Oswald Grübel: Erneuerer oder Mann von gestern?
Während politische und Wirtschaftskreise die Ernennung von Oswald Grübel zum neuen Chef der UBS begrüssen, reagiert die Schweizer Presse verhalten optimistisch.
«Mit Grübel als neuem CEO kann die Bank bei Investoren, Kunden und Behörden wieder Vertrauen schaffen», sagt Kapitalmarkt-Analytiker Dirk Kepler. «Grübel hat die Charakterstärke und das nötige Bankenwissen, um eine Strategie für die UBS zu entwickeln.»
Grübel hatte bereits die Credit Suisse durch eine Restrukturierung wieder auf Kurs gebracht und ihr ein neues Image verpasst. Die Bank erzielte 2006 Rekordgewinne und der CS-Chef ging als Held in Pension.
Allerdings habe die UBS weit grössere Probleme als die Credit Suisse vor fünf Jahren, sagt Peter Janssen vom Schweizer Institut für Bankwesen und Finanzen der Universität Zürich gegenüber swissinfo.
«Erfahren und glaubwürdig»
«Die Situation heute ist völlig anders. Sie ist härter und komplexer. Niemand weiss, ob Grübel die UBS retten kann, aber er will es zumindest versuchen, er ist erfahren, glaubwürdig und ein guter Leader», sagt Janssen. «Er wird das naheliegende tun: die Risiken abstossen, die Kosten reduzieren und sich auf das Hauptgeschäft konzentrieren, die Vermögensverwaltung.»
Janssen rät Grübel, ein stärkeres Team zu bilden, das ihn bei der Restrukturierung unterstützen kann. Der bisherige Chef Rohner wurde in den 18 Monaten als CEO stark kritisiert. Und Peter Kurer ist immer noch unter Druck. «In den letzten Jahren hat die UBS kaum neue Strategien entwickelt», sagt Janssen.
Presse warnt vor zu hohen Erwartungen
Die Schweizer Zeitungen geben sich am Tag nach dem Führungswechsel an der Spitze der UBS verhalten optimistisch. Die Kommentatoren zweifeln zwar nicht an den Fähigkeiten des neuen CEO Oswald Grübel, warnen aber gleichzeitig vor zu hohen Erwartungen.
Grübel sei «ein Mann fürs Grobe» (Der Bund), «krisenerfahren» (Südostschweiz), «ein harter Hund mit Heldenpotenzial» (Landbote und Thurgauer Zeitung) «direkt, unzimperlich und führungsstark» (Neue Luzerner Zeitung) und dadurch wohl «einer der wenigen Spitzenleute, die genug Erfahrung haben, um eine global tätige Bank zu sanieren» (Neue Zürcher Zeitung).
Er werde bei der Grossbank zwar «anecken, abbauen und straffen», schreibt die NLZ. Dessen müsse sich die UBS bewusst sein. Doch das sei auch ihre Chance.
Der Neubeginn wird hart
Dass der Neubeginn für die UBS kein Zuckerschlecken wird, davon ist auch die Südostschweiz überzeugt. Der frühere CS-Chef sei in der Vergangenheit nur deshalb so erfolgreich gewesen, «weil er die Kosten brutal senkte und Tausende Banker auf die Strasse stellte».
Ob er jedoch diese Erfolgsgeschichte als Konzernchef bei der UBS wiederholen könne, das sei alles andere als sicher, befürchtet die NZZ. Denn «die UBS von heute kämpft mit ungleich mehr und ungleich grösseren Herausforderungen als die CS von 2002».
Der Kommentator des Landbote und der Thurgauer Zeitung hofft immerhin, dass Grübel sich «für ein aussichtsloses Unterfangen wohl kaum zur Verfügung gestellt hätte».
Oswald Grübel ein Mann von gestern?
Einige Kommentatoren rätseln auch, wieso sich Grübel im Pensionsalter noch einmal dieser Aufgabe stellt. «Vielleicht vermisste er den Adrenalinrausch. Vielleicht hofft er auf ein Denkmal als Sanierer beider Grossbanken», spekuliert der Bund.
