Ökostrom aus dem Fussballtempel
Im künftigen Stade de Suisse Wankdorf in Bern ist am Freitag Aufrichte gefeiert worden - auch wenn das Dach erst zur Hälfte fertig gebaut ist.
Das neue Schweizer Fussballstadion erhält die weltweit grösste in einem Stadion integrierte Solaranlage.
Wegen der runden Zahl von 400 Tagen bis zur Eröffnung am 30. Juli 2005 luden die Totalunternehmerin Marazzi AG und die Investoren bereits vorzeitig zur Aufrichte. Der Bau sei im Zeitplan, die Arbeiter seien zur Zeit vor allem mit Innenausbau und Haustechnik beschäftigt, sagte Marazzi-Direktor Werner Müller.
Der Stadionrasen werde bereits im Herbst angesät, damit die Wurzeln bis im Sommer des kommenden Jahres guten Halt finden könnten. Einweihen wird den neuen Wankdorfrasen natürlich der Lokalmatador BSC Young Boys. Welcher Gegner im Eröffnungsspiel gegen YB antritt, ist noch nicht klar.
Multifunktional
Von den 65’000 Quadratmetern Geschäfts-Räumlichkeiten im multifunktionalen Stadion sind bisher 81 Prozent vermietet, wie Müller weiter sagte.
Die grösste Geschäftsfläche im Stade de Suisse wird künftig ein Einkaufszentrum des Grossverteilers Coop einehmen.
Mehr als ein Symbol
Laut den Baumeistern wird die Installation auf dem Dach des neuen Stade de Suisse die weltweit grösste in einem Stadion integrierte Solaranlage sein.
Das ist mehr als ein Symbol, wird doch das Wankdorfstadion dereinst durchschnittlich 12 bis 15’000 Personen auf den Tribünen aufnehmen können – aber auch darunter, in den Läden, Restaurants und Konferenzsälen des Komplexes.
Daher die Idee der Planer, auf dem Dachfirst eine Informations-Plattform mit wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Aspekten zur Solarenergie anzubringen.
Alles, von der Planung bis zum Betrieb, liegt bei dieser Photovoltaikanlage bei der BKW FMB Energie AG (Bernische Kraftwerke), dem ersten Ökostromproduzenten der Schweiz.
Realisiert wird die Anlage in zwei Phasen. Als Erstes werden 5000 Solarzellen mit einer Fläche von 8000 m2 angebracht. Damit können maximal 850 Kilowatt Strom erzeugt werden.
In der zweiten Etappe soll die Fläche der Sonnenkollektoren auf 12’000 m2 ausgedehnt werden. Das ergibt zusätzlich maximal 450 kW Strom, insgesamt also 1,3 Megawatt.
Schliesslich soll die Anlage über eine Million kW pro Stunde erzeugen und damit den jährlichen Stromkonsum von rund 300 Haushalten decken.
Risikobegrenzung
Zum Vergleich: Die grösste gegenwärtige Anlage der Welt unweit von Leipzig, die sich zur Zeit in der Endbauphase befindet, wird ab Juli Strom für 1800 Haushalte erzeugen. In der Schweiz hat jene auf dem Mont-Soleil im Jura letztes Jahr einen Produktionsrekord aufgestellt: Sie konnte 200 Haushalte mit Strom versorgen.
Im Wankdorf hängt der Bau der zweiten Etappe allerdings davon ab, ob der Verkauf von Ökostrom bei den Konsumentinnen und Konsumenten Erfolg hat.
«Unsere Ziele sind noch nicht festgelegt, wir werden sie im Herbst bekannt geben. Aber mit dem Beschluss, unsere Anlage in zwei Etappen zu bauen, können wir das Risiko in Grenzen halten», sagt Sebastian Vogler, Pressechef der BKW FMB Energie AG, gegenüber swissinfo.
Die BKW werden den Ökostrom aus dem Wankdorf unter dem Namen «1to1 energy sun star» verkaufen. Der Preis (im Allgemeinen kostet Solarstrom 2,5 bis 3 Mal mehr als herkömmlicher Strom) und die weiteren Eigenschaften dieses Produkts werden erst im Herbst bei dessen Lancierung enthüllt.
Laut den BKW, die viel Marketing betreiben wollen, um sich den Erfolg zu sichern, werden über 55 Stromverteiler den Ökostrom aus dem Wankdorf vermarkten.
Modellcharakter
«Zu Beginn des Bauprojekts des neuen Stadions in Bern bekamen wir viele Briefe, in denen man uns bat, ein Konzept für Solarenergie auszuarbeiten», erklärt Vogler den Ursprung der Idee zu dieser Anlage.
«Wir leisten da Pionierarbeit», so der Pressechef weiter. «Und wir hoffen, dass wir einen Beitrag zur Förderung dieser Energieform in der Schweiz leisten können.»
Die Anlage ist ein gutes Projekt, wie auch Jacques Bonvin bestätigt, einer der Verantwortlichen von Courant Vert. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Ökostrom in der Schweiz zu fördern.
«Durch ihre Grösse hat die Anlage Modellcharakter. Die Schweizer Bevölkerung ist allerdings jetzt schon sehr empfänglich für Sonnenenergie, wie aus vielen Studien hervorgeht. Aber wir haben Mühe, die Botschaft auch auf politischer Ebene durchzubringen», so Bonvin weiter.
Die Hoffnung liegt also im Lager der Fussballer…
swissinfo, Pierre-François Besson
30. Juli 2005: Einweihung des neuen Stade de Suisse
Ab Mai 2005: Weltweit grösste in einem Stadion integrierte Solaranlage
Investitionen in die Solarenergie: Rund 10 Mio. Franken.
Stromproduktion der Anlage: Ca. ein durchschnittlicher Jahreskonsum von 200 bis 300 Haushalten
Ende 2003 gab es in der Schweiz Solarzellen von einer Fläche von 295’000 m2. Das sind 2,9% des europäischen Totals.
Weltweit sind es 75 Millionen m2, die Hälfte davon in China.
Die mit photovoltaischen Zellen bedeckte Fläche lag 2002 weltweit bei 12%. Das Wachstum dürfte 2004 19% erreichen.
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