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Noch kein Ende im Steuerstreit mit den USA

Steueramtshilfegesetz, Doppelbesteuerungs-Abkommen: Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat viel zu tun. Keystone

Im Grundsatz hat sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, den USA künftig auch bei Gruppenanfragen Amtshilfe zu leisten. Der definitive Entscheid steht noch aus. Gegenüber allen andern Ländern will der Rat keine Gruppenanfragen zulassen.

Die Gruppenanfragen standen im Zentrum der Debatte über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungs-Abkommens (DBA) mit den USA. Der Rat hatte zu entscheiden, ob die Schweiz den USA in Fällen von Steuerhinterziehung bei Gruppenanfragen Amtshilfe leisten soll.

Die Klausel zu den Gruppenanfragen ist wichtig im Zusammenhang mit 11 Schweizer Banken, denen in den USA Prozesse drohen. Washington verlangt von Bern die Daten von zehntausenden Kunden von Schweizer Banken in den USA.

Widerstand kam von der Schweizerischen Volkspartei (SVP): Sie argumentierte, Gruppenanfragen öffneten Tür und Tor für «fishing expeditions», und damit werde das Bankgeheimnis definitiv preisgegeben. Deshalb wollte die Partei gar nicht erst auf die Vorlage eintreten.

Der Rat lehnte den Antrag der SVP mit 115 zu 51 Stimmen ab. Damit ist das Geschäft allerdings noch lange nicht unter Dach und Fach. Die Detailberatungen der einzelnen Artikel stehen noch aus und werden lange und hitzige Diskussionen provozieren. Bereits in der Eintretensdebatte wurde zwar klar, dass die Mehrheit wahrscheinlich Ja stimmen wird zu den Gruppenanfragen, dies allerdings lediglich unter grossen Vorbehalten. Der Nationalrat wird am 5. März die einzelnen Artikel des erweiterten DBA beraten.

SP fordert Paradigmenwechsel

«Bereits zum dritten Mal muss unser Land nun den Banken zu Hilfe eilen», sagte der Sozialdemokrat Christian Levrat. Deshalb brauche es Regeln für die Zukunft. Konkret müsse die Schweiz den automatischen Datenaustausch einführen, also ein innenpolitisch höchst umstrittenes Mittel, das unter anderem die EU seit Jahren fordert. Der Bundesrat müsse nun die entsprechenden Schritte unternehmen, «um zu verhindern, dass die Schweiz ein Steuerparadies bleibt», so Levrat.

«Die Schweiz steht wegen den Banken einmal mehr mit dem Rücken zur Wand. Wir begrüssen die Ausweitung der Amtshilfe für die USA, aber die politischen Umstände, die dies verlangen, sind unhaltbar», sagte die Sozialdemokratin Susanne Leutenegger Oberholzer. «Die USA setzen ihre Interessen rücksichtslos durch. Die Banken sind unbelehrbar. Wir stimmen lediglich zu, wenn der Bundesrat nun einen Paradigmenwechsel einleitet.»

Auch bürgerliche Kritik an den Banken

Er frage sich, ob der Bund dazu da sei, «die kriminellen Machenschaften der Banken zu schützen», sagte der Grüne Daniel Vischer. «Entweder sagen wir Ja, weil wir sagen, ‹wir sind erpressbar›, oder wir sagen Nein, weil wir sagen, ’so kann es nicht weitergehen'», kritisierte Vischer. «Ein Teil der Grünen sagt Nein zu diesem Gestrüpp.»

Kritik kam jedoch auch von bürgerlicher Seite. Die Banken hätten «unser Land in Verruf gebracht», sagte die Christdemokratin Lucrezia Meier-Schatz. Nun erwarte sie, dass diese «die Lehren ziehen und sich auf ein ethisch verantwortbares Geschäftsmodell» einigten.

Auch der Freisinnige Fulvio Pelli sprach von «einigen Banken, die gefährlich sind für das ganze System», plädierte im Namen seiner Partei jedoch für Gruppenfragen und damit für eine Erweiterung des Doppelbesteuerungs-Abkommens mit den USA.

Somit war klar, dass der Freisinn, die Christdemokraten, die Grünliberalen, die bürgerlichen Demokraten sowie die Mehrheit der Sozialdemokraten und der Grünen der Vorlage – wenn auch unter Zähneknirschen – zustimmen werden.

Kein Knochen, sondern Griessbrei

Dagegen sprach sich die SVP aus. Ihr Ärger richtete sich allerdings nicht gegen die Banken, die auch nach dem UBS-Debakel ihre zweifelhaften Machenschaften in den USA nicht gestoppt haben, sondern gegen die «weitere Unterhöhlung» des Bankgeheimnisses.