Für die Basler Zeitung macht er diesen Job, «weil der dadurch die Chance bekommt, bei der Neugestaltung des Schweizer Finanzplatzes eine Hauptrolle zu spielen». Diese Meriten wolle sich Grübel holen.
Der Bund hegt jedoch gewisse Zweifel an den Erfolgschancen. Trotz aller Vorschusslorbeeren bleibe Grübel «ein Mann des Systems».
Noch deutlicher wird der Tagesanzeiger: Grübel sei «in seinem Denken und Handeln die leibhaftige Verkörperung jener Bankergeneration, die uns kollektiv in die Finanzkrise geführt haben». Er verkörpere «das Denken von vor der Krise». Und so besehen sei auch Grübel ein Mann von gestern.
swissinfo, Matthew Allen und Agenturen
Der dramatische Fall der UBS begann im Juli 2007, als UBS-Konzernchef Peter Wuffli wegen des Zusammenbruchs der UBS-Hedge-Fund-Firma Dillon Read Capital Management (DRCM) überraschend durch Marcel Rohner ersetzt wird.
Im Oktober 2007 muss die UBS wegen der US-Hypothekarkrise 4 Mrd. Dollar abschreiben. 1500 Stellen im Investmentbanking werden abgebaut. Finanzchef Clive Standish und Investmentbank-Chef Huw Jenkins treten zurück.
Im April 2008 muss die UBS im ersten Quartal einen Verlust von rund 12 Mrd. Fr. hinnehmen. Auf Ramsch-Hypotheken muss sie weitere 19 Mrd. Dollar abschreiben – total hat sie 40 Mrd. Fr. in der US-Hypothekenkrise in den Sand gesetzt. Verwaltungsrats-Präsident Marcel Ospel kündigt seinen Rücktritt an.
Im Oktober 2008 schiesst der Bund 6 Mrd. in die angeschlagene UBS ein. Überdies sichert ihr die Nationalbank (SNB) die Auslagerung fauler Wertpapiere von 60 Mrd. Dollar ab. Angesichts des Rettungspakets geraten die Boni für die UBS-Manager in die Kritik.
Trotzdem muss die UBS für 2008 einen Verlust von knapp 20 Mrd. Franken bekannt geben und nochmals 2000 Stellen im Investmentbanking abbauen.
Am 18. Februar 2009 einigt sich die UBS mit den US-Steuerbehörden auf die Auslieferung von Daten von rund 300 Kunden, denen Steuerdelikte vorgeworfen werden. Der Deal wird scharf kritisiert, da er das Bankgeheimnis in Frage stellt. Zudem zahlt die UBS 780 Mio. Dollar an die USA.
Doch die US-Steuerbehörden gaben sich nicht komplett zufrieden mit der Einigung. Sie verlangen geheime Daten von weiteren 52’000 UBS-Kunden.
1943 in Ostdeutschland geboren, spielte er eine Schlüsselrolle in der Grossbank Credit Suisse, der Schweizer Nummer zwei.
Nachdem die Bank 2002 einen Rekordverlust von 3 Mrd. Fr. vermeldet hatte, schaffte er den Turnaround, trotz harter Kritik seines Vorgängers Lukas Mühlemann.
2006 machte Grübel mit der Bank 11 Mrd. Fr. Gewinn. Doch dies hatte einen hohen Preis: Tausende Angestellte wurden entlassen.
Grübel, von seinen Freunden gerne «Ossie» genannt, war ein Waisenkind.
Er begann seine Karriere bei der Deutschen Bank und kam 1970 zur CS, als er in London für ihre Investmentbank White Weld Securities arbeitete. 1978 wurde er Chef dieser Division.
Danach hatte er diverse hohe Posten im Konzern inne, darunter namentlich die Credit Suisse First Boston.
1991 stieg er in die Geschäftsleitung ein. 1998 wurde er Direktor des Privatkundensegments und später der Finanzdienstleistungen.
Nachdem er das Unternehmen 2001 kurz verlassen hatte, wurde Ko-Leiter der Credit Suisse Group und übernahm das Ruder 2004 allein. 2007 trat er zurück.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch