Noch kein Ende der Affäre…
Die "Affäre Barrigue" ist noch lange nicht ausgestanden. Wer bezahlt? Was geschieht mit der zweiten Auflage des Buches?
Ein Gespräch mit Christian Berger, Generalsekretär der CIIO, und mit der Hauptperson, Thierry Barrigue.
Christian Berger, Generalsekretär der Interkantonalen Erziehungskonferenz der Westschweiz und des Tessins (CIIP) hat sein Amt am 1. August angetreten. Damit tritt er ein komisches Erbe an, denn es war die CIIP, die das Buch finanziert hat.
Zwar freut er sich über ein neues Lehrmittel in der Romandie («Das kommt nicht oft vor, vor allem auf Sekundarschulstufe»), doch ist er von der Affäre Barrigue natürlich sehr betroffen.
«Wir fragen uns, ob wir das hätten verhindern können. Warum plötzlich diese Reaktionen? Ich erhielt also den Auftrag, zu prüfen, ob wir in unserem Verfahren einen Fehler gemacht haben. Oder, wenn das Verfahren korrekt war, einen Weg zu finden, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden», erklärt er.
Heisse Themen
Zum Herbstbeginn zeichnen sich einige ärgerliche Fragen ab: Wer zahlt die Rechnung? Im Prinzip muss jeder Kanton seine Rechnung übernehmen. «Aber wenn wir feststellen, dass der Fehler bei uns lag, müsste man darüber diskutieren.» Die Untersuchung ist im Gang.
Eine interne Untersuchung, die sicher Auswirkungen auf die 2. Auflage haben wird. Am 11. Juli hatte die CIIP angekündigt, dass diese keine Zeichnungen von Barrigue mehr enthalten werde. Was einige Reaktionen hervorrief.
Denn Barrigues Humor ist bei vielen Schülerinnen und Schülern beliebt; und auch bei vielen Lehrkräften. Und vor allem würde eine solche Massnahme in mehreren Regionen als «Diktat aus dem Genferseegebiet» angesehen, Regionen, die sich schon in der Achse Lausanne-Genf als Quantité négligeable fühlen.
«Die Konferenz muss diesen Herbst zusammenkommen und das Problem beraten. Als die Mitteilung hinausging, kannten wir noch nicht alle Elemente. Ob wir auf den Beschluss zurückkommen, kann ich noch nicht sagen», führt der Generalsekretär aus.
Entgleisung? Nein!
Man könnte sich vorstellen, dass in der Auflage 2004 die umstrittensten Bilder (weniger als zehn) weggelassen werden, ohne gleich alle 112 Illustrationen Barrigues in Frage zu stellen.
«Die Autoren vertrauen mir seit 20 Jahren», meint Barrigue dazu. «Sie wollen, dass 2004 auf keinen Fall alle Bilder entfernt werden, sondern dass man über 7 oder 8 Bilder diskutiert, die vielleicht ein wenig ungeschickt, etwas unpassend sind.»
Apropos: Hat der Zeichner den Eindruck, «entgleist» zu sein? Seine Antwort ist klar: «Nein. Die Antwort ist nein, man kann mir vielleicht eine gewisse Ungeschicktheit in Bezug auf gewisse Empfindlichkeiten vorwerfen, aber sicher keine Entgleisung. Das geht zu weit», so Barrigue.
«Es gibt einige provokative Zeichnungen, die man als unzulässig ansehen könnte, aber es gab ein Zensurkomitee, das die Schulwelt gut kennt und das mich hätte zurückpfeifen müssen. Im Übrigen bin ich selbstkritisch: Von den 112 veröffentlichten Bildern gibt es einige, die mir nicht gefallen. Aber das als Entgleisung anzusehen, damit bin ich nicht einverstanden.»
Koordination will gelernt sein
Abgesehen vom Fall Barrigue und davon, ob man seinen Humor liebt oder nicht, erstaunt vor allem das Durcheinander. Natürlich ist im Föderalismus Koordination nicht einfach.
«Die Konferenz ist immer mit dieser Schwierigkeit konfrontiert: Was muss man tun, damit etwas, das im Interesse aller ist, bei den Kantonen gut ankommt? Diesmal kamen wir nicht besonders gut an», stellt Christian Berger fest.
Und fügt bei: «Eine Koordination bedingt, dass jeder Kanton etwas nachgibt, was sie im Allgemeinen gern tun. Jedes Jahr haben wir ein paar gelungene Beispiele einer solchen Koordination.»
Ja, aber nun kommt die «Affäre Barrigue» in einem Moment, in dem die Genfer und Waadtländer Schulsysteme im Aufruhr sind, denn sie sind in Frage gestellt. Das Tempo, mit dem die Genferseeregion den politischen Entschluss zum berühmten Schulbuch fasste, der vielen als unverhältnismässig vorkommt, muss sicher in diesem Zusammenhang gesehen werden.
swissinfo, Bernard Léchot
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
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