Pauschalbesteuerung lockt reiche Ausländer an
Superreiche Ausländer strömen derzeit in Scharen in die Schweiz, um von der heftig umstrittenen Pauschal-Besteuerung zu profitieren, die viele Kantone anbieten.
Laut einer von der Beratungsfirma KPMG durchgeführten Studie hat sich die Anzahl der Steuerflüchtlinge zwischen 2003 und 2006 auf 4175 fast verdoppelt. Diese Art der Besteuerung gibt im In- und Ausland Anlass zu Kritik.
Anfang Jahr hatte der Sprecher der französischen Präsidentschafts-Kandidatin Ségolène Royal die Schweiz des «Banditentums» bezichtigt. Dies, nachdem der französische Rockstar Johnny Hallyday seinen Umzug aus Steuergründen in die Schweiz bekannt gemacht hatte.
Hallyday ist damit nicht allein. Er stösst in eine Gruppe von Multimillionären, Prominenten und Topmanagern, die schon früher in die Schweiz gezogen sind.
Darunter finden sich weltbekannte Personen wie die Popstars Tina Turner und Phil Collins, der vielfache Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher oder IKEA-Gründer Ingvar Kamprad.
Die Schweizer Boulevardzeitung Blick stellte daraufhin die Frage, warum Hallyday jährlich nur 300’000 Franken Steuern pauschal bezahlen soll, wenn der Schweizer Tennis-Star Roger Federer im gleichen Zeitraum 3 Mio. Franken abliefert. Beide verdienen rund 10 Millionen pro Jahr.
Reiche Ausländer können in der Schweiz die Besteuerung ihres Vermögens verhindern und werden folglich mit rund dem fünffachen Mietwert ihrer Immobilien in der Schweiz besteuert.
Doch Patrick Burgy, Partner bei der Beratungsfirma KPMG, wehrt sich gegen den Eindruck, diese reichen Ausländer würden keinen Beitrag an die Gesellschaft leisten.
Laut Schätzungen von KPMG haben die Schweizer Steuerbehörden 2004 gegen 600 Mio. Franken von vermögenden Ausländern erhalten. Im letzten Jahr dürfte nahezu die Milliardengrenze erreicht worden sein. Auch Sozialabgaben und Steuern auf Zinsen von Konten auf Schweizer Banken gehören dazu.
Pauschalbesteuerung – nur die halbe Geschichte
«Die generelle Wahrnehmung ist, dass Pauschalbesteuerte ein gutes Geschäft machen und keinen fairen Beitrag leisten», sagt Burgy gegenüber swissinfo.
«Doch unsere Berechnungen zeigen, dass diese Personen den gleichen Betrag wie ein durchschnittlicher Schweizer Steuerzahler bezahlen, der über 200’000 Franken jährlich verdient.»
Vielfach werde auch vergessen, «dass ein Einkommen aus ausländischen Quellen, zum Beispiel ein Konzert in Japan, in diesem Land bereits besteuert wird. Somit ist die Pauschalbesteuerung in der Schweiz nur die halbe Geschichte».
KPMG-Zahlen zeigen auch, dass die Abgaben reicher Ausländer beispielsweise im Kanton Wallis 5,2% der gesamten Steuereinnahmen betragen, obwohl sie nur 0,6% der Bevölkerung ausmachen. In 6 der 26 Schweizer Kantone haben reiche Ausländer 2004 mindestens 2% der lokalen Steuerneinnahmen bestritten.
«Verfassungswidrig»
Doch dieses Argument will die Sozialdemokratische Partei (SP) nicht gelten lassen. Sie setzt sich für die Abschaffung der Pauschalbesteuerung ein.
«Wir sind dagegen, weil es unfair und ein Vergehen gegen die Bundesverfassung ist. Laut der Verfassung sollen alle Bürgerinnen und Bürger gleich behandelt und gemäss ihrer Zahlungskraft besteuert werden», sagt Pressesprecherin Claudine Godat.
«Wir sind nicht sicher, wie genau die Zahlen der Studie betreffend Anzahl der Pauschalbesteuerten sind. Wenn sie stimmen, dann ist das äusserst bedenklich.»
swissinfo, Matt Allen
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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Steuersystem
1920 führte der Kanton Waadt als erster spezielle Massnahmen ein für Ausländer, die in der Schweiz leben, aber nicht arbeiten.
Vierzehn Jahre später schufen die Bundesbehörden eine spezielle Steuerkategorie für Personen, die aus Gesundheitsgründen in die Schweiz kamen und hier nicht arbeiteten.
Die Pauschalbesteuerung wird in der Steuerharmonisierung geregelt, die seit 2001 die Kantone verpflichtet, die gleichen Grundsätze bei der Besteuerung zu befolgen.
Begünstigte dieses Systems müssen mindestens sechs Monate und einen Tag im Kanton leben, ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz haben oder mindestens 10 Jahre von ihrem Heimatland abwesend sein und nicht in der Schweiz arbeiten.
Kantone mit den meisten reichen Ausländern, die 2006 von der Pauschal-Besteuerung profitiert haben (gemäss KPMG, offizielle Zahlen 2003 in Klammern):
Waadt: 1100 (260)
Wallis: 860 (647)
Genf: 600 (555)
Tessin: 477 (410)
Graubünden: 250 (168)
Zürich: 150 (38)
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