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Parlament sagt Nein zum Gentech-Moratorium

Die Aktivisten der Initiative bei der Übergabe der Unterschriften am 18. September 2003. Keystone

Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat die Volksinitiative "für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft" abgelehnt. Das Urteil fiel knapp aus.

Damit ist die parlamentarische Debatte zum Gentech-Moratorium abgeschlossen. Das letzte Wort wird das Volk haben.

Nach heftiger Debatte sprach sich der Nationalrat am Dienstag mit 91 zu 88 Stimmen gegen den Vorschlag seiner vorberatenden Kommission aus. Diese unterstützte die Initiative, die für fünf Jahre verbieten will, gentechnisch veränderte Pflanzen oder Saatgut (GVO) zu importieren oder in Verkehr zu bringen.

Kommissionssprecher Hans Widmer aus der Sozialdemokratischen Partei (SP) erklärte, Ziel der Initiative sei es, der Schweizer Landwirtschaft eine «faire Chance» zu geben. Die klare Mehrheit der Konsumenten wünsche gentechfreie Produkte. Das Label «gentechfrei» sei für die Bauern ein Verkaufsargument.
Der Rat verwarf diese Argumente und folgte seinen bürgerlichen Exponenten, die sich wiederholt gegen das Begehren gestellt und vor allem auch vor negativen Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz gewarnt hatten.

Überflüssig

Zentrales Argument gegen die Initiative war vor allem das neue Gentechnikgesetz. Dieses biete schon heute strenge Vorschriften und mache ein weiteres Moratorium nicht nötig.
Die bürgerlichen Initiativ-Gegner bezeichneten das Moratorium als schädlich. Höchst wahrscheinlich werde in den nächsten fünf Jahren sowieso keine Freisetzung von GVO bewilligt, sagte der Zürcher Freisinnige Ruedi Noser. Ein Bewilligungsverfahren würde Jahre dauern. Zudem sei das geltende Gentechnik-Gesetz streng genug.

Das Moratorium hätte zwar keinen direkten Einfluss auf die Forschung. Wissenschaftliche Freisetzungsversuche gentechnisch veränderter Pflanzen wären weiter möglich. Diverse Votanten befürchteten aber, das Moratorium würde ein schädliches Zeichen für den Forschungsplatz Schweiz aussenden.

Auch Bundesrat Joseph Deiss verwies darauf, dass mit Verboten oder Moratorien keine Probleme gelöst, sondern nur weiter vor sich hergeschoben würden. Er empfahl die Initiative deshalb – wie zuvor auch schon der Ständerat – ebenfalls zur Ablehnung.

Pollen-Kontrolle

Für die Initiative machte sich vor allem die Linke stark – unterstützt von Bauernvertretern aus der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Schwer im Magen liegt ihnen eine mögliche Vermengung von gentech- mit gentechfreien Pflanzen. Sie befürchten, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen durch Pollenflug mit herkömmlichen Sorten kreuzen.

In der kleinräumigen Schweiz sei dies nur schwierig zu vermeiden, warnte Biobauer Andrea Hämmerle, SP Graubünden. «Kein Bauer kann gentechfrei produzieren, wenn gentechnisch veränderte Organismen (GVO) vom Feld des Nachbarn auf seines fliegen», ergänzte Hans Widmer.

Die Befürworter des Moratoriums betonten auch, dass sich die Schweiz mit qualitativ hoch stehenden Produkten von der Konkurrenz abheben müsse. Billiger als die Grossbetriebe im Ausland könnten die Schweizer Bauern nicht produzieren.

Zudem wurde auch auf die klare Haltung der Konsumentinnen und Konsumenten verwiesen, die gentechnisch veränderte Produkte und Lebensmittel klar ablehnten.

Kein Gegenvorschlag

Ein Rückweisungsantrag des Freisinnigen Johannes Randegger wurde ebenfalls mit 96 gegen 83 Stimmen verworfen. Dieser wollte den Bundesrat beauftragen, einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten. Dieser müsse aufzeigen, wie herkömmliche und GVO-Landwirtschaft nebeneinander betrieben werden könnten.

Bundesrat Deiss bezeichnete die Rückweisung als unnötig. Im Gentech-Gesetz sei die Frage der Koexistenz bereits geregelt. Eine Verordnung sei in Arbeit. Eine GVO-Freisetzung werde nur bewilligt, wenn ein Nebeneinander möglich sei.

Die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» war im September 2003 eingereicht worden. Sie verlangt ein fünfjähriges Gentech-Moratorium für die Schweizer Landwirtschaft und will dazu verschiedene Einschränkungen in der Verfassung verankern.

Dazu gehören ein Verbot der Einführung und Inverkehrsetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren während der Moratoriumszeit. Der Einsatz gentechnisch veränderter Futter- oder Pflanzenschutzmittel wird hingegen nicht explizit geregelt.

swissinfo und Agenturen

Der Nationalrat hat die Initiative abgelehnt, die ein Moratorium von fünf Jahren für die Einführung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in der Landwirtschaft fordert.

Das Abstimmungsergebnis war knapp: Die Vorlage wurde mit 91 zu 88 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt.

Im März dieses Jahres hatte bereits der Ständerat die Initiative mit 32 zu 7 Stimmen zurückgewiesen.

Damit kommt die Initiative voraussichtlich im November dieses Jahres oder im nächsten Februar vors Volk.

Die Initiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» wurde am 18. September 2003 eingereicht.

Dafür wurden 120’824 gültigen Unterschriften gesammelt.

Sie stammen grösstenteils aus den Kantonen Zürich (29’854) und Bern (20’196).

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