben wir die Botschaft weitergeben können», so Baierlé.

Notlösung gefunden

Nez Rouge hat gegen den Entscheid des FVS Beschwerde beim Bundesrat eingereicht. Dieser allerdings entscheidet erst im Januar 2005. Bestätigt der Bundesrat den Ausstieg des Hauptsponsoren, «haben wir keine Garantie, um weiterzumachen», befürchtet Baierlé.

Für diesen Winter hat Nez Rouge nun mit der Loterie Romande und anderen Lotteriegesellschaften eine Notlösung gefunden. Ausserdem sollen 20% der Trinkgelder ausnahmsweise an die Dachorganisation gehen. Bisher gingen diese zu 100% an andere Präventions-Aktionen oder Behinderten-Organisationen.

Parallel zur Beschwerde beim Bundesrat sucht Nez Rouge nun nach einem bis drei grösseren Partnern. Damit könnte die Aktion unabhängig vom Verkehrssicherheits-Fonds weiterbestehen. «Doch das wird sehr schwierig», so Baierlé.

Letztlich könnte es gerade eine Frage des Erfolgs sein, die Nez Rouge derzeit zu schaffen mache, meint Baierlé. «Ich fürchte, wegen des Erfolgs stufen uns gewisse Leute im Fonds nicht mehr als salonfähig ein.»

swissinfo, Christian Raaflaub

Nez Rouge entstand 1984 in Québec, Kanada
Seit 1990 gibt es die Aktion in der Schweiz
2003 transportierten 5444 Freiwillige 14’100 Personen

Die Aktion Nez Rouge bringt jeweils im Dezember angeheiterte und nicht mehr fahrtüchtige Autofahrer gratis nach Hause.

In den Kantonen Aargau, Zürich, Neuenburg und Tessin startet die Aktion am Wochenende vom 3.-5.12., in der restlichen Schweiz am Wochenende darauf.

Trotz drohender Finanzknappheit hat Nez Rouge sein Angebot ausgebaut. So wurde etwa im Wallis eine neue Regionalsektion gegründet.

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