SVP-Nationalrat Christoph Blocher sprach «von der Fortsetzung eines unglaublichen Trauerspiels» und einer «Aushöhlung unseres Rechtsstaates». Es gehe lediglich darum, «anderen Staaten ihre Kasse zu füllen und ihre Finanzplätze zu stärken». Und die Schweiz lasse dies zu. «Das Ausland beisst beim Bankgeheimnis nicht auf einen Knochen, sondern auf einen Griessbrei.»

OECD 26 nun gesetzlich geregelt

Am Morgen hatten die Parlamentarier ein neues Gesetz über Steueramtshilfe angenommen. Dieses ersetzt eine Verordnung des Bundesrates aus dem Jahr 2010. Wie die Verordnung übernimmt das Gesetz die Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Sachen Informationsaustausch und leistet auch Amtshilfe bei Steuerhinterziehung und nicht nur bei Steuerbetrug.

Bei gestohlenen Daten leistet die Schweiz keine Amtshilfe. Demnach tritt sie nicht auf ein Amtshilfegesuch ein, wenn dieses auf Informationen beruht, die durch strafbare Handlungen erlangt worden sind. Generell soll das Gesuch den Grundsatz von Treu und Glauben nicht verletzen dürfen.

Der Nationalrat sprach sich dafür aus, dass die Schweiz auf Basis von Gruppenanfragen keine Steueramtshilfe leisten solle, sofern dies nicht explizit in einem Doppelbesteuerungs-Abkommen mit einem Land vorgesehen ist – wie das wahrscheinlich demnächst mit den USA der Fall sein wird.

Der US-Senat hat das Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA), das die Schweiz und die USA 2009 unterzeichnet haben, immer noch nicht ratifiziert.

Der Grund ist ein einziger Senator, Rand Paul, Sohn des republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten Ron Paul und seit einem Jahr Abgesandter des US-Teilstaates Kentucky. Als Anhänger der rechtskonservativen Tea Party-Fraktion ist er für eine drastische Verkleinerung des Staatswesens – also auch des verhassten Steuereintreibers IRS, der durch das DBA zu mehr Kompetenzen käme.

Der Senat macht Ratifizierungen gerne einstimmig. Diese können dann schnell durchgewinkt werden. Wenn auch nur einer dagegen ist, kommt es zu einer Verlesung der Gesetzesvorlage im Senat, dann zu einer oft tagelangen Diskussion, schliesslich zur Abstimmung, bei der eine Mehrheit von 60 Stimmen zusammen kommen muss.

Auf diesen langwierigen Prozess für eine eigentlich unumstrittene Sache haben die Senatoren keine Lust.

Zur Debatte stehen auch DBA mit Luxemburg und Ungarn. Auf Dauer kann US-Senator Rand Paul die Ratifizierung als einziger Gegner aber nicht blockieren, nur verzögern.

Das in den 1930er-Jahren in der Schweiz eingeführte Bankgeheimnis verpflichtet zur vertraulichen Behandlung von Informationen über Bankkunden und deren Finanztransaktionen.

Das Gesetz zwingt die Banken aber auch, die Identität ihrer Kunden und die Herkunft der Gelder zu erfassen.

Weil Steuerhinterziehung in der Schweiz nicht als Straftat geahndet wird, wird den Steuerbehörden aus dem In- und Ausland bei Verdacht auf Steuerhinterziehung bislang keine Auskunft erteilt. Nur bei Strafverfahren, z.B. gegen Steuerbetrug, dürfen die Behörden Auskünfte verlangen.

2009 musste die Schweizer Regierung zum ersten Mal die Daten von tausenden Kunden der UBS an die USA liefern. Die amerikanischen Behörden hatten mit massiven Sanktionen gegen die Schweizer Grossbank gedroht, die beschuldigt wurde, zehntausenden Kunden geholfen zu haben, Steuern zu hinterziehen. 

Im letzten Januar gab Washington bekannt, dass 11 Schweizer Banken wegen gleicher Delikte beschuldigt würden. Die amerikanische Justiz fahndet nach 20 Schweizer Bankiers. Washington verlangt von Bern jetzt die Daten von zehntausenden Kunden von Schweizer Banken in den USA.

Infolge des internationalen Drucks hat die Schweiz in den letzten Jahren 30 Doppelbesteuerungs-Abkommen unterzeichnet, wobei die Amtshilfe gemäss OECD-Standards auch auf Fälle von Steuerhinterziehung erweitert wurde.

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